Die 2. Informations-und Diskussionsveranstaltung zum Thema „Ausgliederung der (Profi-)Fußballabteilung von RWE zum Zweck der Investorengewinnung steht am kommenden Mittwoch an.
Beim VfL Bochum z.B. ist die Diskussion im letzten Jahr bereits intensiv geführt worden.
Am morgigen Dienstag lädt der VfL Bochum seine Mitglieder dbzgl. zu einer Info-Veranstaltung ein.
Hiebei hat sich die Kampagne „echt VfL nur ohne Ausgliederung“ recht deutlich gegen eine Ausgliederung positioniert:
link
echtvfl.de/Ich habe mir beim intensiven Studium des Textes folgende Fragen gestellt und für mich, ganz persönlich, dann auch beantwortet:
Sind die angeführten Argumente „1:1“ auf RWE übertragbar?
Sind die Argumente nachvollziehbar ?
Sind die von der Kampagne dargestellten Konsequenzen einer Ausgliederung zwangsläufig oder vielleicht doch steuerbar ?
Wer Zeit und Lust hat, meinen Gedankengängen zu folgen, der kann das nachfolgend tun:
Zunächst einmal bleibt festzuhalten, dass auch der VfL Bochum die KGaA als die geeignete Rechtsform ansieht. Daher diskutieren wir hier tatsächlich über eine identische, rechtliche Ausgestaltung der Ausgliederung, den auch RWE würde im Fall der Fälle auf die KGaA zurückgreifen.
Das Thema „Kapitalbeschaffung“ ist natürlich letztlich (neben dem Insolvenzschutz des e.V.) „der“ Grund für eine Ausgliederung.
Der VfL kalkuliert einen Anteilswert von „bis zu 25 Mio“ bei einem 100%igen Verkauf der Anteile.
Der Lizenzspieleretat für die letzte Saison soll lt. Presse bei 8 Mio gelegen haben. Zahlen aus dieser Saison hab ich nicht gefunden.
Unterstellt man nun die Aufteilung der 25 Mio auf 5 Spielzeiten ergäbe siche eine Etaterhöhung um etwas mehr als 60 %. Sicherlich signifikant, aber auch ausreichend, um damit den Aufstieg „sicher“ zu realisieren? Eher nicht, da bin ich bei der VfL-Kampagne,bedenkt man, dass Leipzig und Köln angeblich mehr als 20 Mio in den (Wieder)aufstieg investiert haben sollen. Auf der anderen Seite hat Darmstadt mit 7 Mio den Aufstieg geschafft.
Von daher ist aus VfL Sicht eine gewisse Skepsis durchaus berechtigt, ob die generierten Mittel wirklich für den Aufstieg reichen.
Wie sähe die Rechnung bei RWE aus?
Orientierungspunkt, was Anteilswerte angeht, wäre Alemannia Aachen. Dort lag ein Angebot auf dem Tisch, 49 % der Anteile für 4,9 Mio zu erwerben. Gesamtwert also 10 Mio.
Selbst wenn man unterstellt, das die „Marken“ der Alemannia und von RWE eine identische Strahlkraft haben, besaß RWE zum Zeitpunkt des Angebots einen Vorteil: Man hat keine Schulden, die ggfs. noch zu tilgen wären und somit den finanziellen Spielraum nach Erhalt des Investorengeldes wieder einschränken. Das wird ein Investor bei seinem Gebot berücksichtigen müssen, daher taxiere ich jetzt mal 12 Mio für 100% RWE Anteile.
Verteilen wir das auf 5 Jahre, wären das 2,4 Mio pro Saison und würde somit eine Etaterhöhung von weit über 100% bedeuten.
Der Hebel bei RWE wäre also ca. doppelt so hoch wie beim VfL, aber garantierten Erfolg bringt das natürlich auch nicht, zumal wir rein mathematisch aufgrund der unterschiedlichen Aufstiegsregelung von 4. in 3. Liga gegenüber 2. in 1. Liga hier klar im Nachteil sind.
Aus Liga 2 steigen 2,5 aus 18 Vereinen auf, bei uns in der Liga 0,5 aus 18 Vereinen.
Der Nachteil liegt hier also bei einem „Faktor 5“
Aber über diese unsäglich Aufstiegsregelung in unserer Liga darf ich gar nicht erst wieder nachdenken...Stimmungskiller
Trotzdem bleibt festzuhalten: Der finanzielle Hebel bei RWE wäre deutlich höher als beim VfL.
Das 2. Gegenargument der VfL-Kampagne:
Durch die Etaterhöhungen über 5 Jahre baut man finanzielle Strukturen auf, die man nach Ablauf der 5 Jahre weiterbedienen muss. Bei Nichterfolg in den 5 Jahren würde dies den Druck auf den Verein erhöhen, nächste Schritte in Sachen „Ausverkauf“ zu gehen.
