Bundesligist Hannover 96 wird nicht weiter mit Cheftrainer Ewald Lienen und dessen Co-Trainer Michael Frontzeck zusammenarbeiten. "Wir hatten am Dienstag ein langes Analyse-Gespräch. Danach haben wir uns schweren Herzens zu diesem Schritt entschlossen", sagte Manager Ilja Kaenzig "Wesentlicher Grund für die Freistellung des Trainer-Duos war die nach sorgfältiger Abwägung gewonnene Überzeugung, durch einen Trainerwechsel zum jetzigen Zeitpunkt wesentliche neue Impulse für die weitere sportliche Entwicklung setzen zu können", heißt es in einer Presseerklärung der Niedersachsen. Das Training wird vorläufig von Jörg Sievers und Edward Kowalczuk geleitet.
Erster Kandidat für die Nachfolge Lienens scheint Peter Neururer zu sein. "Ich kann dazu noch nichts sagen. Ich fliege von einem Gespräch ins andere. Vielleicht passiert schnell etwas. Wir müssen erst einmal abwarten", erklärte der 50-Jährige auf Anfrage des Sport-Informations-Dienstes (sid). Neururer war bereits von November 1994 bis Mai 1995 an der Leine tätig und hatte dem 1. FC Nürnberg zuletzt abgesagt.
Nur ein Sieg aus den letzten acht Spielen
Mit einem Sieg aus den vergangenen acht Punktspielen stehen die ambitionierten Hannoveraner derzeit nur auf dem 13. Tabellenplatz und haben gerade einmal drei Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge. Nachdem im Sommer die vereinsinterne Rekordsumme von vier Millionen Euro in die Mannschaft investiert wurde und mindestens ein einstelliger Platz im Klassement angestrebt worden war, erschien dies den Klubverantwortlichen zu wenig.
Schon in der Vergangenheit war Lienen, der die Mannschaft mit seinem ebenfalls beurlaubten Assistenten Michael Frontzeck seit dem 9. März 2004 betreute und noch bis 2007 unter Vertrag stand, wiederholt unter Druck geraten, konnte seinen Kopf jedoch stets im letzten Moment aus der Schlinge ziehen. Insgesamt fällt seine Bilanz jedoch mager aus. Seit Beginn der vergangenen Rückrunde holte er mit den Niedersachsen in 29 Partien nur sieben Siege.
"Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt auf die einzelnen Gründe für die Beurlaubung einzugehen. Wir schauen nach vorn und sind auf die Zukunft fokussiert. Jetzt steht die Suche nach einem neuen Trainer im Mittelpunkt. Wir wollen die Ligapause möglichst effizient nutzen", erklärte Kaenzig, der am Mittwochvormittag allerdings noch betonte, mit keinem möglichen Kandidaten Verhandlungen geführt zu haben. Neben Neururer werden unter anderem Ex-Nationalspieler Jürgen Kohler und der frühere 96-Profi Dieter Hecking vom Zweitligisten Alemannia Aachen gehandelt.
Nach Angaben von Finanz-Geschäftsführer Karl-Heinz Vehling soll der neue Mann auf der 96-Bank "möglichst schnell" präsentiert werden. Der 45-Jährige, der nach dem Abgang von Präsident Martin Kind im vergangenen August neben Kaenzig der neue starke Mann in der verschachtelten Gesellschaftsstruktur des Klubs ist, machte bei der Trainerfrage zuletzt aber nicht den glücklichsten Eindruck.
Nachdem er den Druck auf Lienen nach der 1:4-Pleite bei Arminia Bielefeld vor gut zwei Wochen noch erhöht hatte, nannte er den Coach im Anschluss an das 2:2 gegen Mainz noch den "besten Trainer, den wir im Moment haben können". Am Mittwoch ruderte Vehling zurück: "Ich meinte damit seine Professionalität und Zuverlässigkeit. Aber das rettet uns nicht. Wir brauchen die Punkte auf dem Platz. Mit Blick auf die sportlichen Perspektiven haben wir uns zu der Trennung entschlossen."
Während die Anhänger der Niedersachsen bereits während des Spiels gegen Mainz, das erst durch ein Tor von "96"-Routinier Michael Tarnat in der Nachspielzeit Remis endete, lautstark die Ablösung Lienens gefordert hatten, machte sich die Mannschaft in den vergangenen Tagen für ihren Trainer stark. Nach dem Ausgleich war das Team am vergangenen Samstag geschlossen zu ihrem Coach gelaufen und hatte damit ein eindeutiges Zeichen gesetzt. Auch Kaenzig musste anerkennen, dass "das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft stets intakt war".
Lienen ist nach Klaus Augenthaler (Bayer Leverkusen) und Wolfgang Wolf (1. FC Nürnberg) der dritte Trainer, der in der laufenden Saison vorzeitig seinen Posten räumen musste. In der Bundesliga-Geschichte war es bereits die 288. Trainer-Entlassung. Lienen war dabei nach den vorzeitigen Trennungen bei seinen Stationen MSV Duisburg, Hansa Rostock, 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach bereits zum fünften Mal betroffen.