Er ist Kapitän und Libero in Essen. Am zehnten Februar 2004 feiert Heiko Bonan seinen 38. Geburtstag. Der ewig junge Bonan kann bisher auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken. Ein Highlight war sicherlich sein zweiter Einsatz in der Nationalmannschaft der ehemaligen DDR. Im September 1990 gewann er durch zwei Tore von Matthias Sammer in Brüssel gegen Belgien das letzte Match der DDR mit 2:0. Zum Ende der Hinrunde nahm sich der 122 fache Bundesligaakteur (12 Tore) Zeit, um mit RevierSport über die abgelaufene Hinrunde und seine persönliche Zukunft zu sprechen.
Heiko Bonan, der Rückstand auf einen Aufstiegsplatz beträgt drei Zähler. Was ist in der Rückrunde möglich? Ich habe absolut das Gefühl, wir haben noch unausgeschöpftes Potenzial. Starten wir genau so schlecht wie in der Hinrunde, haben wir keine Chance. Wird aber nicht passieren, da Jürgen Gelsdorf uns super vorbereiten wird. Vielleicht haben wir auch als Verein noch die Möglichkeit, personell etwas zu machen.
Wo besteht Ihrer Meinung nach Handlungsbedarf? Wir haben uns unterhalten und sind uns einig, dass wir im Sturmzentrum die größten Probleme hatten. Auch wenn Benjamin Köhler für mich eine überragende Entwicklung hinter sich hat und wir die meisten Treffer erzielt haben, fehlt uns ein Centerspieler. Ich habe aber noch Dirk van der Ven auf der Rechnung. Kriegt er die Kurve, ist er für mich immer noch ein überragender Regionalliga-Kicker.
Warum hat die Elf bei Spitzenmannschaften keinen Rückstand umbiegen können? Wir haben einfach ein Problem. Wir begeistern vor eigenem Publikum. Auswärts können wir das nicht abrufen, weil wir nicht die nötige Konstanz besaßen. Das muss sich ändern. Wenn ich mir unsere Truppe anschaue, sehe ich viele Jungs, die vom Potenzial in der Regionalliga nichts zu suchen haben. Auch in diesem Bereich werden wir uns verbessern. Trotzdem würde ich es begrüßen, wenn wir als kleinste Elf der Liga noch einen Mann dazu bekämen, der bei Rückständen vorne mal den Kopf hinhalten kann und aus dem Nichts trifft.
Was bei Misserfolg passiert, spürt man in Essen sehr schnell, korrekt? Was hier abgeht, ist der Wahnsinn. Ein eigentlich positiv verrückter Club. Das habe ich nirgends erlebt. Gewinnen wir, ist das ganze Stadion euphorisch. Verlieren wir, ist zwei Wochen später an gleicher Stelle eine Stimmung, als wäre alles verloren. Daher habe ich nach der Pleite in Bremen gesagt: Es ist noch nichts verloren. Letztes Jahr um diese Zeit haben bei fünf Punkten Vorsprung alle gefeiert, sahen uns schon in der zweiten Liga. Am Ende waren wir abgeschlagen Dritter.
Geht es also nur mit den Fans? Genau. Ich kenne viele Spieler der anderen Vereine. Vor den Partien plaudert man auf dem Feld. Und es war teilweise so, dass die Gegner nur eine Taktik hatten. Es hieß, wir stellen uns einfach hinten rein und warten, bis die RWE-Fans anfangen zu pfeifen. Vor dem Chemnitz-Match habe ich gesagt. Darauf habe ich keinen Bock mehr. Seitdem hat es sich so entwickelt, wie es sein muss. Wir geben alles auf dem Feld und die Anhänger sind wieder unser zwölfter Mann.
Sie spielen in der Abwehr noch den klassischen Libero. Sind Sie der letzte dieser Art? Von der Papierform bin ich sicherlich einer der ganz wenigen echten Liberos. Ich bin Fan von der Leverkusener Spielweise, mit der sie bis ins Finale der Champions League gekommen sind. Dort haben sie mit Dreierkette und verkapptem Libero agiert. Von der Viererkette halte ich persönlich nicht viel. In der Aufstellung sind wir viel zu anfällig. Ich wäre hierzu sicherlich nicht der richtige Mann.
