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Wie der BVB die Spielerhirne updatet
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BVB: Wie der BVB die Spielerhirne updatet
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Sie müssen auf einem Bein stehen, jonglieren – und das mit Augenklappe. Horst Lutz unterzieht die Spieler von Borussia Dortmund bizarren Übungen.

Müssten sich nicht eigentlich alle Spezialisten vernetzen – Psychologen, Physio-Therapeuten, Sportärzte –, um optimalen Erfolg zu erzielen? Das wäre sinnvoll. Ich würde mich gern mit den Kollegen zusammensetzen und ein bisschen philosophieren. Interdisziplinär zu arbeiten bringt immer mehr, als wenn man für sich allein ist. Nun sind Sie ja alle in Diensten verschiedener Vereine. Könnte die Konkurrenz einen wissenschaftlichen Austausch verhindern? Möglicherweise. Es gibt sicherlich Vereine, die sagen: »Durch diese Methoden haben wir uns nun einen Vorteil verschafft, den sollen andere nicht auch haben.« Schauen Sie auf die ballorientierte Raumdeckung: Das ist mittlerweile überall Standard – eine Art Patt-Situation. Nun halten die Vereine Ausschau nach Wissensvorsprüngen. Halten Sie es für möglich, dass Spezialisten wie Sie irgendwann einmal gehandelt werden wie Spieler? Das könnte ich mir schon vorstellen. Lieber wäre mir, wenn beim Einstellungsgespräch für Mitglieder des Trainerstabes bestimmte Schlüsselkompetenzen wie »Life-Kinetik« gleich mit abgefragt würden, damit wir es schaffen sie in das Fußballtraining zu integrieren. Bislang trainieren wir ja mit den meisten Spielern isoliert Life Kinetik, also losgelöst vom Fußballtraining, obwohl es mein Programm auch fußballspezifisch gibt. Um Kompetenzen an seine Spezialisten abzugeben, muss ein Trainer seinen Alleinherrscheranspruch aufgeben können. Ist das der zentrale Unterschied zwischen der neuen und der alten Trainergeneration? Ja, das trifft zu. Sie sind offener und bereiter, Vertrauen zu geben. Es ist ja nicht ganz einfach, sich den richtigen Spezialisten zu suchen, der auch zur Mannschaft passt. Wenn es passt, dann entsteht ein Team, das über Jahre zusammen bleibt, auch wenn der Chef zu einem anderen Verein geht. Er kann einfach nicht alles allein machen. Das merke ich auch und muss selbst delegieren. So arbeite ich zum Beispiel mit den ehemaligen Profis Bernhard Winkler, Armin Störzenhofecker und Oliver Otto zusammen. Sie sind meine Spezialisten für den Fußball – und ich muss ihnen vertrauen können. Spieler sind zum Humankapital geworden, die Vereine wollen Dividende erzielen. Hat das den Einzug der Wissenschaft erleichtert? Ich kann mir vorstellen, dass ein kleinerer Verein, der vom Verkauf von Talenten lebt, diesen Gedanken hegt. Das würde auch perfekt passen: Je früher man mit dem Wahrnehmungstraining beginnt, desto besser. Im deutschen Skiverband ist das schon teilweise so: geplant ist, dass, zusätzlich zum ohnehin schon breit angelegten Training, jeder Athlet vom Kind bis zum Weltcup-Fahrer Life Kinetik macht. Im Jugendfußball ist die Ausbildung hingegen noch viel zu spezialisiert. Wenn sich die Wissenschaft im Fußball etabliert hat, erleben wir dann einen Quantensprung? Davon gehe ich aus. Im Vergleich zu allen anderen Sportarten wird im Fußball am wenigsten trainiert. Natürlich darf man die Spieler nicht kaputt trainieren. Aber es geht ja nicht darum, das Trainingspensum stumpf zu verdoppeln, sondern eine Ausgewogenheit zwischen verschiedenen Übungen herzustellen, damit die Spieler weder geistig noch körperlich überfrachtet werden. Die Spieler werden immer besser. Wird das Spiel es auch? Nein. Es wird zwar alles in einem schnelleren Tempo passieren, man wird weniger Fehler sehen. Aber wenn alle gleichermaßen besser werden, stehen sie immer noch vor den gleichen Schwierigkeiten: Der Stürmer, der stärker geworden ist, steht vor einem Verteidiger, der stärker geworden ist. Das Ergebnis eines Wettrüstens. Da kann man so sagen. Der Sportphilosoph Dr. Reinhard Sprenger sagt: »Wenn alle Spieler gleich gut sind, müssen sie lernen, den Zufall zu beherrschen, um den Sieg zu erringen.« Da ist was dran. Auch »Life Kinetik« zielt darauf ab, auf alles was passiert, die richtige Antwort zu haben. Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Was ich trainiere, wird so nie wieder vorkommen. Beim nächsten Mal ist der Rasen drei Millimeter länger, habe ich einen anderen Mitspieler, ist der Ball minimal anders aufgepumpt. Man wird sich also in Zukunft dadurch unterscheiden, wie schnell die Spieler auf äußere Umstände die richtige Antwort finden. Braucht es den Trainer eigentlich noch, wenn der Spieler dermaßen autark ist? Ja. Als Spezialist für Individualtaktik kann ich dem Einzelnen das Rüstzeug geben, in einer bestimmten Situation optimal zu handeln. Der Trainer muss indes die Mannschaft so aufeinander abstimmen, dass der Einzelne auch in der Lage ist, die richtige Antwort zu finden. Das gilt für die Spieler, aber auch für das Team von Spezialisten.

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