Die Geschichte von Kevin Großkreutz ist so eine. Der 20-Jährige wechselte zur aktuellen Saison vom Zweitligisten RW Ahlen zu Borussia Dortmund, um dort Druck auf die etablierten Offensivkräfte der Borussia auszuüben. So weit, so unspektakulär. Doch Großkreutz und den BVB verbindet mehr als ein unromantischer Arbeitsvertrag - beide verbindet eine innige Liebe.
Als Großkreutz am 19. Juli 1988 in Dortmund zur Welt kam, wurde ihm die Beziehung zur Borussia praktisch in die Wiege gelegt. Sein Vater Martin ist seit seinem achten Lebensjahr glühender BVB-Fan - logisch, dass er seinen Filius, sobald es ging, mit auf die Südtribüne nahm und ihn mit dem schwarz-gelben Virus infizierte.
Bereits früh wechselte Großkreutz, der beim VfL Kemminghausen und beim FC Merkur 07 das Fußball spielen erlernt hatte, zum BVB. Er schien am Ziel seiner Träume angelangt zu sein, wurde dann jedoch zu einem Umweg gezwungen.
Mit 14 ging das Offensivtalent zu RW Ahlen, schaffte dort erst den Sprung in die Zweitvertretung und schließlich in die Regionalliga-Truppe. Mit zwölf Treffern führte er sein Team in die zweite Liga und überzeugte auch dort mit seiner frechen Spielweise, die alles zu kennen scheint, nur keinen Respekt vor großen Namen.
Rasch wurde der BVB wieder auf Großkreutz aufmerksam und stieg in den Poker um die Dienste des Ahlener Publikumslieblings ein. Hoffenheim und Leverkusen, die ihre Fühler ebenfalls nach dem 1,87 Meter großen Angreifers ausstreckten, schauten in die Röhre. Denn für Großkreutz konnte es nur einen Verein geben: Borussia Dortmund, für den er seit einer Woche wieder aktiv am Ball ist und am Freitag erstmals traf.
„Es war schon komisch“, musste Großkreutz nach seinem ersten Auftritt im BVB-Dress beim 11:0-Testspiel-Erfolg über eine Auswahl aus dem Hochsauerlandkreis erst einmal durchpusten und die Eindrücke verarbeiten. Mit zwei Toren hatte er sich in Hälfte zwei glänzend in die neue Mannschaft eingefügt. Natürlich, es war nur ein Testspiel gegen einen unterklassigen Gegner. Für Großkreutz war es jedoch auch das erste Mal, dass er mit seinen früheren Idolen, die jetzt seine Mannschaftskollegen sind, auf dem Platz stand.
„Im letzten Jahr habe ich beim Derby gegen Schalke noch selbst auf der Südtribüne gestanden, obwohl ich da ja schon Profi in der zweiten Liga war. Jetzt habe ich mein erstes Spiel für den BVB gemacht. Das war ein richtig geiles Gefühl“, gibt sich Großkreutz weiterhin ebenso ehrlich wie direkt - auch im alltäglichen Leben.
In Eving, „seinem“ Stadtteil, wohnt der Offensiv-Allrounder, der sowohl auf den Außenbahnen als auch in vorderster Front agieren kann, noch heute. Den Kontakt zu seinen alten Freunden aus dem Block „13“ auf der Südtribüne hat er nicht abreißen lassen.
Großkreutz ist einer von ihnen. Mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass er seinen Traum ausleben kann und Fußball-Profi geworden ist. Die Erfahrung, was das heißt, durfte er bereits machen. Ein Interview, dass Großkreutz einer großen deutschen Boulevard-Zeitung gab, kam beim Erzrivalen FC Schalke nicht gut an. So etwas passiert, wenn man das Herz auf der Zunge trägt. „Kevin hat eine große Vereinsliebe, aber ab jetzt muss er vorsichtiger sein, mit dem was ersagt. Die Überschriften werden größer“, kann sein Coach Jürgen Klopp mittlerweile wieder über die Geschichte schmunzeln: „Bei den richtigen Überschriften ist es ja auch kein Problem.“
Für sie zu sorgen, ist Großkreutz‘ Ziel. Sie zu realisieren jedoch eine schwere Aufgabe. Die Konkurrenz im Dortmunder Offensivbereich ist groß, er muss sich hinten anstellen. In Eving ist sein Trikot mit der „19“ schon jetzt ein Verkaufsschlager. Mit der ersten großen „richtigen“ Überschrift könnte sich der Verbreitungsgrad bereits rasant steigern.