Antoine Griezmann ist der Deutschland-Schreck. Der französische Stürmer in Diensten von Atlético Madrid warf mit seinen Toren Bayern München im Mai aus der Champions League und beendete mit zwei Treffern ebenfalls im Halbfinale die deutschen Titelträume bei der EM (0:2). In beiden Fällen konnte Torwart Manuel Neuer den Stürmer nicht aufhalten. In der Königsklasse kommt es an diesem Dienstag in München zum nächsten Duell (20.45 Uhr/Sky).
Herr Griezmann, wie fühlt man sich denn als Deutschland- und Bayern-Schreck? Ich sehe mich auf keinen Fall als der Schreck des deutschen Fußballs. Klar habe ich sicherlich mit meinen Toren dem FC Bayern München in der Champions League und auch der deutschen Nationalmannschaft bei der EM weh getan, aber das Glück war einfach zum richtigen Zeitpunkt auf meiner Seite. Nicht mehr, nicht weniger. Es war eine Periode, in der ich mit vollem Selbstvertrauen gespielt habe. Ich fühlte mich stark wie nie.
Wie erklären Sie, dass Ihnen deutsche Mannschaften so gut liegen? Das deutsche Spiel scheint mir zu liegen, das stimmt. Ich mag es einfach, wenn eine Mannschaft nach vorne spielt und versucht, Tore zu machen. Dann kann man durch Konter erfolgreich sein, und genauso ist es in der Champions League und bei der EM gelaufen.
Was halten Sie generell vom deutschen Fußball? Die Bundesliga gehört zu den besten Ligen der Welt und mit der deutschen Nationalmannschaft ist bei Endturnieren stets zu rechnen. Man braucht bloß zu sehen, dass die DFB-Elf seit der WM 2006 jedes Mal mindestens ins Halbfinale eingezogen ist. Das ist schon bemerkenswert. Das hat ansonsten keine Nation geschafft. Davor habe ich großen Respekt.
In der vergangenen Saison hat sich mein Bruder auf Einladung von Pierre-Emerick Aubameyang in Dortmund ein Spiel angeschaut. Er war schlichtweg begeistert: von der Stimmung, vom Stadion und vom Spiel.
Antoine Griezmann
Gibt es deutsche Spieler, die Sie gern spielen sehen? Mesut Özil ist ein überragender Spieler. Ich schätze seine Spielweise, seine Passqualität und auch, dass ihm immer wieder eine spielerische Lösung durch einen steilen Pass oder ein Dribbling gelingt. Er ist sehr elegant am Ball. Auch Miroslav Klose hat mir sehr gut gefallen, als Torjäger mit seinem unglaublichen Riecher und seinen Stärken im Kopfball-Spiel. Wie er nach hinten gearbeitet hat, hat mich ebenfalls begeistert.
War Ihr Doppelpack im EM-Halbfinale gegen Deutschland der bisherige Höhepunkt in Ihrer Karriere? Das ist definitiv der Fall. Ein EM-Halbfinale vor heimischem Publikum im Hexenkessel Stade Vélodrome gegen den amtierenden Weltmeister zu bestreiten, war das bisher größte Highlight. In Marseille war die Stimmung fantastisch, ich habe die zwei Treffer erzielt, und wir sind dadurch ins Finale eingezogen. Besser hätte es nicht laufen können.
Hatten Sie während der Partie das Gefühl, dass Frankreich besser als Deutschland war? Spielerisch hatten wir nicht unseren besten Tag. Das muss man ganz klar sagen. Die Deutschen waren uns im Spiel überlegen und sie waren auch gefährlicher. Es war, ehrlich gesagt, schwer an den Ball ranzukommen. Aber wir haben jede Sekunde an unsere Chance geglaubt. Der Schlüssel war im Nachhinein sicherlich, dass wir wie eine Einheit aufgetreten sind, sowohl im Spiel nach vorne als auch in der Rückwärtsbewegung. Wir haben gefightet wie die Löwen.
Was bleibt vom Halbfinal-Rückspiel in der Champions League beim FC Bayern in der vergangenen Saison in Erinnerung? Vom Niveau her war es unglaublich, weil die Intensität so hoch war. Es war genau wie das EM-Halbfinale: Eigentlich war jedes Mal Deutschland bzw. der FC Bayern spielerisch besser, aber wir haben exzellent verteidigt und auf unsere Möglichkeiten gelauert. Durch gut gespielte Konter sind wir jeweils weitergekommen. In München stand ich auf einmal allein vor Manuel Neuer. Ich habe nicht lang nachgedacht, ich hatte großes Selbstvertrauen. Und ich habe den Ball perfekt getroffen, um ihn zu bezwingen. Besser hätte ich es nicht machen können. Und ich habe keinen Moment gezögert. Das war der Schlüssel. Denn hätte ich gezögert, dann hätte ich den Ball wohl nicht reinschieben können.
Was bedeutet der FC Bayern für Sie? Es handelt sich um eine der vier besten Mannschaften Europas, die jedes Jahr um den Titel in der Champions League mitspielt. Wenn man in München auftritt, merkt man sofort, dass es sich um einen Riesenverein handelt: Eine fantastische Arena, eine bombastische Stimmung und ein absoluter Top-Kader. Gegen die Münchner spiele ich immer gern.
