Seit jener schwarzen Spielzeit gilt der Essener Amateurfußball bundesweit als besonders drastisches Beispiel für das Gewaltproblem im deutschen Amateurfußball: Auf den Plätzen nördlich der A 40 wurden Schiedsrichter ins Krankenhaus geprügelt, Fußballer und Zuschauer gingen aufeinander los, Spiele mussten nach Platzstürmen abgebrochen werden. Besonders viele Negativ-Schlagzeilen machte der als „Prügelclub“ vom Rest der Kreisliga B final boykottierte BV Altenessen. Vor dem Start in die neue Saison nahm darum am Montagabend der Fußballkreis 13 bei seiner alljährlichen Arbeitstagung die Vertreter der 43 Vereine in die Pflicht, alles dafür zu tun, neue Ausschreitungen zu verhindern. Dem aufgestiegenen „Boykott-Meister“ BVA geben Verband und Vereine eine Bewährungschance.
So beschreibt der Kreisvorsitzende Thorsten Flügel die Stimmung in den Clubs. Eine Fortsetzung des Boykotts in der Kreisliga A sei ohnehin aktuell kein Thema. Ein Grund dafür, lobt Flügel: „Die Altenessener tun etwas für einen Neuanfang“. Das betont ausdauernd wie ein Kicker mit Pferdelunge auch Walter Minewitsch, sportlicher Leiter beim BVA: „Wir haben nur noch drei Spieler aus dem alten Kader in unserer Mannschaft – und die haben eine weiße Weste.“
Über 20 Neuzugänge hat der im März verpflichtete Trainer Otto Prell – ein Verfechter eiserner Disziplin mit Landesliga-Erfahrung – an den Kaiser-Wilhelm-Park gelotst. Dem Team habe der Schleifer „klargemacht, dass jeder helfen muss, unser Image aufzupolieren“, so Minewitsch. „Wir sind hoffnungsvoll, dass bei uns nichts mehr passiert.“
Fußballverband schickt Kontrolleure zum BV Altenessen
Für dieses Saisonziel und das sportliche – den Klassenerhalt – lässt Prell seine Kicker während der Saisonvorbereitung knechten. „Er ist der härteste, aber auch der fairste“, schwärmt Mittelfeldspieler Fawad Asimi von der Respektsperson Prell.
Asimi zählt zu den Spielern aus dem berüchtigten alten Kader. Die Multikulti-Truppe sah der 26-Jährige von Konkurrenten, Verband und Medien oft zu Unrecht an den Pranger gestellt: „Die Liga wollte uns loswerden, weil wir als Störenfriede galten. Wenn mal ein Spieler aus der Reihe tanzt, können wir anderen doch nichts dafür.“
Zur Erinnerung: Beim bislang letzten Meisterschaftsspiel der BVA-Herren hatte im Februar ihr damaliger Kapitän den Schiedsrichter niedergestreckt. Die Spruchkammer des Kreises sperrte ihn lebenslang, im Mai aber reduzierte das Sportgericht des FVN die Sperre in letzter Instanz und kommentarlos auf zwei Jahre, setzte noch dazu eineinhalb Jahre zur Bewährung aus.
Trainer und Vorstände gegen Ausschreitungen gefordert
Unter Beobachtung steht aber auch das neue BVA-Team, in dem er nicht mehr mitspielen darf. Thorsten Flügel will ab Mitte August Kontrolleure zu den ersten Partien des BVA schicken. Er sieht aber alle Vereinsführungen und Trainer in der Pflicht, wachsamer zu sein und notfalls während der 90 Minuten einzugreifen. Wenn Spiele eskalieren, kündige sich das meist lange zuvor an: „Und dann muss man als Trainer und Vorstand auch mal den Mut haben, Spieler, die durchzudrehen drohen, auszuwechseln.“
Um Gewaltausbrüche zu verhindern, setzt der Kreis zur neuen Spielzeit auch zwei DFB-Empfehlungen um. Erstens: Der Gastgeber muss einen Ordnungsdienst aus eigenen Vereinsmitgliedern stellen, und diese Aufpasser müssen fortan Westen in Orange tragen. Notfalls sollen sie Zuschauer beruhigen und dem Unparteiischen helfen.
Shakehands vor dem Anpfiff
Am Montag diskutierten die Vereinsvertreter in Frohnhausen vor allem, wie viele Ordner sie stellen müssen. Flügel will ihnen Entscheidungsspielraum lassen: „Das hängt ja zum Beispiel auch vom Zuschauerinteresse ab.“ Aus dem Junioren-Fußball und der Bundesliga übernehmen die Herrenmannschaften im Kreis obendrein die Begrüßung aller Gegner und der Schiedsrichter per Handschlag. „Wenn man sich vorher die Hand gegeben hat, nimmt das etwas Spannung raus“, glaubt Flügel.
Großen Applaus im Pfarrheim St. Elisabeth erhielt von den Vereinsvertretern vorgestern übrigens der Schiedsrichter-Obmann. Christian Sorgatz appellierte an die Hobby-Funktionäre und -Kicker, ihre Ansprüche an die Unparteiischen dem eigenen Spielniveau anzupassen: „Wir pfeifen nicht Bundes-, sondern Kreisliga.“