Obwohl Rot-Weiss Essens Vorstandsvorsitzender Marcus Uhlig schon zu Beginn seines Berichts auf der Jahreshauptversammlung ankündigte, dass dieser „einige schlechte Zahlen“ beinhalten werde, waren die anwesenden Mitglieder bei der Verkündung der genauen Zahlen geschockt.
Ursprünglich wurde errechnet, dass man das Jahr 2022 mit einem Minus von 410.000 Euro beenden werde. Dieses Ziel wurde um ganze 3,2 Millionen Euro verpasst. Der Fehlbetrag für das zurückliegende Kalenderjahr belief sich auf 3,63 Millionen Euro. Das habe vier Hauptgründe gehabt:
Zum einen habe man fest mit einer zugesagten Spende von 700.000 Euro geplant, die insbesondere dem Nachwuchsbereich zugutekommen sollte, aber zunächst ausblieb.
Dazu sorgte auch die Insolvenz von Hauptsponsor Harfid für ein Loch in der Bilanz. Uhlig berichtete von „vertraglich zugesicherten und uns zustehenden Zahlungen unseres ehemaligen Hauptsponsors, die nicht gekommen sind“ und sich insgesamt auf knapp 500.000 Euro belaufen.
Auch die Personalkosten wurden deutlich unterschätzt. Um knapp 800.000 Euro lag man in diesem Bereich daneben. „Erhöhte Kosten im Kader der ersten Mannschaft, Aufstiegsprämien, Leistungsprämien und ein nicht unerheblicher Teil an Personalkosten im NLZ, die wir wiederum aus dem Sonderertrag, der nicht eingegangen ist, bestreiten wollten, haben sich zu dieser Summe aufsummiert“, erklärte Uhlig.
Hinzu kommen weitere Abweichungen von rund 1,2 Millionen Euro im Bereich Sachkosten. Darunter fallen der „alternativlose“, aber deutlich teurer gewordene Umzug der Geschäftsstelle, Sicherheitskosten, die aufgrund von höheren Auflagen bei mehr Spielen als geplant im sechsstelligen Bereich angefallen sind, „explodierende Preise“ beim Dienstleister für VIP und Catering, sowie gestiegene Kosten für ÖPNV und Greenkeeping und 65.000 Euro Strafzahlungen an den DFB.
Systemfehler in der Buchhaltung ausgemerzt
Doch auch Uhlig war sich bewusst, dass dies zwar Gründe, aber keine Ausreden sein können. „Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass wir selbst nicht gut waren und einige Fehler gemacht haben. Wir haben mittlerweile diverse Systemfehler in der Buchhaltung, die wir jahrelang fortgeführt haben, ausgemerzt.“ Das Problem: „Dieser Prozess hat dazu geführt, dass noch einmal 300.000 Euro zusätzlich ausgebucht werden mussten.“
Diese großen Probleme seien jedoch viel zu spät aufgefallen, wie der Aufsichtsratsvorsitzende Andre Helf in seinem Bericht erläuterte. „Noch in unserer Aufsichtsratssitzung im November 2022 sind wir alle davon ausgegangen, dass wir ein Jahresergebnis von -410.000 Euro erreichen werden, das gemäß unserer Planung und Finanzierung auch vollkommen in Ordnung gewesen wäre“, gab dieser einen Einblick.
„Nach dem plötzlichen Weggang unserer Buchhaltungsleiterin und der internen Übergabe an Sascha Peljhan hat dieser dann die Buchhaltung auf den Kopf gestellt und in monatelanger Detailarbeit neu organisiert.“ Peljhan, der diesen Job ehrenamtlich übernahm, habe dabei festgestellt, dass die Zahlen nicht passen. Erst im Februar erfuhr der Aufsichtsrat von diesen Problemen, für die Uhlig die volle Verantwortung übernahm.
Wie Helf ausführte habe man anschließend eine Task Force gegründet und einen Maßnahmenkatalog erstellt, der die folgenden Punkte beinhaltete:
- Umstellung des Geschäftsjahres auf die Dauer der Saison, um einen einheitlichen Planansatz herzustellen
- Veränderungen im Buchhaltungspersonal.
- Bestellung einer neuen Leiterin der Buchhaltung.
- Professionalisierung des internen Controllings.
- Veränderung diverser Prozesse.
- Veränderung und Optimierung des Berichtswesens gegenüber dem Aufsichtsrat.
- Umstrukturierung im Vorstand und Hilfe für Uhlig - RevierSport berichtete.
Zwei Darlehen ohne großes Risiko
Zurück zur von Uhlig vorgetragenen Bilanz: Der Vorstandsvorsitzende erklärte, dass das Eigenkapital nun bei -3,1 Millionen Euro liege. Die Verbindlichkeiten stiegen im Jahr 2022 auf über 6 Millionen Euro an. Allerdings: knapp 5,5 Millionen davon seien zwei große Darlehen, zum einen von Sascha Peljhan und zum anderen „von einem weiteren Gönner und Förderer mit dessen Hilfe wir das Trainingsgelände der ersten Mannschaft am Stadion um- und ausbauen konnten.“
Diese seien so gestaltet worden, dass sie Rot-Weiss Essen nicht bedrohen können. Uhlig sprach von sehr langfristigen Rückzahlungsmodalitäten mit ligaabhängigen Konditionen. „Beide Darlehen sind Rangrücktrittsdarlehen und insgesamt so gebaut, dass Rot-Weiss Essen nur bezahlen muss, wenn Rot-Weiss Essen auch bezahlen kann.“
Fehlende Harfid-Zahlungen wurden eingesammelt
Der Blick in die Zukunft sei bei weitem nicht so düster, wie es das schlechte Ergebnis aus dem Jahr 2022 vermuten lässt. Die nicht erhaltene Spende in Höhe von 700.000 ist laut Uhlig weiterhin nicht vom Tisch. 100.000 Euro seien im neuen Jahr bereits geflossen. Es handele sich um eine „seriöse Person“, dementsprechend zuversichtlich gab sich der Vorstandsvorsitzende.
Und auch der fehlende Betrag aus dem Vertrag mit Ex-Sponsor Harfid hat mittlerweile den Weg auf das Konto der Rot-Weissen gefunden. „Ich darf an der Stelle sagen, dass wir diese Forderung abgetreten haben und dazu Eins zu Eins das verlorene Geld eingesammelt haben“, verkündete Uhlig.
Zum 30. Juni soll die "schwarze Null" stehen
Dementsprechend sieht auch der Ausblick auf das Ergebnis für die Saison 2022/23 deutlich positiver aus. Zum 30. Juni 2023 erwarte man demnach die „schwarze Null“ - dann nicht mehr für das Kalenderjahr, sondern das Geschäftsjahr, das fortan an die Spielzeit angepasst wird. „Stand jetzt gehen wir davon aus, dass wir irgendwo zwischen 10.000 und 100.000 Euro landen werden.“
Ähnlich soll es dann auch 2023/24 laufen. Nachdem der ursprüngliche Plan noch von einem Minus von 596.000 Euro ausging, habe man diverse Korrekturen vorgenommen und plane nun – auch begünstigt durch die DFB-Pokal-Teilnahme - mit einem Gewinn von 5.000 Euro.
Mitglieder, die noch einmal einen genauen Blick in die Bilanz werfen wollen, sollen in naher Zukunft die Chance bekommen. Uhlig erklärte auf den Wunsch eines Mitglieds: „Ich biete das einfach mal an, dass wir in der Sommerpause so ein Format finden und dann wirklich noch mal in die Zahlen einsteigen.“