2000 wurde der FCR Duisburg Deutscher Meister! Es wird Zeit, dass man diese Euphorie erneut im Revier verspürt. Aktuell wurde die Mannschaft von Coach Dietmar Herhaus, der seine erste Bundesligaspielzeit erfolgreich bewältigte, deutscher Vizechampion, bei der Vorgabe für die kommende Spielzeit beißen sich die Verantwortlichen in Duisburg nicht auf die Lippen oder stopfen sich gegenseitig Knebel in den Mund. Der Club - Team, Führungsspielerin Inka Grings, Trainergespann und Bosse - sind komplett rattig auf den Lorbeer, die Kampfansage in Richtung 1.FFC Frankfurt und vor allen Dingen Turbine Potsdam wird konsequent und kackenfrech formuliert. Warum? Weil man es sich leisten kann, weil alles ander sowieso unlogisch wäre. Weil sich zum Beispiel Boss Ferdi Seidelt vom Intervieer einen Vogel zeigen lassen müsste, wenn er jetzt mauern würde. Genau das weiß Seidelt...
Ferdi Seidelt, es hat zwar zum Schluss nicht zu einem Titel gereicht, auch nicht für den internationalen Wettbewerb. Sie lassen sich aber Ihre Zufriedenheit nicht nehmen - korrekt? Absolut! Vize in der Halle...
...beim DFB-Masters... Vize in der Liga, Berlin nur um Haaresbreite verfehlt. Dietmar Herhaus hat in einem aufwändigen Prozess aus einer Ansammlung von Spielerinnen eine verschworene Mannschaft geformt.
Leider kam der Sieg über einen der beiden anderen Großen erst zum Schluss. Dafür aber schick heftig - oder? Klar, nach den beiden Unentschieden und der Pech-Niederlage...
...beim 1:2... in Potsdam haben wir durch das 4:0 gegen den FFC Frankfurt gezeigt, dass wir nicht nur aufgeschlossen, sondern uns ganz oben etabliert haben. Als schicker Europapokalsieger-Besieger haben wir uns einen heftigen Schluck Pils gegönnt. Dann aber den Mund abgewischt und nach vorne geblickt.
Die Tabelle lügt nicht, Duisburg ist die zweite Kraft in Deutschland. Sie denken immer progressiv, der FCR 2001 muss in der neuen Spielzeit Meister werden - gehen Sie ran? Unser Trainer und Sportvorstand Dieter Oster haben das Team noch einmal qualitativ nachverdichtet. Nach zwei Vize-Meisterschaften wollen wir den Titel. Doch Potsdam ist immer noch in der Vorwärtsbewegung, der FFC Frankfurt hat sich gezielt verstärkt. Bleibt ein Blick auf Bad Neuenahr, auch auf den HSV.
Mal konkret, Hand auf das Herz, warum verstecken, Sie haben sich gut verstärkt, haben Sie das Zeug, Titel und Pokal zu holen? Ist richtig. Seit Dietmar Herhaus bei uns ist, wollen viele Spielerinnen zu uns. Erst Iris Flacke, Verena Hagedorn, Annemieke Griffioen - jetzt Viola Odebrecht, Sonja Fuss, Nicole Bender, Lena Hohlfeld. Wir mussten die Schotten dichtmachen, denn wir wollen ja noch unserem eigenen Nachwuchs eine Chance geben. Wir sind gerüstet für ganz große Erfolge.
Inka Grings, wieder herausragende Torjägerin, prescht vor und fordert den Titel. Sie wird sich nicht in ihren Formulierungen bremsen lassen - korrekt? Absolut korrekt. Unsere Sturmführerin denkt wie wir. Wir sind ja auch nicht irgendwer. In der "ewigen" Bundesligatabelle liegen wir knapp hinter dem FFC Frankfurt. In neun Jahren einteilige Liga 1 x 1, 3 x 2, 4 x 3 und 1 x 4 - klar, jetzt wollen wir alles.
Überhaupt Grings: Nationalkeeperin Silke Rottenberg geht nach Frankfurt, die Stürmerin wehrt sich nicht gegen die neue super exponierte Rolle. Erhöhter Druck oder zusätzlicher Sprit im Tank? Eine Spielerin, die sich dermaßen mit dem Verein identifiziert, sich sogar in privat schwierigen Situationen für die Mannschaft aufopfert - das ist nicht nur Sprit, dass ist Dynamit!
Dietmar Herhaus wurde in seinem ersten Jahr beim FCR 2001 sofort deutscher Vize - Sie müssen zufrieden sein, oder? Klar doch. Wir wussten, dass wir einen exzellenten Fußball-Lehrer bekommen. Wir wussten aber auch, dass er und wir gemeinsam Vergangenheit zu bewältigen haben. Das haben wir geschafft.
Nicht alles lief glatt beim Zusammenwachsen, zum Beispiel wird kein Geheimnis daraus gemacht, dass auch Herhaus und Grings so ihre Problemchen hatten. Kam die Vertragsverlängerung mit dem Coach bewusst früh, um auch ein deutliches Zeichen nach außen zu setzen? Dietmar Herhaus entsprach genau dem Profil, was wir uns vorgestellt hatten. Seine ganzheitlichen Konzeptionen kamen hinzu. Als wir merkten, dass bei Dietmar Herhaus Worte immer auch Taten sind, haben wir ihm den Rücken gestärkt und der Mannschaft gesagt, wo es lang geht.
