Während seine Mannschaftskollegen spätestens seit Sonntag in alle Ecken dieser Welt reisten, um sich nach einer langen Saison zu erholen, reicht Frank Rost eine Woche Urlaub auf Usedom. Die Eltern laden traditionell nach Beendigung der Spielzeit auf die Ostsee-Insel, wo "Fäustel" mit Frau Susan und dem erst sechs Monate alten Töchterchen Elisa Annabel erstmals gemeinsam entspannen kann. Die in knapp drei Wochen beginnende Weltmeisterschaft wird der 32-Jährige vorwiegend daheim in Dorsten erleben vor dem Fernseher. "Ich habe mich nicht um Karten gekümmert, das war mir zu anstrengend", gibt Rost zu. "Außerdem spare ich da eine ganze Menge Geld, dafür kann ich dann lieber ein paar Leute zum Fußball gucken einladen", grinst der Familienvater. Bevor es los geht, sprach Rost mit RevierSport über seine WM-Erwartungen Anspruchsdenken und Führungsqualitäten.
[b]Frank Rost, in 18 Tagen beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft. Sie selbst sind nicht dabei, den FC Schalke vertreten mit Gerald Asamoah und Mladen Krstajic nur zwei Spieler. Welche Erwartungen haben Sie an die WM, vor allem was das Abschneiden der deutschen Mannschaft angeht?<b/>
Ich denke, dass sich im Laufe des Turniers etwas entwickeln kann, was man vorher nicht richtig einschätzen kann. Das war schon vor vier Jahren so, da hatte auch niemand geglaubt, dass die Mannschaft bis ins Finale marschiert. Warum sollte das mit hoffentlich dem Publikum im Rücken im eigenen Land nicht auch passieren? Wenn man aber anders herum das erste Spiel nicht gewinnt, wird der Druck unglaublich groß. Das ist dann nur noch ein Nervenspiel mit ganz offenem Ausgang. Die Franzosen sind schon zehn Mal Weltmeister geworden, wenn man die so reden hört, aber vom Reden allein holt man noch lange keinen Titel. Wir spielen nun einmal einen anderen Fußball als die Brasilianer oder Franzosen, aber die Vergangenheit hat nun einmal gezeigt, dass Deutschland auch etwas im Fußball erreichen kann.
[b]Jürgen Klinsmann ist vor fast zwei Jahren mit dem Anspruch angetreten, Weltmeister werden zu wollen. Ist seine vielleicht bewusst zur Schau gestellte positive Art notwendig, um diese oft zu einer eher negativen Haltung neigenden deutschen Gesellschaft wach zu rütteln?<b/>
Auf jeden Fall! In Deutschland ist man allgemein schnell sehr kritisch, auch hinsichtlich der Spitzensportler, die nun einmal im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen. Da kommt oft Neid auf und das finde ich nicht gut. Ein typisches Beispiel ist, wie der Oberbürgermeister Gelsenkirchens die Nominierung des deutschen Kaders kommentiert hat. Wenn der die sogar für richtig hält, dann verstehe ich gar nichts mehr. Da muss er doch einmal als oberster Herr in der Stadt die königsblaue Brille aufsetzen. In den USA dagegen werden die Top-Leute bejubelt, da steht das Publikum oft bedingungslos hinter den Ausnahme-Sportlern.
[b]Ist Klinsmann da durch seinen Wohnsitz geprägt?<b/>
Nein, das denke ich nicht. Klinsmann ist schon früher als Spieler immer konsequent seinen Weg gegangen und hat meistens keine Rücksicht auf die gängige Meinung genommen. Er hatte nie viele Freunde, ob in Stuttgart, bei den Bayern oder in Tottenham. Auch als Bundestrainer trifft er seine Entscheidungen größtenteils autark, obwohl er einen großen Betreuerstab um und den mächtigen DFB noch hinter sich hat. Es muss nicht allen Leuten gefallen, was er sagt und entscheidet, aber schließlich muss er auch den Kopf dafür hinhalten, wenn etwas schief läuft. Und wer nicht mitzieht, hat halt Pech gehabt. So ist das im Spitzensport.
[b]Wie beurteilen Sie die Entscheidung für Jens Lehmann und gegen Oliver Kahn?<b/>
Oliver Kahn hat das Pech gehabt, dass die Bayern relativ früh aus der Champions League geflogen sind. Jens Lehmann dagegen ist mit Arsenal, einer absoluten Top-Mannschaft, bis ins Finale vorgedrungen. Da hat er sich auf höchstem internationalen Niveau einen Vorsprung verschafft, der letztlich wohl den Ausschlag für seine Ernennung zur Nummer eins gegeben hat.
