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Souleyman Sané im Interview
„...und dann seid ihr stumm“

Ein Wattenscheider, der auch VfL-Fans ein Autogramm gibt: Sammy Sané, hier für die RevierSport-Traditionsmannschaft im Einsatz, ist rund um die Lohrheide längst heimisch geworden.
Ein Wattenscheider, der auch VfL-Fans ein Autogramm gibt: Sammy Sané, hier für die RevierSport-Traditionsmannschaft im Einsatz, ist rund um die Lohrheide längst heimisch geworden.
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Samy Sané kam als einer der ersten Afrikaner in die Bundesliga. Einigen Zeitgenossen fiel keine bessere Begrüßung ein, als ihm Bananen zuzuwerfen. Im Gespräch erklärt er uns, wie er den Rassisten die Stirn bot. Herr Sané, Ihre Geschwister leben in Paris, Ihre Eltern sind zurück in den Senegal gegangen. Sie blieben in Bochum-Wattenscheid. Wieso?

Vor einigen Monaten warf Gerald Asamoah dem Dortmunder Roman Weidenfeller vor, er habe ihn rassistisch beleidigt. Glauben Sie, dass der Rassismus in der Bundesliga immer noch trauriger Alltag ist?

Klar, das ist immer noch ein aktuelles Thema. Vielleicht ist der Rassismus nicht mehr so stark wie früher, er ist vielleicht auch etwas subtiler geworden. Doch es gibt heute immer noch Spieler, die Vorurteile gegen Ausländer haben. Und wenn Weidenfeller den Gerald Asamoah wirklich rassistisch beleidigt hat, dann ist das ganz bitter, denn das macht viel Aufklärungsarbeit kaputt. Gerade als Profi ist man immer auch ein Vorbild. Und da darf dir so etwas nicht passieren. Man kann sagen: „Du bist ein Arschloch!“ Das ist okay. Wir spielen ja Fußball und da kochen die Emotionen mal hoch. Aber rassistische Beleidigungen dürfen einem Bundesligaspieler nicht passieren. Kinder achten ja genau darauf, was ihre Stars machen – auch meine Kinder. Die schauen sich den Ronaldinho an und imitieren ihn dann, sagen Dinge, die er sagt und gucken so, wie er guckt.

Ihre Söhne spielen auch Fußball. Was würden Sie ihnen raten, wenn heute ein Bundesligaverein anfragen würde?

Schaut nicht aufs Geld! Das ist das große Problem in unserer Gesellschaft, alle schauen zuerst aufs Geld. Natürlich braucht man Geld, ohne Geld kann man nicht leben. Doch man soll erstmal kleine Brötchen backen. Wenn du wirklich etwas gezeigt hast, dann kannst du mehr Geld verlangen – und meistens kommt das Geld dann ganz automatisch. Doch heute muss alles schnell gehen. Die jungen Talente machen vier oder fünf gute Spiele und denken, sie sind Topstars. Oft sind sie ja nach einer halben Saison schon Nationalspieler. Früher musste man drei oder vier Jahre konstant gut spielen, bis man für die Nationalmannschaft spielen durfte. Man musste sich über Jahre beweisen.

Fehlt heute auch der Respekt vor der älteren Spielergeneration?

Ja, absolut. Früher mussten die jungen Spieler immer die Taschen der Älteren tragen. Es war ganz normal, dass die Stars aus dem Mannschaftsbus stiegen und geradewegs in die Umkleidekabine gingen. Die Jungspunde mussten dann die Koffer und Taschen hinterher tragen. Wenn heute ein älterer Spieler von einem jungen Spieler fordert, dass er seine Tasche tragen soll, wird der Junge antworten: „Trag sie doch selber!“

Waren Sie anders?

Ich glaube schon. Ich habe seit meiner Kindheit davon geträumt, Fußballprofi zu werden. Und deshalb habe ich es anfangs auch akzeptiert, dass ich weniger verdient habe als die erfahrenen Spieler. Ich habe teilweise für umgerechnet 100 Euro gespielt. Ab und zu gab es noch eine kleine Belohnung, ein Bonbon.

Müssen sich die jungen den erfahrenen Spielern anpassen?

Man darf die Individualität natürlich nicht komplett über Bord werfen. Aber man sollte kritik- und lernfähig sein. Ich war zu Beginn meiner Karriere ein sehr ballverliebter Spieler. Als ich nach Freiburg kam, war dort ein Jugoslawe Trainer, der sehr auf Disziplin achtete. Ich wurde wegen meinem Spielstil auf die Tribüne verbannt. Der Trainer sagte: „Samy, so lange du nicht einfach spielst, bleibst du dort sitzen!“ Und ich versuchte mein Spiel umzustellen. Das dauerte bestimmt ein halbes Jahr. In Frankreich war ich diese Ballkunst gewöhnt, da zählte es oftmals mehr, wenn du drei oder vier Spieler aussteigen lässt, als wenn du ein Tor erzielst.

Doch Sie konnten Ihr Spiel letztendlich umstellen.

Ja. Das ist im Grunde eine ganz einfache Rechnung: In Eins-zu-eins-Situationen gehst du alleine und suchst das Dribbling, in Zwei-zu-eins-Situationen gibst du ab (lacht).

Wer waren die Vorbilder Ihrer Kindheit?

Beckenbauer, Breitner, Pele, Zico und Cruyff. Und natürlich Platini und Tigana. In der Schule und auf dem Bolzplatz haben wir Kinder uns jeden Tag einen anderen Namen gegeben. Und Ihr Lieblingsverein?

Von den deutschen Clubs fand ich Bayern München, den 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach toll. In Frankreich liebte ich Olympique Marseille, Toulouse, St. Etienne, Girondis Bordeaux und Paris St. Germain.

Acht Lieblingsvereine?

(lacht) Ach, Sie wissen doch, wie das ist. Als kleines Kind wechselt man die Lieblingsvereine einmal pro Woche. Und man sucht sich immer die stärkste Mannschaft, das Team, das die meisten Stars und Nationalspieler hat. Im Ruhrpott sind fast alle Kinder BVB- oder Schalke-Fans. Die anderen mögen Bayern.

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