"Wenn man böse wäre, würde man sagen, das war eine Friedhofstimmung», sagte Trainer Pal Dardai am Sonntag. «Ich habe so etwas noch nie erlebt bei einem Heimspiel."
Als Antwort auf das Verbot des Vereins, der nach den schweren Ausschreitungen Berliner Ultras in Dortmund mit 45 Verletzten alle Banner, Spruchbänder und Blockfahnen im Stadion verboten hatte, verzichtete fast der komplette Hertha-Anhang auf jede Art von Gesängen und Sprechchören. In der Ostkurve war nur ein Spruchband zu sehen: "Gegen Kollektivstrafen".
Die erste Heimpleite der Saison will Hertha BSC "schnell komplett vergessen", sagte Dardai am Tag nach dem 0:3 gegen RB Leipzig. Aber das schwer gestörte Verhältnis zum eigenen Anhang, der dem Team fast komplett die Unterstützung verweigerte, wird den Hauptstadtclub noch länger belasten.
In Hannover hatte der sonst lautstarke Anhang über Monate geschwiegen, was Spieler und Trainer oft beklagte hatten. Stimmungs-Boykott war für die 96-Anhänger ein Mittel in der Auseinandersetzung mit Clubchef Martin Kind.
Wie angespannt derzeit das Verhältnis einiger Fangruppen zu ihren Vereinsführungen und zur Polizei ist, verdeutlichten auch Solidarisierungen in anderen Stadien. In München war auf einem Banner zu lesen: "Die Polizei prügelt und ihr fallt euren Fans in den Rücken". In Stuttgart wurde von VfB-Fans ein Spruchband entrollt: "Fahnen sind und bleiben unantastbar. Bullen aus der Kurve".
Hertha will zunächst mit den Ultras die jüngsten Ausschreitungen aufarbeiten, ehe es einen Versuch gibt, den Dialog mit allen Fangruppen neu zu beleben. "Es ist ein kleiner Teil der Fans, mit dem wir aktuell nicht im Gespräch sind. Es gilt aber, dass unsere Hand auch nach dem Dortmund-Spiel ausgestreckt ist", sagte Manager Michael Preetz dem Pay-TV-Sender Sky.
Für Anfang der neuen Woche hat der Club Vertreter der Ultras zu einem Gespräch eingeladen, bestätigte Hertha am Sonntag. Ob das Treffen tatsächlich stattfinden wird, sei aber unklar. Das sei davon abhängig, ob die Einladung angenommen werde. «Natürlich müssen wir an einen Tisch. Es müssen Dinge besprochen und Grenzen gezogen werden», sagte Preetz. Trainer Dardai bemerkte: "Ich habe vor unseren Fans keine Angst. Wir reden mit ihnen." dpa