Aufsteiger Wenn sie nicht aufpasst, am Ende noch die ganze Mannschaft. Doch im Ernst: Den Aufsteiger aus der Mannschaft herauszufinden, ist kein leichtes Unterfangen. Schließlich macht gerade die Leistungsdichte auf hohem Niveau den Erfolg der Essener aus.
Im Tor hat Dennis Lamczyk den offenen Dreikampf durch die Verletzung von Philipp Kunz früh für sich entscheiden. Er rechtfertigt seine Position als Nummer eins aber mit unaufgeregt-souveränem Torwartspiel. Auch wenn er in vielen Partien wenig Gelegenheit bekam, sich auszuzeichnen, konnte er spätestens mit Auftritten wie in Aachen beweisen, dass er jederzeit in der Lage ist, einen Sieg festzuhalten und so zur festen Größe im RWE-Tor gewachsen ist.
Meik Kuta hat den größten Aufstieg hinter sich. Man kann gar nicht oft genug betonen, dass der 20-Jährige in der Vorsaison noch beim GSV Moers in der Landesliga gekickt hat. Nach anfänglichen Umstellungs- und Verletzungsproblemen profitierte er schließlich selbst von Kevin Lehmanns Ausfall. Der Offensivmann machte links hinten fortan eine derart starke Figur, dass es sich Trainer Waldemar Wrobel in der Rückserie kaum noch erlauben kann, ihn draußen zu lassen. Immer mit enorm viel Dampf in der Vorwärtsbewegung und dem vielleicht schnellsten Antritt der Liga, aber auch der nötigen Zweikampfhärte ausgestattet, ist Kuta links einfach an allen vorbeigezogen.
Timo Brauer wollte vor der Saison eigentlich etwas höher hinaus. Trotz Probetrainings bei den Reserveteams von Werder Bremen oder Borussia Dortmund ließ sich der gebürtige Essener jedoch überzeugen und blieb an der Hafenstraße. Das verschaffte ihm zunächst den Aufstieg zum Kapitän. Doch auch auf dem Feld ist Brauer vom talentierten „Rookie“ der Vorsaison zum Motor des RWE-Spiels aufgestiegen. Als emsiger Ballschlepper mit viel Übersicht und präzisem Passspiel kurbelt Brauer nahezu alles irgendwie mit an, was sich in Richtung des gegnerischen Tores bewegt. Und wenn‘s sein muss, verwandelt er Elfer. Allein schon deshalb hätte es sich der 20-Jährige verdient, sich erneut eine Klasse höher zu beweisen.
Leon Enzmann ist aufgrund der Klasseleistung des gesamten Teams beinahe durchgegangen. Dabei ist der offensive Mittelfeldspieler mit seinen sechs Treffern bester RWE-Torschütze der laufenden Saison.
Absteiger
Sind in dieser Mannschaft kaum auszumachen. Vielleicht blieb Viktor Huschka hinter den Erwartungen zurück. In der Vorbereitung deutete der quirlige Angreifer seine Qualitäten an, mit denen er stets sofort nach Einwechslung für Unruhe sorgte. Doch nicht mal als ernsthafter Joker kam der von der Dortmunder A-Jugend an die Hafenstraße gewechselte Angreifer zuletzt noch zum Einsatz.
Bitter ist die Hinrunde auch für die Langzeitverletzten Philipp Kunz, Kevin Lehmann, Sebastian Pilch oder Damir Ivancicevic verlaufen, die zuletzt keine Chance hatten, sich als Alternativen zu präsentieren und nun vor der Herausforderung stehen, sich in ein stabiles Mannschaftsgefüge einzugliedern.
Zudem gibt es derzeit keinen Anlass, plötzlich ein Rotationsprinzip einzuführen. Sollten alle Verletzten wiederhergestellt sein, steigt der Konkurrenzkampf und Wrobel hat ein Luxus-, die Rekonvaleszenten ein Praxisproblem. Problem In der Sturmzentrale fehlt die Alternative zu Lukas Lenz. In der Portokasse aber das nötige Kleingeld, die Lücke zu schließen. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, hat sich die Sturmspitze in der Hinserie bislang verletzungsfrei gehalten. Sollte Lenz aber doch mal längerfristig ausfallen, stünden mit Viktor Huschka oder Meik Kuta lediglich völlig andere Stürmertypen zur Verfügung, was nicht ohne Folgen für das gesamte Spielsystem bleiben kann.
Als Ultima Ratio könnte Wrobel allenfalls den gelernten Stürmer Vincent Wagner aus der Innenverteidigung nach vorn beordern, hätte aber damit im Defensivverbund eine neue Baustelle aufgerissen. Glücklich sind diese angedachten Lösungen allerdings durch die Bank nicht.
Zudem wartet die Mannschaft auf erste Negativerlebnisse. Neben der Niederlage gegen den VfB Hüls waren ein Resultat wie das 1:1 gegen den VfB Speldorf schon beinahe die bittersten Erlebnisse der Saison. Es bleibt abzuwarten, wie die Mannschaft mit Rückschlägen und möglicherweise auch lautstarker Kritik von den Rängen umzugehen versteht. Auch wenn das Team derzeit nicht mal entfernt den Eindruck macht, sich von solchen Widrigkeiten umwerfen zu lassen.
Zukunft Rot-Weiss Essen ist drauf und dran, den Zwangsabstieg und das Planinsolvenzverfahren als das zu begreifen, was es ist: eine beinahe historische Chance für den Klub. Dass RWE in wenigen Wochen schuldenfrei dastehen könnte, dass das neue Stadion auf den Weg gebracht wurde, dass mit Michael Welling ein offenbar besonders geeigneter Mann das Ruder übernommen hat, all dies ist mittelbar auch dem sportlichen Erfolg geschuldet.
Die Mannschaft begeistert neben tadellosen Resultaten auch mit tollem Fußball und mobilisiert für Fünfliga-Verhältnisse regelrechte Zuschauerströme. Es fehlt jedoch die Nagelprobe, der Misserfolg. Wie reagieren Zuschauer, Fans, Sponsoren, kurz: das komplette Umfeld? Sicherlich werden sich dieser Rückschläge irgendwann einstellen. Warum aber nicht nur in Form einer oder zweier Niederlagen? Dass die Mannschaft komplett von ihrer Linie abrückt, ist derzeit nicht auszumachen.
Dafür sorgt nicht nur Trainer Waldemar Wrobel. Denn der Coach selbst attestiert der Mannschaft, dass sie sehr selbstkritisch mit der eigenen Leistung umgehe. Beispielsweise in Aachen sei die Halbzeitansprache beinahe aus der Mannschaft selbst gekommen. Und da RWE im zweiten Halbjahr 2010 auch die schwierigen, engen Partien gewann, zeigt sich alleine darin schon ein Reifeprozess. Dieser wird sich nach der Winterpause sicherlich noch fortsetzen. Sollte RWE zudem von größerem Verletzungspech verschont bleiben, spielt die Mannschaft bis zum Schluss ganz oben mit und ist ein ernstzunehmender Aufstiegskandidat.