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Trainer-Legende
Otto Rehhagel wird 80

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Am Donnerstag feiert Otto Rehhagel seinen 80. Geburtstag. Der gebürtige Essener war in seiner Karriere stets charismatisch und humorvoll.

Otto Rehhagels 834. Einsatz als Cheftrainer eines Bundesligisten dauerte länger als ein stinknormales Fußballspiel. Wesentlich länger. Der finale Auftritt als sportlich Verantwortlicher von Hertha BSC beim chaotischen Relegationsspiel in Düsseldorf im Mai 2012 zog sich über mehrere Wochen. Und geriet so, wie die Trainer-Karriere des gebürtigen Esseners stets war: aufregend, herausfordernd, charismatisch, auch humorvoll, aber nie langweilig. Heute wird Rehhagel 80 Jahre alt. In den Herzen vieler Fans steht der Jubilar für Bremen, für Kaiserslautern, für atemberaubende Bundesliga-Meisterschaften, für Griechenlands Sensationscoup bei der EM 2004 in Portugal, für ein Scheitern bei den Bayern, für ein 0:12 mit Dortmund. Und für freche Wahrheiten.

Eine geht so. „Ein Fußballtrainer muss allein deshalb viel Geld verdienen“, so sagte Rehhagel einmal über sein Profi-Dasein, „damit er sich als Pensionist ein Zimmer erster Klasse in der Klapsmühle leisten kann.“ So weit ist es nie gekommen. Selbst nach dem eingangs erwähnten Bundesliga-Abstieg mit Hertha 2012 nicht, dem Platzsturm in Düsseldorf nebst Fast-Spielabbruch, dem aus dem Rasen geschnittenen Elfmeterpunkt, der folgenden Posse vor dem DFB-Bundesgericht mit Rehhagels überzogenem Vergleich eines chaotischen Fußballabends mit Bomben über der Heimatstadt im Zweiten Weltkrieg. Der Essener blieb stets Bredeney verbunden. Und seiner Frau und Ratgeberin Beate, ebenfalls eine Essenerin.

Meier: "Der Respekt war immer groß"

Norbert Meier war bei Werder Bremen zehn Jahre lang erfolgreicher Rehhagel-Schützling. Nach dem eingangs erwähnten finalen Pflichtspiel saß der gebürtige Hamburger neben Rehhagel auf dem Cheftrainer-Podium des Düsseldorfer Presseraums. Meier hatte soeben seinen Lehrmeister in Rente geschickt. Mit 73. „Das war für mich persönlich nicht leicht. Otto hat mich natürlich als Spieler und Trainer sehr geprägt“, betont Meier im Gespräch mit dieser Redaktion, „der Respekt war immer groß. Auch in der Stunde, als ich ihm den Abstieg beschert hatte.“ 49 Jahre nach Rehhagels erster Bundesligastunde.

Vor dem Start im Sommer 1963 ließ Rehhagel die Steinkohle-Zeche Helene in Altenessen, seine Anstellung als Maler und Anstreicher hinter sich und tuckete mit seinem VW Käfer nach Berlin. Rot-Weiss Essen hatte die Qualifikation verpasst. Hertha BSC war indes dabei und nahm den damals 25-jährigen Ruhrpott-Verteidiger unter Vertrag. Dieser Wechsel sollte bis zum Mai 2012 die große Berliner Bundesliga-Klammer für Rehhagel bedeuten.

1974 bei Kickers Offenbach gehörte Rehhagel mit 36 Jahren zur Gruppe der jungen, modernen Trainer. Wie Willibert Krämer beim MSV Duisburg, wie Sepp Piontek bei Werder Bremen. Sieben Jahre später legte Rehhagel seinen Ruf als dynamischer Feuerwerkmann ab – mit dem Wechsel zum damaligen Zweitligisten Werder Bremen. Als Ersatz für Kuno Klötzer, der damals auf eisiger Landstraße bei Celle mit dem Auto verunglückt war.

Er nannte sich "demokratischer Diktator"

„Otto hat die Spieler in die Überlegungen stets mit einbezogen, hatte einen unglaublichen Blick für die Stärken der Spieler, hat uns auch nie kaputt trainiert“, erinnert sich Norbert Meier, „natürlich hat er die Aufstellung, die Taktik dann allein entschieden. Das muss so sein und ist ein Ding, das sich im Fußball nie ändern wird.“

Rehhagel nannte sich gern "demokratischer Diktator". Damit ist er stets gut gefahren. Sensationell gut. Griechenland führte er 2004 zur Europameisterschaft – zwei Siege gegen Gastgeber Portugal am ersten und am letzten Turniertag inklusive. Rehhagel wurde anschließend bei der Titelfeier in Athen auf Händen getragen, genoss die emotionale Explosion, sagte, auch aus Respekt vor den Griechen, ein mögliches Engagement als Bundestrainer ab.

