Im Interview spricht Bochums Trainer Peter Neururer über sein Image, Ziele und Aussichten mit dem Ruhrpottklub. Langristig Dortmund und Schalke den Rang ablaufen - Traum oder Realität?
Frage: "Am Donnerstag sind Sie auf den Tag genau zwei Jahre lang Trainer beim VfL Bochum. Wie lautet Ihr Fazit?"
Peter Neururer: "Es war eine tolle Zeit. In den zwei Jahren ist hier so etwas wie eine Symbiose entstanden. Der Verein und die Mannschaft sind gewachsen. Ich habe eine schlimme Zeit mitgemacht, in der wir acht Spiele in Folge nicht gewonnen haben. Aus dieser Zeit habe ich das Positivste überhaupt für mich herausgeholt. Was mir vom gesamten Umfeld an Vertrauen entgegengebracht wurde, war einmalig. Daraus ist neues Vertrauen entstanden. Rückblickend kann ich sagen, diese zwei Jahre waren durchweg positiv."
Frage: "Bochum ist Ihre elfte Station im Profi-Fußball, und nirgendwo waren Sie länger beschäftigt als hier. Können Sie persönlich in Ihrer Heimat, dem Ruhrgebiet, mehr leisten als anderswo?"
Neururer: "Nein, hier gebe ich persönlich nicht 5 Prozent mehr, ich werde nur um 5 Prozent besser verstanden. Das liegt an der Mentalität der Leute. Hier in meiner Heimat - das ganze Ruhrgebiet mit Ausnahme von Dortmund ist meine Heimat - verhält man sich authentisch, und auch ich darf hier authentisch sein. Ich muss hier keine Rolle spielen. Ich hab"s ganz gerne ehrlich. Und wenn mir jemand ins Gesicht sagt: "Du bist ein Arschloch", ist das okay. Dann weiß ich wenigstens, woran ich bin."
Frage: "Am Anfang ihrer Trainerlaufbahn im Profigeschäft hat Sie ein Journalist gefragt, was Sie tun, wenn der Gegenwind zu scharf wird..."
Neururer: "...und ich habe geantwortet: Dann drehe ich mich um und habe wieder Rückenwind. Das ist meine Lebenseinstellung, eine meiner Philosophien. Eine andere ist: Schweigen ist feige, auch wenn die Gefahr immer besteht, dass es konträre Meinungen zu der eigenen gibt."
Frage: "Stehen Sie manchmal auf und überlegen beim Frühstück, was Sie tagsüber wem und wie erzählen, damit der Verein erfolgreich sein kann?"
Neururer: "Nein, das kommt spontan, weil ich selber ein spontaner Mensch bin. Das heißt nicht, dass nicht auch Berechnung zum Job dazugehört. Die Trainingssteuerung ist zum Beispiel ausschließlich Berechnung. Alles, was mit Motivation zusammenhängt, ist ausschließlich spontan."
Frage: "Frank Fahrenhorst, einer Ihrer Schlüsselspieler, hat in der Vorwoche bei Werder Bremen unterschrieben. Fürchten Sie, auf Dauer die Nummer drei im Ruhrpott hinter Dortmund und Schalke zu bleiben, weil Leistungsträger den Verein verlassen?
Neururer: "Im Moment sind wir die erste Kraft im Ruhrpott. Wir haben Schalke und Dortmund geschlagen, und das zählt. Im Moment schauen wir runter, und das ist ein schönes Gefühl. Langfristig gesehen befinden sich Schalke und Dortmund gerade in einer Stagnationsphase. Wir sind immer noch im Aufbau, wir kommen noch. Wir sind auf dem besten Wege, noch konkurrenzfähiger zu werden. Die Vermarktung unseres neuen Stadioncenters hilft uns zum Beispiel auf diesem Weg. Bald können auch solche Leute wie Freier und Fahrenhorst längerfristig an den Verein gebunden werden. Wir sind noch lange nicht ausgereizt."
Frage: "Stichwort Paul Freier: Wie sieht seine Zukunft beim VfL aus?"
Neururer: "Ich hoffe immer noch, dass er seinen Vertrag bei uns verlängert. Eventuell hat ihm jemand schon etwas gegeben, dass er nach Ende seines Vertrages 2005 wechselt. Dann gibt es noch die Variante, dass er schon nach dieser Saison gegen eine Ablösesumme geht, im Gespräch ist ja immer wieder Bayer Leverkusen. Aber die Variante, die wir versuchen voranzutreiben, ist die, dass er bei uns verlängert. Ich hoffe, da wird es in den kommenden Wochen eine Entscheidung geben."
Frage: "Was muss ein Verein für Freier vor 2005 für eine Ablöse bezahlen?"
Neururer: "Das muss schon eine ungeheuere Summe sein. Wenn die Ablösesumme seiner Leistungsfähigkeit und seiner Entwicklungsmöglichkeit entsprechen soll, dann müssen es schon 10 Millionen Euro sein. Aber auch bei Angeboten unter dieser Summe müssen wir uns natürlich Gedanken machen, es geht immer auch ums bare Geld."
Frage: "Stellen Sie sich vor, die Saison 2006/07 beginnt gerade. Wie steht es zu diesem Zeitpunkt um den VfL Bochum, um den deuschen Fußball und um Sie selbst?"
Neururer: "Mein Vertrag beim VfL läuft bis 2005, darüber hinaus möchte ich über mich persönlich nicht sprechen. Die deutsche Nationalmannschaft wird eine erfolgreiche WM gespielt haben, also mindestens das Halbfinale erreicht haben. Und sie wird wieder attraktiven Fußball spielen. Der VfL Bochum wird sich unter den ersten Zehn in der Bundesliga etabliert haben und ab dann regelmäßig um einen Platz im internationalen Geschäft mitspielen. Wir werden kurz davor stehen, langfristig auf einer Ebene mit Schalke und Dortmund zu sein. Und wer weiß, bei all den Unwägbarkeiten: Vielleicht können wir auch irgendwann mal um die Meisterschaft mitspielen."