Denn vor dem Nachbarschafts-Duell gegen den EM-Gruppengegner Deutschland heute Abend in Wien (20.35 Uhr/live in der ARD) ist das Selbstvertrauen der Mannschaft des umstrittenen Trainers Josef Hickersberger auf ein Minimum gesunken. "Wir sind der Wunschgegner. Von allen Mannschaften bei der EM", sagte der 59 Jahre alte Coach in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt und bezeichnete den Erfolg von Cordoba 1978 als "Segen und Fluch zugleich". Denn Cordoba - das war einmal, und die Erzählungen von damals wirken seit dem Niedergang des österreichischen Fußballs wie ein unwiederbringliches Märchen. Genauso wie die noch weiter zurückliegenden Zeiten, als die Deutschen regelmäßig abgewatscht wurden und die Frankfurter Zeitung vom "Fußball-Lehrer Österreich" schrieb.
Derzeit siedelt sich das ÖFB-Team jedoch nicht nur auf Platz 90 der Weltrangliste zwischen Kongo und Äthopien an, sondern auch im Selbstverständnis. "Für Rehhagel ist es leichter, mit Griechenland den Titel zu verteidigen, als für mich, mit Österreich ins Viertelfinale einzuziehen", sagte Hickersberger. Dennoch werde man gegen Deutschland "mit absolutem Siegeswillen ins Spiel gehen. Das wird auch bei der EM so sein." Andererseits fürchtet sich der Trainer auch vor der zwischen den Extremen schwankenden Mentalität seiner Landsleute: "Ein Sieg wäre eigentlich unglaublich schlecht für uns. Schlecht deshalb, weil uns dann in Österreich sofort alle zu den Mitfavoriten auf den EM-Titel zählen", sagte er dem ORF.
Dennoch braucht die Mannschaft des 177-maligen Bundesliga-Spielers von Kickers Offenbach und Fortuna Düsseldorf einen guten Jahresauftakt gegen das Team von Bundestrainer Joachim Löw, um vier Monate vor Beginn des Turniers nicht gleich wieder mit Schimpf und Schande überzogen zu werden. 2007 setzte es heftige Kritik, das 3:2 gegen die Elfenbeinküste war der einzige Sieg aus zwölf Spielen. Er rettete Hickersberger den Job. Ende des Jahres läuft sein Vertrag aus. Joachim Löw hat derweil vor dem Länderspiel-Auftakt des EM-Jahres ganz andere Sorgen. Wegen der angespannten personellen Situation muss er einmal mehr improvisieren. Offen ist, wer in der Innenverteidigung neben Per Mertesacker den Platz des verletzten Christoph Metzelder einnehmen wird. Kandidaten sind der Leverkusener Manuel Friedrich und Neuling Heiko Westermann. Auf der linken Außenbahn ist Philipp Lahm gesetzt. Rechts dürfte Gonzalo Castro in der Viererkette spielen.
Sicher ist der Einsatz von Torwart Jens Lehmann sowie die Rückkehr von Kapitän Michael Ballack. Neben dem England-Legionär sind Bernd Schneider und Bastian Schweinsteiger im Mittelfeld erste Wahl.
Für den defensiven Part, den normalerweise der derzeit verletzte Torsten Frings einnimmt, kommen Thomas Hitzlsperger, Simon Rolfes oder auch Debütant Jermaine Jones in Frage. Offen ist auch die Position im Angriff neben dem gesetzten Miroslav Klose. Kevin Kuranyi und Mario Gomez kämpfen um den Platz. Möglicherweise spielen beide jeweils eine Halbzeit.