Vor dem WM-Viertelfinale gegen Argentinien am Freitag (17.00 Uhr/live in der ARD und bei Premiere) hat Bundestrainer Jürgen Klinsmann noch einmal Werbung in eigener Sache betrieben und die Vorzüge seiner Philosophie verdeutlicht. "Wir sind durch unsere Arbeit die finanzielle Lokomotive im deutschen Fußball", sagte Klinsmann in einem Interview mit dem Fachmagazin kicker (Donnerstag-Ausgabe): "Wir spielen die Sponsoren ein, wir spielen volle Stadien ein, wir spielen die höchsten Einschaltquoten seit Jahren ein. Wir haben einen Imageaufbau einer Mannschaft geleistet, die offen ist für Medien, Sponsoren und Zuschauer. Und das Allerwichtigste: Wir haben eine Identität aufgebaut mit einer Spielphilosophie"
Die Umsetzung dieser Philosophie auf allen Ebenen des deutschen Fußballs ist eines von Klinsmanns größten Anliegen. "Wenn man daran glaubt, muss diese Philosophie in der Trainingslehre, Trainerausbildung, in den Junioren-Nationalmannschaften des DFB und auch an der Basis in den Landesverbänden umgesetzt werden", sagte der 41-Jährige in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit (Donnerstagsausgabe).
"Es muss ein gewaltiger Ruck durch Fußball-Deutschland gehen"
Der Weltmeister von 1990 sieht in der Umsetzung seiner Philosophie die einzige Chance, um international nicht den Anschluss zu verlieren. "Es muss ein gewaltiger Ruck durch Fußball-Deutschland gehen", sagte Klinsmann in Anlehnung an den Bundespräsidenten a.D. Roman Herzog, der am 26. April 1997 seine legendäre "Ruck-Rede" gehalten hatte.
In einem Einzug des deutschen Teams ins WM-Finale sähe der Bundestrainer die Voraussetzung für die Fortsetzung seiner Spielphilosophie: "Wenn wir rausfliegen würden gegen Argentinien, ginge die Diskussion wieder los: Wäre es nicht besser gewesen, abzuwarten? Erstmal hinten dichtzumachen? Auf Konter zu lauern? Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir weiterkommen, noch weiter, bis zum Endspiel. Vor allem, damit dieser Prozess das einzig entscheidende Gütesiegel bekommt: den Erfolg. Und wir werden ihm dieses Gütesiegel verpassen", sagte Klinsmann und erstickte mögliche Gedankenspiele über eine Kürzung des finanziellen Aufwandes für den Stab mit Fitnesstrainer, Psychologen und Scouts bereits im Ansatz: "Das wäre der total falsche Ansatz", meinte Klinsmann im kicker. Überhaupt sei der Stab nicht zu teuer: "Wer das behauptet, betreibt Meinungsmache. Das ist absoluter Nonsens. Was wir in Anspruch genommen haben, haben wir zigmal, wirklich zigmal reingespielt."
Bundestrainer weiß, "wie zerbrechlich die ganze Sache ist"
Noch habe sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nicht zu seiner offensiven Philosophie und den Trainingsinhalten bekannt. "Im Moment warten alle das Ergebnis der WM ab", erklärte Klinsmann. Die in jüngster Zeit zahlreichen Bekenntnisse zu seiner Person seien nicht entscheidend. Das derzeitige Schweigen vieler Fachleute von Franz Beckenbauer bis Günter Netzer zeige, "wie zerbrechlich die ganze Sache ist", sagte Klinsmann weiter.
"Das, was wir machen, ist einfach internationaler Standard. Das ist der Fußball vom FC Barcelona, von Arsenal London, von Ajax Amsterdam. Zwischen den deutschen Topteams und diesen Mannschaften liegen Welten", erneuerte Klinsmann seine wiederholt geäußerte Kritik an der Arbeit in den Bundesliga-Klubs. Jeder wisse jetzt: "Das alles können deutsche Fußballer! Wenn sie richtig geführt werden und richtig trainieren."
"Brauche keinen Kader von 30 Spielern"
Stimmen der Vereine, der vom DFB betriebene finanzielle Aufwand sei auf die Vereine nicht übertragbar, weist Klinsmann ebenfalls zurück. "Wenn ich einen Verein führen würde, würde ich lieber vier Fitnesstrainer für je 50.000 Euro beschäftigen und dann eben für einen Spieler 200.000 Euro weniger ausgeben oder einen Transfer weglassen. Ich brauche keinen Kader von 30 Spielern, sondern von 20 bis 22."
Bei der Frage nach seiner Zukunft wollte sich der Bundestrainer erneut nicht festlegen. Er könne sich "jederzeit" vorstellen, nach der WM wieder in seinen beruflichen Alltag bei der amerikanischen Firma SoccerSolutions, deren Teilhaber er ist, zurückzukehren: "Einfach, weil ich weiß, was ich in den Jahren davor gelernt und geschätzt habe, an der Arbeit mit meinen Partnern in unserer Firma."
Engagement als Vereinstrainer momentan kein Thema
Über seine Zukunft als Trainer sagte Klinsmann zudem: "Ich gehe auf in dieser Tätigkeit, ja. Auf der anderen Seite lasse ich mich aber nicht auffressen." Dieser Job sei es keine Droge, keine Sucht für ihn. Ein Engagement als Vereinstrainer komme für ihn "momentan nicht in Frage".