Wie geht es eigentlich nach der Saison mit dem Sportler Heiko Bonan weiter? Ehrlich gesagt. Gedanklich bin ich noch gar nicht soweit. Vielleicht ein Fehler. Für das nächste Jahr habe ich mich jedenfalls für den Fußball-Lehrer-Lehrgang in Köln beworben. Das ist eine Option, da der DFB den Kurs erstmals bereits ab Juli anbietet. Sollte meine Karriere beendet sein, könnte ich vielleicht gleich in die nächste Sache reinrutschen. Auf der anderen Seite ist es natürlich unglaublich schwer loszulassen. Wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, ist es einfach eine geile Geschichte, ständig junge Leute um sich zu haben. Das hält mich selber jung. Ich hoffe nur, ich verpasse nicht den richtigen Moment aufzuhören.
Was sagt Ihr Körper? Bisher sind Sie von schweren Verletzungen verschont geblieben. In letzter Zeit habe ich schon einige Probleme. Ich kenne das von einem Kollegen aus Magdeburg. Er war über 30 und war nie verletzt. Dann hatte er eine Schulterblessur, ähnlich wie ich. Anschließend war er ständig außer Gefecht. So komme ich mir momentan auch vor. Erst war die Schulter kaputt, dann riss mir das Innenband. Aktuell habe ich zum ersten Mal in meiner Karriere wegen einer Muskelverletzung aussetzen müssen. Jetzt bin ich froh, dass die Winterpause erreicht ist. Mit vier Wochen Urlaub und einer guten Vorbereitung geht dann in den letzten 15 Matches hoffentlich noch mal richtig die Post ab.
Wann setzen Sie sich mit dem Verein zusammen, um Ihre Zukunft zu klären? Ich habe vom Trainer ein super Angebot bekommen. Wir setzen uns im Januar mit Frank Kontny an einen Tisch und checken, wie ist die Situation. Vielleicht gibt es auch die Gelegenheit, den Trainerweg schon zu bestreiten. Mal schauen, was im Januar beschlossen wird.
Hoffen Sie auf eine Zukunft bei RWE? Wenn ich aufhöre, wäre es schon klasse, hier was machen zu können. Ich mache mir aber nichts vor. Schaffen wir den Aufstieg nicht, gibt es in Essen vielleicht keine Möglichkeiten, den Trainerstab, zum Beispiel der Jugend, auszubauen. Daher ist es auch so schwer, zu planen. Ich hätte sicherlich Ambitionen, in der Richtung was zu machen. Aber ich kann auch nicht bis zum Juni warten, ob wir aufgestiegen sind. Die Weichen müssen vorher gestellt werden...
.....ob vielleicht auch weiter mit dem Libero Bonan geplant wird? Kann passieren. Ich warte ab. Es gibt so viele Möglichkeiten. Vielleicht sagt der Coach, dass er nicht mehr mit mir plant. Dann wäre ich beim besten Willen nicht böse, da der Zeitpunkt irgendwann kommen muss. Ich habe es lieber, wenn mir klar gesagt wird, es reicht nicht mehr.
Wie verbringen Sie die vier freien Wochen? Ich bin nur drei Tage mit meiner Frau in Hamburg und schaue mir den König der Löwen an, einfach etwas abschalten. Vielleicht besuchen wir noch die Partie HSV gegen Freiburg. Ich möchte meiner Frau dieses tolle Stadion zeigen. Die restliche Zeit erhole ich mich daheim. Anschließend hoffe ich, die Vorbereitung zu überstehen. Es graut mir schon davor. Sieben Wochen in meinem Alter. Ich habe aber das Glück, dass der Trainer mich mitentscheiden lässt. Ich werde mich also nicht kaputt trainieren.
Interview: Christian Brausch