Parallelen? Am 8.März 1970 wurde in Oxford das nur eine Minute dauernde Stück "Breath" des irischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers (1969) Samuel Beckett uraufgeführt. 23 Jahre später, am 8.März 2003, etwa 17.15 Uhr, geht auch etwas einminütiges über die Bühne, der gebürtige Berliner Stefan "Icke" Lorenz kam zu seinem bislang einzigen Bundesligaeinsatz, damals für den VfL Wolfsburg gegen Cottbus (3:2), eingewechselt für Stürmer Tomislav Maric (90.). Derartige Teilzeitarbeit gehört der Vergangenheit an, in der abgelaufenen Aufstiegsspielzeit stand der 1,84 Meter-Mann in der RWE-Viererkette die kompletten 3240 Saison-Minuten auf dem Platz. Dabei erzielte er zwei Tore, beide im ersten Spiel beim 3:0 in Emden. Lorenz, ehemals auch beim BFC Dynamo, kam auf vier Gelbe Karten nach dem 11. Spieltag, danach kassierte er keine mehr. Was bemerkenswert ist: In der Regionalliga-Spielzeit vorab bei Wolfsburgs Zweitvertretung waren es noch elf Verwarnungen in 30 Matches, dazu zwei gelb-rote Kartons. Dafür nur ein Tor. Grund genug, sich mit dem seit Freitag (14 h) standesamtlich und Samstag auch kirchlich mit seiner besseren Hälfte Tanja (Töchterchen Mailin wird im August zwei Jahre) verheirateten Defensivmann (Trauzeuge war natürlich Bruder Michael) zu unterhalten, der als favorisiertes Urlaubsziel die Malediven nennt, und ganz erdig an einem Schnitzel mit Pommes "rot-weiß" nicht vorbei geht.
Stefan Lorenz, Gratulation, haben Sie das Ja-Wort noch nicht bereut?
Nein, natürlich nicht! Am Freitag haben wir den Tag mit einem Sektempfang und Brötchen ausklingen lassen, am Samstag ging es dann zur Sache...
...in einem Berliner Hotel der NH-Kette am Alexanderplatz...
da haben wir die Hütte abgebrannt. Genau gegenüber vom Krankenhaus, in dem ich geboren wurde, das war aber Zufall.
Hand auf das Herz, was kommt besser, Aufstieg oder Heirat?
Jetzt sage ich natürlich Hochzeit, aber vor knapp zwei Wochen war es der Aufstieg. Das passt doch alles gut zusammen. Ich kann mich bestimmt nicht beklagen, auch wenn das Jahr mit dem Tod unserer Mutter keinen guten Start hatte. Ich hatte den Aufstieg und die folgende Eheschließung immer im Auge, diese Etappenziele habe ich erreicht.
Was ist das nächste sportliche Ziel?
Als Mannschaft in der zweiten Liga für Furore zu sorgen und meinen Platz im Team zu behalten.
Aber bitte schön, Sie haben bei der Gesamtspielzeit gewissermaßen den Jackpott geknackt, wenn so was kein Stammplatz ist?
Wenn die Medien das so verbreiten, wird das wohl schon stimmen. Das war schon eine Bombensaison. Ich durfte auf mich aufmerksam machen, als ich nach Essen kam, konnte man mich stellenweise nicht buchstabieren. Andererseits genau das war auch mein Vorteil. Die Erwartungen waren irgendwie bei Null, ich konnte durchstarten.
Der 8. März 2003 ist im Kopf, oder?
Aber selbstverständlich, mein einziges Bundesligaspiel, knapp 90 Sekunden ohne einen einzigen Ballkontakt. Ich habe jetzt den absoluten Ansporn, daraus weitaus mehr zu machen.
Erklären Sie Ihr Phänomen mit den gelben Karten!
Ich muss natürlich auch den Vorderleuten ein Kompliment machen, die prima nach hinten mitgemacht haben. Es ist einfacher, wenn man gute Kollegen um sich herum hat. Irgendwann war es echter Ansporn, diese fünfte Verwarnung zu vermeiden.
Nicht auch ein Zeichen von persönlicher Qualität?
Wenn Sie das so sagen wollen, dürfen Sie das.
Wie lange soll sich RWE in Liga zwei tummeln?
Realistisch gesehen, pusten wir ein Jahr durch. Ich habe bis 2008 Vertrag, optional bis 2009, bis dahin sollten wir über andere Ziele nachdenken. Jena hat jetzt in der Regionalliga einen Durchmarsch gezeigt, aber so was ist unheimlich schwer. Schön wäre es, gut zu starten, möglichst nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben. Wenn wir dann noch wenig Gegentore kassieren, habe ich meinen Job gut gemacht.
Ali Bilgin, eine Identifikationsfigur für die Fans, geht. Man darf Sie aufgrund Ihrer Art, sich auf dem Platz und auch abseits des Spiels zu präsentieren, durchaus als idealen Hafenstraßenakteur bezeichnen - Widerspruch?
Ich könnte auch in Essen alt werden, diese Anhänger liegen mir am Herzen, ich bin es auch gewohnt, lange bei einem Club zu sein. Wenn weiter so kontinuierlich gut gearbeitet und etwas auf die Beine gestellt wird, kann sich jeder sicher sein, dass ich immer voll mitziehe. Die Leute sollen sehen, dass der Lorenz sich zerreißt, das ist dann auch für mich eine Genugtuung.