Diese aufgezeigte Konsequenz ist für mich allgemein nicht zwingend und schon gar nicht für unseren RWE, wie er aktuell aufgestellt ist:
Im Prinzip haben wir mit den Özilgeldern ja einen ähnlichen, wenn auch deutlich kleineren finanziellen Einmaleffekt, den wir auf mehrere Jahre verteilt haben. Da man, solide Etatplanung vorausgesetzt, ziemlich genau weiß, wann diese zusätzlichen finanziellen Mittel wieder wegfallen, muss man dies in einer Langfristplanung eben berücksichtigen.
Heißt: Wenn ich im 5. Jahr bin und den Aufstieg bis dato noch nicht geschafft habe, müssen hochdotierte Spielerverträge zu diesem Termin (Ende Jahr 5) halt erstmal auslaufen, wenn ich keine andere Zusatzeinnahmen generieren kann.
Im worst-case stünde der Verein also finanziell in 5 jahren wieder da, wo er jetzt auch steht. Nicht mehr, nicht weniger.
Weitere Schritte Richtung „Ausverkauf“ (Stimmrechte an Investoren etc.) sind also keinesfalls zwingend.
Das dritte Gegenargument lautet:
Das „Mehr an Geld“ hat negative Auswirkungen auf die Verhandlungsposition des Vereins, sprich die Spieler fordern im Wissen um das vorhandene Geld, besser dotierte Verträge als üblich.
Ganz ehrlich: Können die Spieler/Trainer gerne tun, aber da würde ich ganz einfach den zuständigen Herrschaften im Verein vertrauen, dass trotzdem hart verhandelt wird.
Es wird weiterhin ein Überangebot an Fußballern geben, hier gilt es einfach nur, ein gutes Händchen zu beweisen und weiterhin hart und im Interesse des Vereins zu verhandeln.
Nummer 4 ist zunächst eine Feststellung, die ich zu 1907 % teile:
„Es ist ein finanzielles Wettrüsten im Fußball entstanden, bei dem jeder dem nächst größeren hinterherhechelt. Es fließt immer mehr Geld, es entstehen immer mehr kommerzielle Felder“
Der eine Ausweg scheint, mit den Wölfen zu heulen um wettbewerbsfähig zu sein (Ausgliederung) der andere ist, nach Nischen für eigene (finanzielle) Entfaltungsmöglichkeiten als Verein Ausschau zu halten.
Der Ansatz der VfL-Kampagne ist also zur Verbesserung der Marktposition, nicht anderen „nachzujagen“ sondern sich bewußt am Markt davon abzugrenzen, also Nischen besetzen und vorhandene Potentiale zu nutzen.
Konkret wir die VfL-Kampagne dabei nur im Punkt Transfererlöse, die beim VfL schon vor der den neuen TV-Verträgen wohl recht üppig geflossen sind. Hier sieht man einen höheren Hebel als bei einem Anteilsverkauf. Weitere Ansätze für das Finden von Nischen, die positive finanzielle Auswirkungen haben, konnte ich in der Stellungnahme nicht finden.
Mit Ablösesummen haben wir bei RWE (zumindest indirekt/Özil) zwar auch in jüngster Vergangenheit ganz gute Erfahrungen gemacht. Das wir aber für einen RWE-Jugendspieler oder einen in Liga 4 gut einschlagenden Spieler, Ablösesummen im Millionenbereich erzielen könnten, halte ich für utopisch.
Andere Nischen sehe ich nicht, zumal wir -glaube ich- mit Fug und Recht behaupten können, einen
absoluten Marketingspezialisten als Vorstand zu haben.
Hier wurden und werden alle Register gezogen und jeder Stein rumgedreht, trotzdem kommen wir auf der Einnahmenseite an Grenzen, insbesondere in Liga 4. Also wo soll bei RWE die neue Nische sein, die wir nicht schon besetzt haben?
Die Vfler sehen zudem die Marke „VfL“ im Falle einer Ausgliederung als gefährdet an, da sie bei einem Investoreneintritt an Authentizität verliert (ehrlich, klein, Jugendarbeit,familiär, underdog), sprich die schon besetzte Nische „authentischer Ruhrgebietsclub“ ginge verloren.
Zudem spricht man von einem „Riss“ der im Fall einer Ausgliederung durch Fans und Mitglieder gehen würde und die Marke VfL durch Kündigung von Dauerkarten und Mitgliedschaften beschädigen würde.Zudem wäre der Verein dann austauschbar und für neue Fans nicht mehr interessant, die coole Marke, wie das Union Berlin des Reviers“ ginge verloren und im Werben um die Gunst der Öffentlichkeit und der Sponsoren kann man sich gegenüber anderen Kapitalgesellschaften nicht mehr absetzen.
Man befürchtet somit die Gefährdung anderer, langfristiger und konstanter Einnahmepotentiale im Falle einer Ausgliederung.
