Gähnende Lehre herrscht im Stadion Rote Erde. Gerade einmal 1909 Zuschauer haben sich hierhin verirrt. So muss man das nennen, denn in diesem großen Stadion gehen sie fast unter. Die eine Hälfte sitzt auf der überdachten Tribüne, die andere steht auf der Gegengeraden. Der Biergarten im Stadion hat schon zwei Bierwagen dicht gemacht, weil einfach nichts los ist. „Es ist wirklich schade, wie wenige hier sind“, sagt Spielermutter Bettina Schwarz enttäuscht.
Ihr Sohn spielt beim Hombrucher SV und sie steht bei jedem Heimspiel am Rand, meistens nur mit wenigen anderen Fans. „Man hätte die Dortmunder Amateurmannschaften irgendwie verpflichten müssen heute Abend zu kommen. Schließlich ist das Spiel ja für die. Aber das scheint denen ja egal zu sein.“ Auch Peter Gebauer, Angehöriger von Mengede 08/20, ist erstaunt. „Komisch auch, das so wenige BVB-Fans da sind. Wann haben die denn schon mal die Möglichkeit, so nah an ihre Stars heran zu kommen.“
Von vielen Seiten ist die Unzufriedenheit über die geringe Zuschauerzahl heute Abend zu hören. Auch der Kreisvorsitzende Jürgen Grondziewski hatte auf ein größeres Interesse gehofft. „Ich bin sehr enttäuscht. Ich hab schon gedacht, dass mindestens doppelt so viele kommen würden. Vielleicht wäre ein anderer Zeitpunkt für ein Freundschaftsspiel besser gewesen.“
Den kalten und regnerischen Abend im November stellt auch Michael, ein bekennender Anhänger des ASC 09 Dortmund, in Frage. „Sowas muss man im Sommer machen. Dann kommen auch Leute. Aber so ist das doch lächerlich. So verdienen die doch nichts daran.“ Geld verdienen ist das Stichwort. Denn das fehlt den Amateurklubs. Und jetzt kommt auch noch das Sonntagsspiel der Bundesliga um 15.30 Uhr, das den Amateurligen die letzten Verbliebenen auf dem Sportplatz klaut. „Sogar Leute aus dem Verein sagen ja schon, dass sie sich lieber das Spiel im Fernsehen angucken wollen anstatt die Erste Mannschaft zu unterstützen. Dieser Termin tut dem Amateurfußball richtig weh“, schaltet sich Gebauer hörbar enttäuscht ein. Als Schatzmeister von Mengede 08/20 sitzt er an der Quelle der Finanzen und weiß, wie es um den Amateurfußball steht.
Fast jeder hier kennt einen der Spieler auf dem Platz. Mitten unter den Zuschauern und schön im Trockenen sitzt auch BVB Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Er sieht bei den veränderten Anstoßzeiten im Profifußballs kein Problem für den Amateurfußball. Bei seinem Heimatverein SV Rot-Weiß Erlinghausen im Sauerland ist Watzke 1. Vorsitzender und weiß daher, wie es um den Amateurfußball steht. „Seit 15 Jahren haben die doch schon Probleme mit den Zuschauerzahlen“, erklärt er nüchtern. „Die Leute gehen allgemein weniger zu Dorffesten und interessieren sich nicht, was um sie herum passiert.“ Savvas Kalpakidis stimmt dem BVB-Finanzchef zu. Sein Sohn spielt beim TuS Eving und heute Abend bei der Auswahlmannschaft mit. „Das Spiel um 15.30 Uhr ist doch nur ein Problem, wenn der BVB spielt. Aber wie oft kommt das schon vor?“ Kalpakidis bekennt Farbe: „Wenn ich mich entscheiden müsste, dann für den TuS Eving.“ Worin sich alle einig sind: Nicht alleine der BVB nimmt dem Amateurfußball die Zuschauer.
Es ist 20.30 Uhr. So langsam leert sich das Stadion Rote Erde wieder. Dabei ist das Spiel noch in vollem Gange und die Auswahlmannschaft liegt nur mit 2:0 zurück. Am Regen kann es auch nicht liegen, schließlich haben alle Besucher die Möglichkeit sich auf der überdachten Sitzplatztribüne vor eben diesem zu schützen. Haben die denn alle einen wichtigen Termin? In 15 Minuten fängt zuminedst die Championsleague an und der FC Bayern München und der VfL Wolfsburg spielen.
So wirklich scheint sich hier in Dortmund tatsächlich keiner für den Amateurfußball zu interessieren. Ob es wirklich an den Anstoßzeiten des Profi fußballs liegt...?