Von einer angenehmen Zurückhaltung des Vereinsumfeldes ist die Rede. Auch die vorbildliche Einbindung des kickenden Jungpersonals in den Profikader findet stets nur lobende Erwähnung. Und wenn sogar der Geschäftsführer eines gewissen schwatt-gelben Konkurrenten aus der Region festgestellt haben will, dass auf Schalke derzeit „Ruhe im Karton“ herrsche, dann muss man eigentlich hoffen, es möge so weitergehen. Alles im Lack, alles bestens.
Wirklich? Keine Frage, der FC Schalke hat sich verändert. Die Nachricht, ein Kevin Kuranyi habe sich mit Vertretern eines ausländischen Clubs getroffen, um mehr oder weniger unverhohlen über einen Vereinswechsel und ein künftiges Gehalt in Höhe von 7,7 Millionen Euro zu plaudern, hätte noch vor gar nicht allzu langer Zeit eine orkanartige Entrüstung entfacht. Ausgerechnet Kevin Kuranyi, hätte es geheißen, ausgerechnet dieser Kevin Kuranyi, der bis vor kurzem auf Schalke allenfalls wegen seiner halbwegs zufriedenstellenden Torquote geduldet, aber ganz sicher nie heiß und innig geliebt wurde!
Denken wir an Rafinha. Der kleine Brasilianer durfte erneut frei Schnauze seinen Heimaturlaub verlängern und nach verspäteter Rückkehr als Willkommensgeschenk die Zusage in Empfang nehmen, dass ihm endlich sein größter Wunsch erfüllt werde und er bei angemessener Ablösesumme den Verein verlassen könne. Auch dieses Reizthema ist beinahe untergegangen. Eine Randnotiz, mehr nicht. Doch genau darin liegt die Veränderung, die der FC Schalke gerade erlebt. Und die müssen wir gut finden, ob wir wollen oder nicht.
Felix Magath hat seine Bereitschaft signalisiert, jeden Spieler bei entsprechendem Gebot zu verkaufen. Die jüngst getätigten Wintertransfers lassen erahnen, in welche Richtung sich das Personalkarussell spätestens im Sommer drehen wird. Edu für Kuranyi, Kluge für Jones, Baumjohann für Rakitic und Reginiussen als zusätzliche Variante in der Verteidigung bei einem Verkauf von Rafinha. Sogar Spieler wie Höwedes, von denen man eigentlich gemeint hatte, sie würden die sportliche Zukunft des Vereins mitgestalten, werden zum Objekt der Transferspekulationen. Der Gleichmut des Schalker Anhangs wird auf eine harte Probe gestellt.
Felix Magath verfolgt bedingungslos seinen Weg. Zuerst die Kompetenzverteilung im Vorstand, nun die Mannschaft und in Bälde vermutlich auch noch der Wust an gesellschaftlichen Verflechtungen: Der Strukturwandler Magath scheint keinen Stein auf dem anderen stehen lassen zu wollen. Wir wissen zwar, dass das alles dringend nötig war und ist. Und wir wissen auch, dass uns nichts Besseres als Felix Magath passieren konnte. Aber habe nur ich ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken an die Machtfülle einer einzelnen Person?
Die Unwägbarkeiten sind überschaubar, doch nichts weniger beängstigend. Es wird eine Ära nach Felix Magath geben, so oder so. Magaths Engagement könnte auch vorzeitig enden. In Wolfsburg ist man gerade dabei, das vom Meistertrainer hinterlassene Vakuum zu füllen. Dort hat man bis heute sicherlich nicht verstanden, wie Magath die Herausforderung des Sanierungsfalls Schalke der Aussicht auf eine anstehende CL-Saison mit seiner von ihm geformten Meistermannschaft vorziehen konnte.
Auf Schalke ist es also vielleicht auch deshalb im Moment so still, weil alles vermieden werden soll, was Magath irgendwie vergraulen könnte. Die Fans klatschen ihrer Mannschaft wieder brav und solidarisch Beifall, die Spieler singen das Lied vom neuen Mannschaftsgeist und der eigenen Bedeutungslosigkeit in eindrucksvollem Gleichklang - und ich sehe Tönnies, Peters und Schnusenberg in dicken Filzpantoffeln über die Flure der Vorstandsetage schleichen, weil der Felix der einzige in dem ganzen Laden ist, der laut werden darf.
Dass wir uns richtig verstehen: Ich glaube fest an ein Gelingen des Unternehmens Magath. Aber man wird auch mal etwas am Lack kratzen dürfen...