Sechs Jahre zuvor hatte Rehhagel den 1. FC Kaiserslautern aus der Zweiten Liga heraus zum Bundesliga-Meister gemacht. Ebenfalls ein einzigartiges Husarenstück. Davor war Bremen, die Meistertitel 1988 und 1993, die DFB-Pokalsiege 1991 und 1994. Auch der Europacup-Finaltriumph 1992 in Lissabon gegen AS Monaco. Klaus Allofs und Rehhagels Lieblingsspieler, der neuseeländische Alleskönner Wynton Rufer, trafen zum 2:0. Es gab überragende Aufholjagden: gegen Spartak Moskau (1:4 und 6:2) oder Dynamo Berlin (0:3 und 5:0). Rehhagels 15 Jahre in Grün und Weiß bescherte Werder eine ungeahnte Popularität. Bis heute, über deutsche Grenzen hinaus.

Er ließ auch mal Fünfe grade sein

Und doch bleibt auch der einzige Elfmeter-Fehlschuss in 40 Versuchen von Michael Kutzop haften. Der Pfostentreffer am vorletzten Spieltag gegen Bayern München kostete 1986 den sicheren Meistertitel. Auf der anschließenden Südostasien-Tour ließen es die frustrierten Werderaner krachen.

Die nächtlichen Getränke-Runden der kompletten Mannschaft flogen auf. „Alle Spieler bei uns haben damals gedacht, wir schaffen es nie, den Titel zu holen. Der Frust musste raus. Nachts um 2 Uhr stand dann plötzlich Otto in der Tür und machte eine klare Ansage“, erinnert sich Norbert Meier, „aber wir machten danach weiter Party.“

Rehhagel ließ dann allerdings Fünfe grade sein. Was er mehr als einmal bewies. Meier: „Am nächsten Morgen hat uns Otto am Flughafen zusammen gerufen und gesagt: ,Meine Herren, ich bin der Älteste von uns und habe gestern falsch reagiert‘. Dass wir anschließend trotz Frust noch den Kirin-Cup in Japan geholt haben, war dann Ehrensache.“

Die Tour von 1986 hat auch Manfred Burgsmüller in Erinnerung. „Da hätte man einen Film drehen können, der wäre heute noch ein Hit“, sagt der ehemalige Torjäger, wie Rehhagel ein Essener, der in Werden wohnt. Burgsmüller, vom damaligen Zweitligisten Rot-Weiß Oberhausen zurück in die Bundesliga geholt, feierte unter Rehhagel nicht nur seinen ersten Bundesligatitel, 1988 mit stattlichen 38 Jahren. Er erlebte auch zehn Jahre zuvor die höchste Niederlage der Bundesliga-Geschichte live mit.

„Das Spiel hätte auch 18:7 statt 12:0 ausgehen können. Und dem Jupp Heynckes haben sie damals mindestens zweimal gegen das bandagierte Knie geschossen“, flachst Burgmüller über den historischen 29. April 1978 im Düsseldorfer Rheinstadion. Nach der Pleite seiner Dortmunder gegen Vizemeister Borussia Mönchengladbach war Rehhagel seinen Job los. „Wir sind nach dem Spiel im Auto gemeinsam nach Essen gefahren, da hat mir Otto exklusiv verraten: Manni, Sie sollten wissen, dass ich morgen nicht mehr BVB-Trainer sein werde.“

Allein gegen die Mächtigen

Es war einer der wenigen Tiefpunkte in Rehhagels Wirken. Später kam noch die Beurlaubung bei den Bayern hinzu. Das mächtige München war schlicht nicht das Terrain eines Trainers, der sich viel besser bei den Außenseitern entfalten konnte. Motto: „Bevor die anderen merken, wie gut zu bist, musst Du durch sein.“

Das funktionierte in München nicht. Und bei den Bayern war das mediale Echo viel größer als in Bremen, wo Rehhagel an trainingsfreien Tagen gern im Cafe saß, Zeitung las und über die nächsten Gegner nachdachte. Eine gewisse Ruhe, die Rehhagel an der Weser genoss, gab es an der Isar nicht. Selbst im Zeitalter des jungen Internets und weit vor der plapperhaften Hektik sozialer Medien. Es nutzte damals wenig, an der Klingel des Münchener Penthouse „Rubens“ statt Rehhagel anzubringen. Boulevard-Medien wussten auch so, wo sie den Trainer auflauern konnten.

Damals stand Rehhagel schnell allein gegen Mächtige, gegen Franz Beckenbauer, der kurz vor dem Uefa-Pokalfinale seinen Job übernahm, und Uli Hoeneß. Ans Aufhören dachte er trotz Bayern nie: „Michelangelo stand mit 80 auch noch auf dem Gerüst vor der Stirnwand der Sixtinischen Kapelle und hat vom Papst 30 000 Goldtaler für seine Arbeit bekommen.“ Ganz so lang ging es für den heute 80-Jährigen nicht. Den Abgang mit 73 hat er immerhin mit Jupp Heynckes gemeinsam. Der mit dem bandagierten Knie, der einst beim 12:0 fünfmal gegen Rehhagels BVB traf.

Autor Michael Ryberg

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