[b]Dafür wurde Kahn mit den Bayern Meister, obwohl doch Schalke endlich die Schale holen wollte. Was ist schief gelaufen in dieser Saison?<b/>
Wenn man in der Bundesliga Vierter wird und das Halbfinale im UEFA-Cup erreicht, kann man sicherlich nicht von einer verlorenen Saison sprechen, so wie es bisweilen dargestellt wird. Von den im Europapokal vertretenen Mannschaften sind wir am weitesten gekommen. Aber für die Zukunft müssen wir an der Nachhaltigkeit arbeiten. Mirko als Trainer, Andy Müller von Vorstandsseite und wir Spieler müssen intern immer den Druck so hoch halten, dass wir nicht nur über 20, 25 Spieltage lang gut aussehen, sondern über die ganze Saison. Daran müssen sich alle halten, wer da nicht mitzieht, muss sich halt einen anderen Verein suchen.
[b]Sind rund um Schalke die Ansprüche so hoch, dass es die Spieler belastet und wie im Falle von unter anderem Kevin Kuranyi und Fabian Ernst zu einem enormen Leistungsabfall führt?<b/>
Die Erwartungshaltung ist schon ziemlich hoch, aber damit muss man klar kommen, wenn man etwas erreichen will. Rudi Assauer hat nach der vergangenen Saison, als wir den zweiten Platz erreicht haben, gesagt: Diesen zu verteidigen ist schwer genug. Da hatte er Recht! Andere kommen dann schnell daher und sagen: Wir wollen Meister werden! Dann jubeln alle, aber man spielt auch mit den Emotionen der Leute. Die fanatischen Zuschauer, oder zumindest die mit totaler Begeisterung dabei sind, die hast du in keinem anderen Verein in Deutschland. Wenn du dann von den ersten drei Spielen zwei nicht gewonnen hast, ist die Enttäuschung bei allen groß. Man muss realistisch sein, Platz zehn kannst du den Leuten nicht verkaufen, aber Meister wirst du nun mal eben nicht einfach so.
[b]In wie weit beeinflussen die vielen Themen rund um den Verein, die für eine beständige Unruhe sorgen, die Leistungen der Spieler?<b/>
Das geht an der Mannschaft nicht vorbei. Wenn man permanent mit irgendwelchen Meldungen konfrontiert wird, fällt es umso schwerer, sich voll und ganz auf deine Aufgabe zu konzentrieren. Was fehlt, ist die innere Ruhe. Bei vielen Top-Vereinen in England oder Spanien hört man nicht die Diskussionen, die bei uns vorherrschen. Es gibt mal Spekulationen in der yellow press, aber man hört selten, dass es keine einheitliche Linie in der Außendarstellung gibt. Bei uns ist es ein Problem, dass in der Öffentlichkeit zum Beispiel verschiedene Bewertungen über die abgelaufene Saison gemacht wurden. Das muss intern analysiert und darf natürlich dort kontrovers diskutiert werden, aber nach außen hin muss es eine einheitliche Aussage geben.
[b]Auch das Team spaltet sich offenbar in einzelne Grüppchen. Da gibt es die Samba-Brasilianer und dort einen Frank Rost, der vielleicht eine ganz andere Fußball-Philosophie hat!<b/>
Mir persönlich wird heutzutage zu viel Wert auf ein Spektakel gelegt. Da wird der Ball schön mit der Hacke gespielt oder auf den Schultern hin und her, aber was es letztendlich für alle bringt, ist eine andere Sache. Man kann aber nicht fordern, die Mannschaft muss eine verschworene Einheit sein, wenn auf anderen Ebenen Bomben explodieren. Entweder gehen alle zusammen einen Weg oder du bist zum Scheitern verurteilt. Das ist demokratische Diktatur. Oder du hast einen Abramowitsch, der die besten Spieler der Welt zusammen kauft, dann klappt das vielleicht auch.
[b]Wie wichtig sind sogenannte echte Führungsspieler für eine Top-Mannschaft? Bei Durchsicht der Schalker Elf fängt man bei Ihnen an, und dann fällt einem keiner mehr ein!<b/>
Es gibt wenige in unserer Mannschaft, die auch mal gegen innere Widerstände angehen. Viele verwechseln Kritik mit etwas Persönlichem. Sie muss aber nicht zwangsläufig negativ sein, sondern hat meistens auch etwas Konstruktives. Kritik muss in erster Linie der Trainer üben, aber es können auch vereinzelt Spieler sein. Dann muss man das auch mal akzeptieren und wirken lassen, vielleicht hat er ja doch Recht gehabt. Als Chef oder Führungsperson musst du nicht beliebt sein. Und warum ist Schalke 1997 Europapokal-Sieger geworden? Bestimmt nicht, weil so viele brillante Spieler in der Mannschaft standen, sondern weil ein großer Zusammenhalt innerhalb des Teams herrschte.