Meterweite Schlangen an den Kassenhäuschen, ein Sicherheitsdienst und mehrere Kamerateams gehören bei einem Fußballspiel in Essen in der Regel nur zum guten Ton, wenn der große RWE an der Hafenstraße seine Pforten öffnet. Die 800 Zuschauer, die sich am Sonntagvormittag an der Keplerstraße eingefunden hatten, wollten sich bei frühsommerlichen Temperaturen jedoch nur eine Bezirksliga-Partie zu Gemüte führen. Dass sich der Gastgeber TuS Essen-West 81 über eine satte Tageseinnahme freuen durfte, hatte der Klub vor allem dem Mann zu verdanken, der auf der Beliebtheitsskala aller Anhänger der Rot-Weißen noch deutlich hinter Mückenstichen und Sodbrennen rangiert. Thorsten Möllmann vom Aufstiegsrivalen SC 1920 hatte mit seinen hochmütigen Aussagen gegenüber den Essenern das Interesse der gesamten Amateurszene geweckt. Wer das Spitzenspiel der Gruppe 4 dem ersten Besuch im Freibad vorzog, musste sich am Ende wahrlich nicht grämen.
Die Besucher in Essen-Frohnhausen bekamen eine Partie serviert, die so schnell niemand vergessen wird. In einem hochdramatischen Spiel trennten sich Spitzenreiter Essen-West 81 und der Spielclub aus Oberhausen mit einem 4:4 (2:2). Viermal gelang es den Gästen von der Knappenstraße einen Vorsprung der Hausherren auszugleichen. Den sensationellen Schlussakkord setzt der alles überragende Ümit Ertural in der 95. Minute mit einem direkt verwandelten Freistoß aus 25 Metern. "Welcher Mannschaft gelingt es im Fußball gleich viermal zurückzukommen?", stellte Möllmann nach dem Abpfiff gewohntermaßen die für ihn rhetorische Frage in den Raum, die er nach einem kurzen Schulterzucken mit stolzer Brust beantwortete. "Das kann nur der SC 1920. Diese Truppe hat eine überragende Moral und einen bekloppten Trainer, der alles aus den Jungs herausholt. Aus diesem Grund werden wir am Ende oben stehen und eine rauschende Aufstiegsparty feiern."
Durch den Last-Minute-Ausgleich hat der Spielclub mit einem Sieg im verbleibenden Nachholspiel die Möglichkeit, wieder an den Westlern vorbeizuziehen. Demnach fühlten sich die Oberhausener als moralische Sieger, während 81-Coach Oliver Vössing mit der vergebenen Chance haderte. "Aufgrund des Spielverlaufs können wir mit dem Punkt natürlich nicht zufrieden sein. Wir lagen viermal in Führung und kassieren in der fünften Minute der Nachspielzeit den Ausgleich. Das müssen wir erstmal verdauen", bilanzierte Vössing, der gleichwohl feststellte, dass seine Mannschaft "weiterhin in der Verlosung ist."
"Diese Person ist für mich gestorben"
Beide Übungsleiter, die sich während der Begegnung keines Blickes würdigten, waren sich im Nachgang jedoch darüber einig, dass dieses Spiel "beste Werbung für den Amateurfußball" betrieben hatte. "Das ist doch überragend für diese Liga. Dafür nehme ich auch gerne in Kauf, dass mich 80 Prozent der Leute nicht leiden können", sagte Möllmann. Laut Vössing sei der enorme Zuschauerandrang allerdings nicht auf den SC-Trainer zurückzuführen. "Das hat überhaupt nichts mit seinen dummen Sprüchen zu tun. Diese Begegnung zweier starker Mannschaften hätte unabhängig davon eine große Kulisse verdient gehabt", meinte Vössing, der mit seinem Gegenüber wohl keinen Schulterschluss mehr finden wird. "Nach den Vorfällen aus dem Hinspiel ist diese Person für mich gestorben. Ich konzentriere mich nur darauf, dass wir weiter erfolgreich spielen."
Möllmann nahm die Aussagen seines Trainerkollegen gelassen zur Kenntnis und genoss den späten Punktgewinn in vollen Zügen. Auch im 26. Saisonspiel blieb seine Mannschaft ungeschlagen. Mit Unverständnis reagierte der exzentrische Coach einzig auf die Leistung des Schiedsrichter-Gespanns, das ihn fünf Minuten vor dem Ende hinter die Bande beorderte. "Drei Leute waren diesem Spitzenspiel nicht würdig, aber es ist nicht das erste Mal, dass die Schiris schwach pfeifen", befand Möllmann. "Aber auch das konnte uns nicht aufhalten. Wir waren spielerisch um Längen besser als Essen-West. Deshalb kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, dass der Großteil der Liga im Vorfeld nicht auf uns gesetzt hat. Unsere Offensive konnte 81 zu keinem Zeitpunkt bändigen. Einzig bei Standardsituation war uns der Gegner überlegen. Daran müssen wir arbeiten."
Und Thorsten Möllmann wäre natürlich nicht Thorsten Möllmann, wenn er nicht eine weitere Kampfansage an den Dauerrivalen aus Essen schicken würde. Der Coach ist nämlich der festen Überzeugung, dass er der Keplerstraße in diesem Jahr noch einen zusätzlichen Besuch abstatten wird. "Wir kommen hier nochmal hin, aber nicht zum Fußball. Mit unserem Aufstiegszug werden wir Essen-West am Ende der Saison einen Besuch abstatten und unseren Triumph ausgiebig feiern."