Niko Kovac beobachtete an der Säbener Straße gerade entspannt das Auslaufen seiner Ersatzspieler, da blies Uli Hoeneß beherzt zur Attacke. Der mächtige Präsident von Bayern München richtete den Fokus schon voll auf den Bundesliga-Auftakt am Freitag gegen Hoffenheim. Den schwachen Auftritt und den 1:0 (0:0)-Zittersieg im DFB-Pokal bei Dorfklub SV Drochtersen/Assel wollte er lieber schnell "vergessen".
"Ich bin hundertprozentig sicher, dass wir eine sehr, sehr, sehr gute Saison spielen werden", sagte der 66-Jährige am Sonntag bei "Wontorra - der Fußball-Talk" auf Sky Sport News HD. In Drochtersen, das lange an einer Sensation schnupperte, hätten sich seine hochbezahlten Stars mit Blick auf die kommenden Aufgaben wohl nicht verletzen wollen, meinte Hoeneß süffisant.
Den neuen Team-Anführer Niko Kovac bedachte Hoeneß, der sich gewohnt schlagfertig, siegesgewiss und angriffslustig präsentierte, mit einem Extralob. "Schon nach sechs Wochen kann man sagen, dass wir den richtigen Trainer verpflichtet haben", sagte er. Kovac habe das Bayern-Gen, dieses gewisse Etwas, das die Münchner von den größten Verfolgern unterscheidet. Seine Profis waren dagegen am Samstag noch meilenweit von der Form entfernt, die man für einen Angriff in allen Wettbewerben benötigt.
Kovac zeigte sich nach dem Abpfiff zwar äußerlich entspannt, ließ aber seine innere Unzufriedenheit deutlich durchblicken. "Wir waren handlungslangsam. Vom Kopf bis nach unten hat es etwas gedauert", sagte der Trainer des Rekordpokalsiegers im rustikalen Presseraum des Regionalligisten: "Das war ein Spiel, wie es im Pokal passiert. Wir wollten das eigentlich nicht und waren gewarnt."
Es war Robert Lewandowski (81.), der vor rund 8000 Zuschauern im provisorisch ausgebauten Kehdinger Stadion den Finalisten der vergangenen Saison erlöste. Zuvor hatten sich Thomas Müller, Franck Ribery, Arjen Robben und Co. sechs Tage nach dem überzeugenden Supercup-Triumph über Eintracht Frankfurt (5:0) überraschend schwer getan. Ein neues Vestenbergsgreuth schien zeitweise gefährlich nah. Nationaltorhüter Manuel Neuer musste in der 33. Spielminute sogar gegen den sträflich frei gelassenen Drochtesener Florian Nagel retten.
Doch statt 24 Jahre nach der legendären Blamage in Franken wieder Hohn und Spott aus ganz Fußball-Deutschland abzubekommen, konnten die Stars nach dem Abpfiff mit einer guten Portion Selbstkritik einen Haken hinter die ungewöhnliche Dienstreise machen. "Für Bayern München ist es fast schon eine Blamage, wenn man nur 1:0 gewinnt", sagte Joshua Kimmich. "Das war natürlich sehr minimalistisch von uns", sagte Neuer. Begeistert war dagegen SV D/A-Coach Lars Uder: "Für uns ist es keine Niederlage."
Wortlos schlurfte Jerome Boateng zum Mannschaftsbus. Der Weltmeister von 2014 hatte 90 Minuten gespielt - doch ein sicheres Zeichen für einen Verbleib in München war dies laut Hoeneß nicht. Einen Wechsel des Innenverteidigers zu Paris St. Germain bezifferte er auf "50:50". Noch wahrscheinlicher erscheint ein Transfer von Sebastian Rudy zu Schalke 04 oder RB Leipzig. Der 28-Jährige stand in Drochtersen nicht im Kader. Schon in Kürze könnten Entscheidungen anstehen. sid