Keinen hielt es mehr in der 77. Minute auf den Sitzen: Kenan Karaman hatte den Ball gerade zum 3:1 für den FC Schalke 04 im Zweitligaspiel gegen Hannover 96 ins Tor geschoben, da liefen Ersatzspieler und Co-Trainer auf den Platz, warfen sich auf den Torschützen, so viele Steine fielen von den königsblauen Schultern.
Schalke gelang ein 3:2 (1:0)-Zittersieg und Trainer Karel Geraerts der erste Erfolg im zweiten Spiel. Dass er sehr glücklich war und einer optimalen Chancenausverwertung zu verdanken war, interessierte weder den Trainer noch die Schalker Fans.
Geraerts hatte vor dem Spiel gefordert, seine Spieler müssten „Krieger“ sein und er würde nur diejenigen aufstellen, die „richtige Männer“ sein würden. Das führte zu sechs Umstellungen im Vergleich zur 0:3-Blamage beim Karlsruher SC, auch zwei Prominente erwischte es: Kapitän Simon Terodde und der bisherige Abwehrchef Timo Baumgartl saßen draußen.
An seiner 3-5-2-Taktik hielt Geraerts aber fest, durchaus überraschend war, dass er Derry John Murkin in der Dreierkette einsetzte und den formschwachen Henning Matriciani als Schienenspieler auf der rechten Seite. Was Schalkes Offensivspiel gut zu Gesicht stand: Kenan Karaman kehrte nach abgesessener Sperre als Sturmspitze ins Team zurück, er wirkte viel energischer, beweglicher, technisch stärker als Terodde. In der flotten Anfangsphase war Karaman auch an der ersten Chance beteiligt: Er schickte mit einem cleveren Steckpass Bryan Lasme auf die Reise, der scheiterte an Hannovers Torwart Ron-Robert Zieler. Acht Minuten waren da gespielt.
Hannover 96: Zieler - Neumann, Halstenberg, Arrey-Mbi (85. Scott) - Dehm (73. Muroya), F. Kunze, Leopold, Köhn (85. Ezeh) - Schaub (72. Tresoldi), Voglsammer, Teuchert (87. S. Ernst)
Schiedsrichter: Timo Gerach (Landau in der Pfalz)
Tore: 1:0 Lasme (42.), 1:1 Leopold (52.), 2:1 Tempelmann (72.), 3:1 Karaman (77.), 3:2 Halstenberg (90./Foulelfmeter)
Zuschauer: 62271
Gelbe Karten: Murkin (2), M. Kaminski (4), Fährmann (1), Ouédraogo (2) / F. Kunze (1)
Hannover, als Tabellenvierter angereist, benötigte zehn Minuten, um sich auf die 62.207 Zuschauer und den Gegner einzustellen. In der elften Minute stürmte dann Andreas Voglsammer auf und davon – doch noch vor der Strafraumgrenze wurde er von Tobias Mohr abgefangen. Eine starke Aktion des Schalker Linksverteidigers. Ab dieser Szene war Hannover die technisch stärkere Mannschaft, die immer wieder über die linke Seite angrifft. Derrick Köhn ging gegen Matriciani oft ins Dribbling und setzte sich fast jedes Mal durch. Matriciani war in Schalkes Defensive der Schwachpunkt.
In der 18. Minute holte Köhn gegen Matriciani eine Ecke heraus. Die landete auf dem Kopf von Marcel Halstenberg, der unbedrängt am rechten Pfosten vorbeiköpfte. Das hätte die Führung für Hannover sein können. Köhn selbst hatte auch eine gute Chance: In der 37. Minute düpierte er Matriciani abermals, scheiterte aber an Torwart Ralf Fährmann. Dass Schalkes Defensive zwischen diesen beiden Aktionen hielt, war einer verbesserten Zweikampfführung zu verdanken, eine stärkeren Laufleistung und vielen Fouls der Schalker.
