Und deswegen gibt es keinen zweiten Pelé, keinen zweiten Gerd Müller und auch keinen zweiten Henry. Der eine ist antrittschnell, der andere beidfüßig oder im Strafraum stark. Aber der kompletteste von allen war Pelé.
Wo steht im Vergleich dazu Thierry Henry? Auf Platz drei hinter Pelé und Gerd Müller?
Es eröffnet sich natürlich eine große Palette, wenn man weit zurückgeht. Di Stéfano war auch ein Weltklassemann. Henry, mit seiner Art zu spielen, gehört in der heutigen Zeit ganz nach vorn. Ich selbst hätte auch gern einen Henry in der Mannschaft gehabt. Ich sehe derzeit keinen Stürmer, der besser ist als er, denn er hat überall seine Tore geschossen: In Frankreich, in England, jetzt in Spanien. Und wie er sie gemacht hat – da gehört er auf jeden Fall zu den ersten fünf.
Henry gilt vor allem als eleganter Stürmer.
Das stimmt. Aber Henry ist auch ein kluger Spieler. Wenn es nicht so läuft, geht er auch mal zur Außenlinie oder lässt sich zurückfallen. Und solche Leute mit ihrer unglaublichen Technik und Antrittschnelligkeit sind immer gefährlich. Es ist einfach schön, diesem Mann zuzuschauen, weil er immer in der Lage ist, in wirklich jedem Spiel, durch seine Individualität ein Tor zu machen. Er ist beidfüßig und auch nach längeren Sprints noch unheimlich schnell. Nur das Kopfballspiel ist verständlicherweise nicht so ausgeprägt wie bei einem Spezialisten, der nur vor dem Tor steht und auf die Bälle wartet.
Klaus Fischer (Foto: firo).
Wie würden Sie ihren eigenen Stil beschreiben?
Wenn ich jetzt sage, dass ich ein super Stürmer war, fragen sich die Leute: »Ist der bescheuert, oder was?«. Da muss man schon Andere fragen, denn mich selbst beurteile ich nicht so gern. Natürlich hatte ich meine Qualitäten, das weiß ich auch. 268 Tore in der Bundesliga sprechen für sich. Dazu 32 Tore in 45 Länderspielen – und das in der damaligen Zeit, als man noch nicht ständig gegen San Marino gespielt hat, gegen die man – wenn man gut drauf ist – 20 Tore schießen kann. Ich habe mir letztens die Länder in der Europameisterschaftsqualifikation angesehen: Da sind über 20 dabei, die es damals noch gar nicht gab. Natürlich haben wir auch mal auf Malta gespielt. Aber unter welchen Bedingungen? Auf Beton! Kam Ihnen bei solchen Bedingungen Ihr Stil entgegen?
Jetzt kann ich es ja sagen: Ich war antrittschnell, beidbeinig und hatte ein gutes Kopfballspiel. Technisch war ich nicht so stark wie ein Pelé, aber das hat für mein Spiel gereicht. Ich habe meine Qualitäten auch ständig trainiert und weiterentwickelt. Von Ihren Qualitäten sind vor allem die Fallrückzieher zur Legende geworden.
Die kann man allerdings nicht lernen. Das sind Dinge, für die man viel Mut braucht. Da muss alles passen, die Flanke muss auch optimal kommen. Wie 1977 im Länderspiel gegen die Schweiz: Da kam eine Flanke zu hoch rein und ich habe einfach den Fallrückzieher probiert. Das hatte ich vorher nicht trainiert und in der Situation auch nicht stundenlang überlegt, was ich machen soll. Also sind Sie nicht in ein Spiel gegangen und haben sich gesagt: »Heute mache ich ein Fallrückziehertor«?
Nie. So etwas kann man gar nicht planen. Das kam immer aus dem Spiel heraus, und der Gegner durfte auch nicht in unmittelbarer Nähe stehen. Wie viele derartige Fallrückziehertore, so wie ich sie gemacht habe, gab es denn bisher?
Nicht viele.
Eben. Ich habe in der Bundesliga auch nur eines gemacht. In der Nationalmannschaft waren es ein paar mehr, aber auf eine andere Art. Und deswegen ist so etwas auch nicht planbar. Man muss einfach darauf aus sein, seine Tore zu machen – egal wie.
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