Das ist aus meiner Sicht ein sehr komplexes Themenfeld und mit sehr viel Spekulation verbunden.
Ich stimme zu, dass eine Entscheidung pro Ausgliederung einen Riss bei Mitgliedern und Fans verursachen würde.
Dieser Riss entstünde aus meiner Sicht aber auch, wenn die Mitgliederversammlung der Ausgliederung widersprechen würde. Denn keine Seite wird 100% der Mitglieder hinter sich haben.Auch da könnte es zur Kündigung von Mitgliedern und Dauerkarten kommen, mit dem Argument „Der Verein tut nicht alles, um nach oben zu kommen“.
Auch Sponsoren könnten aus diesem Grund die Lust verlieren, denn nur ein möglichst erfolgreicher Verein garantiert den bestmöglichen Werbeeffekt.
Die Büchse der Pandorra ist aber nunmal geöffnet, daher wird man sich beim VfL und bei RWE irgendwann positionieren müssen.
Ich glaube aber nicht, dass eine Entscheidung für eine Ausgliederung langfristig negative Auswirkungen auf die Marke haben muss. Oder will jemand ernsthaft, behaupten, die Marke BVB wurde durch die erfolgte Ausgliederung beschädigt ?
Das Negativbeispiel „Ismaik“ bei 1860 kann man nicht von der Hand weisen: Was da abgeht, wünscht man seinem schlimmsten Rivalen nicht.
Aber: Das Konstrukt rund um den Investor Ismaik entstand aus einer existenzbedrohenden Situation für 1860. Man war praktisch pleite und griff nach dem letzten Strohhalm und ja, man hat damit die Seele verkauft und -aus meiner Sicht- auch die Marke „1860“ beschädigt.
Die Ausgangslage beim VfL (vermutlich) und bei RWE (sicher) ist eine völlig Andere:
RWE muss niemand retten, bei uns kann man Geld investieren, in der Hoffnung, der Anteilswert steigt nach Aufstiegen in Liga 2 und 3.
Die Bedingungen diktieren wir, nicht der Investor. Je enger das Korsett gestrickt ist, umso weniger könnte man beim Anteilsverkauf vermutlich erzielen. Aber über diese Rahmenbedingungen können die Mitglieder entscheiden, ganz ohne Insolvenzdruck
Das finanzielle Risiko liegt allein beim Investor, nicht bei RWE. Auch nicht in 5 Jahren, wenn der Aufstieg nicht geklappt hat.
Wir müssen dann nur-wie bisher auch- darauf achten unsere Kostenstrukturen wieder rechtzeitig anzupassen, oder durch Kapitalerhöhungen nachzulegen.
Ohne Fremdverbindlichkeiten, die weiterhin ein Tabu für RWE sind, wären wir auch nicht erpressbar und hätten keinen Handlungsdruck in Richtung „Mitbestimmung von Investoren“.
Trotzdem besteht natürlich die Gefahr, dass sich eine Mitgliederversammlung in 5 Jahren im Angesicht eines „unmoralischen, finanziellen Angebots auf den Standpunkt stellt, „mehr“ Investoreneinfluß zuzulassen, als wir heute ggfs. bereit wären.
Diese Gefahr besteht aber, unabhängig von der Rechtsform, immer.
Ich erinnere nur an die Kölmel-Verträge....
Die letzte Argumentation, die emotionale, kann ich absolut nachvollziehen.
Auch ich bin Fußballromatiker und wünsche mir einen Verein, der von Mitgliedern, Fans und Sponsoren/Gönnern unterstützt, nicht nur überleben sondern auch erfolgreich sein kann.
Ich ginge sogar soweit, der Mitgliederversammlung zur Diskussion zu stellen, sich aus dem ganzen Zirkus zu verabschieden und gleichgesinnte Traditionsvereine zu suchen, um eine eigene Liga zu gründen.
Ich bin auf der anderen Seite aber auch Realist genug, zu wissen, dass dies auf Dauer nicht funktionieren kann, mit der „Piraten-Liga“.
Trotzdem:
Eine Ausgliederung ist absolut nicht alternativlos, da bin ich bei der Vfl-Kampagne.
Man muss sich der möglichen Konsequenzen bewusst sein, egal, ob man dafür oder dagegen ist.
Beide Seiten verdienen Respekt für Ihre Haltung und beide Seiten sollten Entscheidungen eines demokratischen Prozesses akzeptieren. Ein langfristiger Riß innerhalb der Mitglieder/Fans ist nicht zwingend erforderlich. Auch Vereine mit Ausgliederung haben weiterhin Ultra-Szenen und Vereine, die weiterhin die Fussballer als e.V. führen, können überleben und erfolgreich sein.
Ich freue mich auf die nächsten Wochen und weitere Informationen und Diskussionen, die durchaus auch mal emotional sein dürfen.
Es geht schließlich um Fußball und unseren RWE !