Die Schalker kamen erst in der 42. Minute wieder in den Strafraum – und direkt gelang ihnen das 1:0, ein Tor wie aus dem Nichts. Matriciani hob den Ball in den Strafraum, dort stiegen Karaman und Halstenberg hoch. Halstenberg entschied das Kopfballduell zwar für sich, der Ball landete aber vor Lasmes Füßen, der den Ball locker ins Tor schob. Große Erleichterung in der Arena, es war kein schönes Spiel, die Führung war nicht einmal verdient – aber darüber dachte unter den Schalkern niemand nach.
Hannover zeigte sich gar nicht schockiert. Nur zwei Minuten nach dem Schalker Torjubel bot sich ihnen die riesengroße Ausgleichschance. Köhn – einmal mehr – schickte Voglsammer, doch Ralf Fährmann wehrte den Ball mit dem Fuß ab. Es blieb zur Pause beim glücklichen 1:0 für die Königsblauen.
Die zweite Hälfte begann ausgeglichen – bis in der 52. Minute der Schalker Ron Schallenberg in der gegnerischen Spielhälfte den Ball verlor. Hannover nutzte den Ballgewinn zu einem Konter, der an der Außenlinie bei Derrick Köhn endete, als sich Schalkes Abwehr bereits wieder sortiert hatte. Köhn aber verlud den schwachen Matriciani ein weiteres Mal, spielte einen Rückpass auf den freistehenden Enzo Leopold und der traf flach zum 1:1 ins Eck. Da hatten im Zentrum alle Schalker Abwehrspieler geschlafen.
Fortan war Hannover, analog zur ersten Halbzeit die technisch bessere Mannschaft, die dem zweiten Tor deutlich näher war als Schalke. Und die Chancen hatte: In der 59. Minute verlängerte Voglsammer eine Flanke mit der Hacke ans Außennetz. Drei Minuten später scheiterte Cedric Teuchert an Fährmann. In der 67. Minute schoss Jannik Dehm knapp am linken Pfosten vorbei. Den Schalkern unterliefen viele leichte Abspielfehler. Der Rückstand lag in der Luft.
Den Schalkern gelangen nur gelegentliche Gegenangriffe. Antreiber im Mittelfeld war Lino Tempelmann, mit Abstand bester Spieler seines Teams. Die meisten Angriffe liefen über links. Dort glückten Tobias Mohr einige gute Aktionen. Ihre erste Chance nach dem Wechsel hatten sie in der 72. Minute: Der eingewechselte Assan Ouédraogo spielte einen Querpass auf Tempelmann, der zog aus 20 Metern Entfernung einfach mal ab, und der Ball schlug zentral im Tor ein. 96-Torwart Ron-Robert Zieler sah nicht gut, aber ganz Schalke jubelte. Über die optimale Chancenverwertung, über ein Tor, das dem Spielverlauf nicht entsprach. Das Glück kehrte zurück nach Schalke.
Den nächsten Beweis gab es fünf Minuten nach dem zweiten Tor: An der Mittellinie blockte Derry John Murkin einen Pass von Voglsammer. Der Ball flog in den Lauf von Karaman, der allein aufs Tor zulief, Zieler verlud und das 3:1 erzielte. Der Jubel war groß – doch die Vorentscheidung war das nicht. In der 90. Minute prallten Fährmann und Voglsammer nach einem langen Schlag in den Strafraum zusammen. Fährmann boxte den Ball weg, erwischte aber auch Voglsammer. Schiedsrichter Timo Gerach entschied auf Elfmeter. Alle Schalker protestierten wild, vergeblich. Halstenberg verkürzte auf 2:3.
Es begannen lange sechs Minuten Nachspielzeit, die Schalke mit Glück und Geschick überstand. Nun folgen zwei Auswärtsspiele – im Pokal in St. Pauli (Dienstag, 18 Uhr) und dann in Nürnberg (Samstag, 13 Uhr).