Was war in dieser Saison besonders auffällig beim FCR 2001 Duisburg, was hat sie besonders gefreut? Die toll angestiegenen Zuschauerzahlen, die Rückrunde mit zehn Siegen, die Strukturarbeit von Dietmar Herhaus, die Harmonie in den Gremien, die Perspektiven für 2007 - es gibt viele Dinge.
Was lernen Sie aus einem beispielhaften Problem wie dem üppig medial begleiteten Trennungsfall Linda Bresonik? Wir hatten die menschliche Komponente in den Vordergrund gestellt. Vielleicht zu lange gewartet. Unser Trainer musste parallel ein Team formen. Vor lauter Mitgefühl darf aber die Mannschaft nicht auf der Strecke bleiben. Jede Spielerin hat das gleiche Recht.
Welche Ideale waren am wichtigsten, die neu vermittelt werden mussten? Unser Trainer ist, wenn man so will, ein Demokrat, kein Diktator. Sein Credo ist, dass sich jede Spielerin ganzheitlich verantworten muss und vor allen Dingen für die Mannschaft da zu sein hat. Ansonsten Offenheit, Ehrlichkeit, Augenhöhe.
Zweifellos wurde eine komplett andere Führungsstruktur präsentiert! In der Tat, Dietmar Herhaus ist ein Team-Worker. Mit seinen Kollegen, dem Funktionsteam, dem Sportvorstand und den Gremien hat er eine Struktur, die in der Liga einzigartig ist.
Welche Hürden müssen Sie noch intern und extern aus dem Weg räumen, um noch besser zu funktionieren? Stufe eins ist, wie gesagt, geschafft. Für die Zukunft haben wir uns intern vorgenommen, die immer umfangreicheren Strukturen innerhalb des Vereins noch mehr miteinander zu verzahnen.
Wie lange kommt der FCR noch ohne einen - nennen wir ihn einmal - hauptamtlichen Manager aus? Mit unendlicher Leidenschaft wird diese Position noch von den Gremienmitgliedern ehrenamtlich ausgeübt. Exemplarisch nenne ich Dieter Oster für den Sport und Uschi Baak für Finanzen, Personal, Geschäftsstelle. Unglaublich, was AR-Chef Knut Baak an Arbeit weghaut. Irgendwann muss eine bezahlte Kraft her. Freiburg, Bayern, Schönebeck sind da besser dran.
Geplant ist, die Frauen-WM nach Deutschland zu holen - Sie müssen jubeln.... Keine Frage, wenn dieses Event nach Deutschland kommt, werden wir als Erste "Hier!" rufen. Frauenfußball ist nicht nur im Kommen, Frauenfußball ist bereits da. Und Deutschland ist im Frauenfußball die Nummer eins!
Negativ: Das Finanz-Aus des FSV Frankfurt, auch Rheine geht es nicht gut. Was muss passieren, um nicht kollektiv Schaden zu nehmen? Ich muss leider auch Brauweiler nennen. Der ruhmreiche FSV hat sich zu großen Teilen selbst hingerichtet, hatte es natürlich gegen den FFC Dietrich nicht leicht. Rheine ist wie Brauweiler auf sich alleine gestellt. Relativ sorgenlos haben es die Frauen von Männer-Bundesligisten, die Erfolgreichen und die, hinter denen eine ganze Region steht.
Auch wenn Sie das Beißholz bei diesem Aspekt raus holen, es gab zu viele deutliche Resultate in der Liga. Leider, der FSV zum Beispiel hat sich kampflos ergeben. Wenn dem FFC als "Nachbarschaftshilfe" 17 Tore geschenkt werden und man sich damit noch brüstet, tut das weh. Noch ist ein Leistungsgefälle nicht zu leugnen, doch es kommt Bewegung rein.
Revier-Konkurrenz belebt das Geschäft, was sagen Sie zur Entwicklung der SG Schönebeck, im zweiten Jahr immerhin schon Platz sechs? Der fulminante Durchmarsch der Nachbarn von der Regionalliga bis ins Mittelfeld der Ersten Liga ist schon respektabel. Manager Willi Wißing ist der personifizierte Ehrgeiz. Entwicklungen finden aber immer nach gewissen Regeln statt.
Die FCR-Jugend wird von allen Seiten permanent gelobt! Andererseits holen Sie externe Akteurinnen, die kaum für die Bank kommen. Wie passt das zusammen? Wenn Dietmar Herhaus vier, fünf, sechs Talente hoch schreibt, sind diese zuerst einmal Lehrlinge. Wenn sie sich durchsetzen wie jetzt zuletzt Corinna Schröder, prima. Da wir höchste Ziele anpeilen, brauchen wir aber auch "fertige" Spielerinnen, um Lücken zu schließen. Beide Aspekte bleiben beim FCR 2001 in der Balance. Aktuell kommen fünf "externe" und fünf "interne".
Abschlussfrage: Sie sind Idealist, was darf auf keinen Fall passieren, um Ihnen diese Einstellung zu nehmen? Weiß ich nicht. Neben der Verantwortung für Familie und Beruf ist in der Freizeit immer Luft für Idealismus. Andere klemmen sich am Wochenende ne Kiste Bier zwischen die Beine, ich mache in Sport. Das ist keine Arbeit im klassischen Sinne, das ist Freude pur.Oliver Gerulat