Er war fast angekommen, als doch wieder das durch die Katakomben schallte, was der 23-Jährige derzeit überall zu hören bekommt. „Marco, hast du einen Moment? Nur zwei, drei Fragen. Marco?“ Da stand er nun also, konnte schon das verlockende Rauschen der Dusche aus der Mannschaftskabine hören, drehte sich um, murmelte ein fast schon resignierendes „Ich will nach Hause“ vor sich hin und erfüllte dem wartenden Kamerateam auch noch den letzten Interviewwunsch des Abends.
"Davon träumt man natürlich"
Während seine Mannschaftskameraden nach und nach das Stadion verlassen hatten, war Reus damit beschäftigt, eine ganz neue Definition der etwas wunderlichen Begrifflichkeit des „Box-to-box-Players“ zu produzieren. In jede einzelne Interviewbox, diese fein säuberlich voneinander abgegrenzten Bereiche, in denen die verschiedenen Fernsehsender auf einen O-Ton des ersten Torschützen der Saison warteten, bog der ehemalige Mönchengladbacher ab, um geduldig zu erzählen, wie es sich angefühlt hatte, als er mit seinem ersten Torschuss das 1:0 erzielt hatte. „Davon“, offenbarte er zwischendurch auch der schreibenden Zunft, „träumt man natürlich.“
Dass die elfte Spielminute, als er den Patzer des hüftsteifen Aleksandar Ignjovski antizipierte, antrittsschnell den Ball ergatterte und ihn dann in die lange Ecke schob, alles andere als eine schöne Fantasie war, dürfte Reus sofort bemerkt haben, schließlich jubelten ihm knapp 80.000 begeisterte Anhänger zu, die damit eine ganz reale Empfindung auslösten. „Das war einfach nur Gänsehaut. Es hat enorm viel Spaß gemacht.“
Auf unbekannten Terrain
Schon im ersten Bundesligaspiel im schwarz-gelben Trikot zeigte der 17-Millionen-Euro-Zugang oftmals, warum er vor wenigen Wochen als „Fußballer des Jahres“ geehrt wurde. Immer wieder stahl er sich zwischen die Abwehrreihen der Bremer und verschaffte sich dadurch ein wenig Raum, der ihm ausreicht, um Tempo für ein Dribbling aufzunehmen oder einen Mitspieler in Szene zu setzen.
Doch Reus bewegt sich beim BVB nicht nur auf dem ihm wohlbekannten Terrain des temporeichen Angriffsfußballs vor dem gegnerischen Tor. Jürgen Klopp hatte mehrfach betont, dass er von Reus auch Defensivarbeit einfordert, was im Laufe der Vorbereitung immer besser funktionierte und seinen vorläufigen Höhepunkt gegen Werder fand, als er nach einer guten halben Stunde am eigenen Strafraum Aaron Hunt den Ball weggrätschte.
Doch darüber musste er freilich nicht viel erzählen. Im Mittelpunkt stand sein Traum, sein erstes Bundesligator für den BVB. Und das dürfte ihm auch unter der wohlverdienten Dusche, die er schlussendlich doch noch erreichte, ein äußerst schönes Kopfkino beschert haben.