907 in der Gaststätte Nettebeck an der Schalker Straße in der Nähe des Musiktheaters im Revier gegründet, fällt 77 Jahre später der letzte Vorhang in Bismarck. Genügend Zeit aber, um Fußball-Geschichte zu schreiben.
Die letzte Heimat des SC Gelsenkirchen 07: Der Trinenkamp.
An einem schönen Sonntag im August 1907 kommen in der Gaststätte Wilkes in der Viktoriastraße 28 Sportsfreunde zusammen, die Willi Pappert zum Vorsitzenden ihres noch wilden Vereins machen. Schon vorher kicken die Jungen als SV Viktoria Schalke auf der so genannten „Unkelwiese“. Die erste richtige Mitgliederversammlung beschließt die Umbenennung in SV Urania, die Vereinsfarben sind schwarz-grün. Es sind vor allem Arbeiter, die im Verein ihre Lust am Spiel ausleben, aber das einfache Volk sieht man im bürgerlich besetzten Sportverband noch nicht gerne, so dass das Aufnahmegesuch des SV in den WSV zunächst abgelehnt wird – auf Geheiß der etablierten Nachbarklubs Schalke 96 und Ballspielverein 1904 Gelsenkirchen. Erst 1912 durch den Zusammenschluss mit dem Turnclub Bismarck kann die Aufnahme in den WSV erwirkt werden.
Kurz vor Ende des ersten Weltkriegs nennt sich der Verein in Sport-Club Gelsenkirchen 07 um. Vor allem ein Spieler ist es, der den legendären Ruf der Mannschaft in den kanarienfarbenen, neuen Trikots manifestiert. „Michel Gogalla war in den Zwanzigern die Symbolfigur des Gelsenkirchener Fußballs. Selbst Ernst Kuzorra ist regelmäßig zum Platz am Bahnhof Bismarck gekommen, um ihn spielen zu sehen“, erzählt das Schalker Idol seinem Kumpel Wellhausen, als er lange nach seiner Laufbahn fast täglich auf ein Pils in die Kneipe des Fußball-Kenners an der Kurt-Schumacher-Straße vorbeigekommen ist.
Acht Jahre lang behauptet sich 07 in der Ruhrbezirksliga. „Gottschewski und Gogalla, die spielen so schön Balla“, pflegen die Kinder in den Straßen zu singen. Doch so fesselnd wie Gogalla mit seinen Tricks auf dem Platz die Massen in den Bann zieht, so dramatisch ist auch sein frühes Ableben. Am 1. Mai 1937 wird er beim Kartenspiel in Hamburg, wo es ihn als Trainer von Altona 93 verschlagen hat, erstochen. Als Schalke 04 Ende der zwanziger Jahre beginnt, dem SC 07 den Rang abzulaufen, verblasst der Glanz der „gelben Gefahr“ allmählich. 1937 geben die Verantwortlichen um Ernst Wellhausen senior den Platz an der Breddestraße auf und ziehen auf die Sportanlage am Trinenkamp um. Für viele Einheimische schon ein paar Meter zu weit draußen in Richtung Schalke gelegen. „Der Umzug war notwendig, auf den Bauernhof pilgerten doch oft ein paar tausend Zuschauer, für die dort gar kein Platz war“, bemerkt Wellhausen, dessen Vater den bei den Königsblauen in der Jugend kickenden Sohnemann natürlich mit zum Trinenkamp schleppt.
Mit Beginn der Spielzeit 1949/50 wird die 2. Liga West als Vertragsliga eingeführt. 07 verzichtet auf die Lizenz und verbleibt als Amateur in der Landesliga. Der SC 07 wandelt jahrelang zwischen bescheidenen Ergebnissen in der Bezirksliga und der Hoffnung auf höherklassigen Sport. Der Stadtmeister-Titel 1951 ist der letzte schöne Erfolg. Der ehemalige Torwart Werner Kisker, inzwischen Trainer, schafft mit seiner Mannschaft in den Jahren 1964 und 1965 zwei Aufstiege in Folge. Sein Werk vollendet Günter Lieberum, der 07 in der folgenden Spielzeit sogar in die Verbandsliga führt. „Das war unsere große Zeit“, frohlockt Nadrowski. Torwart Johnny Zaremba und Kalle Grczeszik heißen die neuen Hoffnungsträger, mit denen sich der Verein fünf Spielzeiten lang in der höchsten Amateurklasse behaupten kann.
Die Ausstrahlung des Traditionsvereins ist stark und zieht ein halbes Jahrzehnt später sogar eines der größten Talente an, das der Fußball in dieser Zeit zu bieten hat. Von Rot-Weiß Wacker Bismarck meldet sich ein gewisser Matthias Herget am Trinenkamp an. „Ich bin im letzten A-Jugend-Jahr zu 07 gegangen, habe aber schon mit 17 in der ersten Mannschaft gespielt. Wir hatten eine gute Mannschaft“, erinnert sich Herget an seine ersten Gehversuche in der Landes- und Verbandsliga. 1976 wechselt Herget zum VfL Bochum. 07 erhält 50.000 Mark Ablöse, ein kleiner Teil der Summe fließt als Ausbildungsentschädigung in die Kasse von Wacker Bismarck. Weitere Stationen sind RW Essen, Bayer Uerdingen und schließlich doch Schalke 04, wo ihn sein bereits mit 49 Jahren an einer Staublunge verstorbener Vater Alfons als Jugendlicher nicht hatte spielen sehen wollen.
Warum beim SC 1984 der Super-GAU eintritt, hat auch mit der Starrköpfigkeit Wellhausens zu tun. „Die finanziellen Ansprüche der Spieler waren immer größer geworden, doch es war kein Geld da“, erklärt der Vorsitzende. „Es war keine Substanz mehr im Verein, ich war allein auf weiter Flur. Und statt nach vorher relativ hohem Niveau in der Kreisliga weiter zu machen, darauf hatte ich keine Lust. Da habe ich den Sportclub gleich ganz aufgelöst.“
Nur mit fehlender Lust allein ist der Vorgang indes nicht zu erklären. „Der Verein hatte beim Amtsgericht Gelsenkirchen Konkurs angemeldet“, weiß Nadrowski, „es sollen 120.000 DM Verbindlichkeiten aufgelaufen sein, die keiner bezahlen konnte. Um die Schulden los zu werden, folgte der Rückzug.“ Seitdem ist der Gelsenkirchener SC 07 Geschichte.