Nun kehren Sie an diesem Dienstag zurück in die Allianz-Arena als bereits feststehender Gruppensieger. Auch wenn es um nichts mehr geht, will ich dieses Duell nicht verpassen. Es sind diese besondere Spiele, für die man als Fußballer aufläuft. Es geht um die Ehre, und ich will erneut dazu beitragen, dass wir eine gute Figur abgeben.
Viele namhafte Stürmer haben Bammel, wenn sie direkt auf Manuel Neuer treffen. Sie dagegen nicht. Warum? Angst existiert für mich nicht im Fußball. Klar ist der Manuel mit seiner Größe imposant, auch durch seine Ausstrahlung. Aber wenn ich in eine Eins-zu-Eins-Situation gegen ihn komme, zweifle ich nie. Ich setze mich nicht unter Druck, weil Neuer mein direkter Gegner ist. Mir ist es völlig egal, wer der gegnerische Torwart ist. Mein Ziel ist es einzig und allein, ihn zu bezwingen. Dabei versuche ich immer eiskalt und selbstbewusst zu bleiben und in diesem Jahr ist es mir ganz gut gelungen. Falls ich scheitere, versuche ich, es das nächste Mal besser zu machen. Ich mache mir keinen Kopf, wenn ich eine Möglichkeit nicht ausnutzen kann. Ich zweifle nie an mir.
Kann Sie also gar kein Gegner in Verzweiflung bringen? Bisher zumindest nicht (lacht). Das ist sicherlich meine große Stärke, aber es entspricht auch meinem Charakter. Ich bin ruhig, cool und positiv gestimmt.
Verfolgen Sie eigentlich die Bundesliga? Immer wieder. Und ich habe Spaß zuzuschauen, weil die Spielweise offensiv ausgerichtet ist mit vielen Toren, Weitschüssen und Tormöglichkeiten, egal ob jetzt Borussia Dortmund, Bayern München, Schalke 04 oder Hertha BSC spielt. Wenn ich zu Hause bin und ein Spiel aus der Bundesliga kommt, ist es meistens spannend und spektakulär. Dann schaue ich es auch bis zum Schlusspfiff an.
Haben Sie bereits eine Partie von RasenBallsport Leipzig, dem sensationellen Spitzenreiter in der Bundesliga, gesehen? Leider noch nicht. Aber ich habe mitbekommen, dass dieses Team momentan die große Überraschung in Deutschland ist und für frischen Wind sorgt. Aber wenn es weiter so auftrumpft, wird es mit Sicherheit die Möglichkeit geben, diese Mannschaft zu entdecken. Ich bin sehr neugierig.
Was sagen Sie zu Borussia Dortmund? Sobald ein Spiel der Borussia im Fernsehen kommt, schaue ich es mir auch an, denn mit diesem Team habe ich die Garantie, dass es nicht torlos ausgeht. Und ich bevorzuge lieber Spiele mit vielen Toren. Der BVB spielt immer spektakulär. In der vergangenen Saison hat sich mein Bruder auf Einladung von Pierre-Emerick Aubameyang in Dortmund ein Spiel angeschaut. Er war schlichtweg begeistert: von der Stimmung, vom Stadion und vom Spiel.
Gehört Pierre-Emerick Aubameyang mittlerweile zu den besten Stürmern Europas? Er ist definitiv ein Weltklasse-Stürmer, der eine unglaubliche Konstanz in seinem Spiel hat. In den vergangenen Monaten hat er sich stetig weiterentwickelt. Bei ihm merkt man jederzeit, dass er auf dem Platz glücklich ist.
Und Ousmane Dembélé? Ous ist ein Riesentalent. Das habe ich auch schon bei ein paar Trainingseinheiten mit der französischen Nationalmannschaft feststellen können. Technisch ist er sehr stark. Wenn er weiter hart an sich arbeitet und demütig bleibt, wird er ein ganz großer Spieler.
In der Vergangenheit trafen Sie mehrfach auf Bayer Leverkusen in der Champions League, sei es erst mit Real Sociedad San Sebastian oder mit Atlético. Leverkusen ist eine Mannschaft, die immer schwer zu spielen ist, sehr unangenehm, weil sie gut eingestellt ist. Auch in der BayArena ist Bayer sehr stabil. Mit Real Sociedad San Sebastian hatten wir zweimal verloren. Dementsprechend gab es auch Zeiten, wo ich gegen deutsche Teams nicht so erfolgreich war. Und vor knapp zwei Jahren kam Atlético noch glücklich weiter. Damals kamen wir erst nach dem Elfmeterschießen ins Viertelfinale. Wir hatten großes Glück.
Welche Chancen sehen Sie für sich im Rennen um den Ballon d´Or 2016, der am 13. Dezember bekanntgegeben wird und wo Cristiano Ronaldo und Lionel Messi erneut als Top-Favoriten gelten? Ich hoffe auf das Podium. Das wäre schon großartig. Ich bin überhaupt zum ersten Mal im Rennen. Das ist bereits eine Ehre. Aber nach diesem Jahr wäre es nicht unverdient, als Dritter hinter Cristiano Ronaldo und Lionel Messi zu landen.