Der Vorjahresdritte der Fußball-Westfalenliga startet mit null Punkten aus zwei Spielen. Unruhe, Hektik, Nervosität? Suchte man bei YEG Hassel vergeblich. Auch nach den beiden Auftaktpleiten und dem Pokalaus blieb der Verein gelassen, „ich weiß, dass wir bald ins Rollen kommen“, hatte Trainer Hakan Karabal gesagt. Und Recht behalten. Gegen den hoch ambitionierten DSC Wanne-Eickel stieß YEG den Bock um. 3:1, die ersten drei Punkte in dieser Saison.
„Nein, Erleichterung verspüre ich ehrlich gesagt nicht. Weil ich ja auch nicht wirklich angespannt war“
Als der Schiedsrichter die Partie abpfiff, gab es einen kurzen, trockenen Applaus. Von den Zuschauern, und auch von Hakan Karabal. Keine Spur von Erleichterung über einen vermeintlich abgewendeten Fehlstart. Es war quasi ein Abnicken der Erkenntnis, dass dies der erste Saisonsieg war. „Nein, Erleichterung verspüre ich ehrlich gesagt nicht. Weil ich ja auch nicht wirklich angespannt war“, bestätigte Karabal. Die YEGsche Gelassenheit, sie hatte sich ausgezahlt.
Völlig verdient schickte Hassel den Aufstiegsfavoriten aus Wanne-Eickel mit 3:1 wieder nach Hause, als wenn der schlechte Saisonstart inklusive der Pokalniederlage unter der Woche beim klassentieferen SC Münster 08 überhaupt nicht passiert wäre. Ein bisschen Spielglück war allerdings auch dabei. So erzielte Bünyamin Sari die frühe Führung nach starker Vorlage der Gästeabwehr, brauchte den Ball nach dem missglückten Klärungsversuch freistehend nur noch ins Netz schieben (7.). „Das stimmt, in der ersten Halbzeit war auch ein bisschen Glück dabei. Das hatten wir ja in den letzten zwei Wochen nicht, schön, dass es heute wieder da war“, so Karabal.
Dass es trotzdem ausgeglichen in die Pause ging, dafür sorgte Dawid Ginczek. Der Ex-Stürmer des YEG-Lokalrivalen SC Hassel bewies, dass er immer noch genau weiß, wo am Lüttinghof das Tor steht, und setzte in der 24. Minute einen Kopfball sehenswert in den Winkel. Alle weiteren Chancen des ersten Durchgangs blieben ungenutzt. Wanne-Eickels Jan-Niklas Kaiser traf nur das Aluminium (43.), dasselbe hatte Hassels Koray Basar schon nach zwei Minuten getan. Der kleine Flügelflitzer von YEG war es auch, der den Ball nach schöner Vorarbeit von Mesut Özkaya nicht mehr unter die Latte bekam (35.). Insgesamt war es aber kein sehr ansehnliches Spiel. Dass dort zwei Teams auf dem Platz standen, die einen richtig gepflegten Ball spielen können, ging oft unter.
YEG kommt besser aus der Kabine
Das änderte sich in der zweiten Halbzeit. Und verantwortlich dafür war vor allem YEG. Die Fehlstarter aus Hassel kamen besser aus der Kabine, zeigten nun deutlich mehr Willen, das Geschehen selbst in die Hand zu nehmen. „Ich war in der Halbzeitpause richtig entspannt, weil ich wusste, dass wir das Ding nach Hause schaukeln werden“, sagte Karabal. Sein Team hatte nun mehr Ballbesitz, und bekam die Riesenmöglichkeit auf den Führungstreffer. Nach einem Traumpass von Mesut Özkaya war Stürmer Ergün Cakir frei durch, doch die Torchance wurde noch besser: Wanne-Eickels Lukas Ziegelmeir grätschte Cakir voll in die Parade, Elfmeter und Platzverweis.
Seyit Ersoy schnappte sich selbstbewusst den Ball - und vergab. „Elfmeter liegen uns gerade wohl nicht so“, sagte Karabal nach dem Spiel mit einem Lächeln. Das Pokalaus unter der Woche in Münster war durch ein Elfmeterschießen besiegelt worden.
Die Reaktion der Hasseler aber war bockstark. Ali Serhan zog vor dem Strafraum das Tempo an, nahm den Doppelpass mit Mesut Özkaya mit einer Mischung aus Oberarm, Brust und Schulter mit und schoss zum 2:1 ein (67.). Das Tor zählte, trotz lautstarker Protesten der Gäste. Und Hassel setzte in Überzahl noch einen drauf, fing jetzt an zu zaubern. Cakir legte mit der Hacke ab auf Serhan, der fand mit einer butterweichen Flanke Elfmeterschütze Ersoy, der den Ball volley in die Maschen schlug (71.) - 3:1, der Deckel war so gut wie drauf. „Was für ein charakterstarker Spieler, er wollte den Elfmeter unbedingt wieder gut machen“, schwärmte Karabal über Ersoy.
In Unterzahl gelang es Wanne-Eickel nicht mehr, noch eine Schippe draufzulegen. YEG hätte noch erhöhen können, doch Cakir (76.) und Enes Demircan (88.) scheiterten am Torwart, Serhan zielte zu hoch (93.). „Das war ordentlich, aber noch lange nicht das, was wir können. Ich hoffe, dass wir jetzt ins Rollen kommen“, sagte Karabal nach dem Spiel – ganz entspannt natürlich.
Autor: Tim Lievertz