Schwitzend und kurzatmig stand Raphael Koczor vor dem Reportermikrofon. „Ich habe immer noch keine Luft, auch wenn ich nicht viel gelaufen bin. Die Jungs aber, die sind bei diesen Temperaturen gefühlt bestimmt zwölf Kilometer im Schnitt gelaufen“, sagte der Torwart von Carl Zeiss Jena am Sonntag – stolz auf die Leistung seiner Vorderleute beim Relegations-Hinspiel in Köln.
Bei über 30 Grad im Schatten, den es im Sportpark Höhenberg für die Fußballer jedoch nicht gab, war den Thüringern gegen Viktoria Köln etwas die Puste ausgegangen. Am Ende von Teil eins des Krimis um den Einzug in die 3. Liga war Jenas 3:0-Vorsprung in der Hitze auf ein 3:2 zusammengeschmolzen. Das Wetter als ein maßgeblicher Faktor in der Aufstiegsentscheidung, die am Donnerstag um 17 Uhr (live im WDR und MDR) im Ernst-Abbe-Sportfeld getroffen wird.
Am Brasberg fing alles an
Ohne Wetter geht es in diesem Duell ohnehin nicht. Alles fing am Sportplatz Brasberg im Wetteraner Ortsteil Wengern an – zumindest für zwei Protagonisten: Carl-Zeiss-Keeper Koczor (28) auf der einen und Claus Costa (32), Co-Trainer beim FC Viktoria Köln, auf der anderen Seite. „Rafa war ja eine Ecke jünger als ich und meine Kumpels. Er kam damals zum Bolzplatz hoch und wollte mitspielen. Wie es dann so ist, haben wir Älteren ihn erstmal ins Tor geschickt. Vielleicht ist er deshalb so ein guter Torwart geworden“, erzählt Costa lachend von den sportlichen Anfängen seines Freundes.
Das ist weit über 20 Jahre her, so genau wissen es wohl beide nicht mehr. „Eigentlich kenne ich Claus schon immer. Ich mag ihn. Wir sind befreundet, unsere Familien sind befreundet, meine Eltern mit seinen“, sagt Koczor, der das Licht der Welt allerdings 1989 im polnischen Racibórz erblickte. Kurz nach seiner Geburt zog die Familie aus Schlesien in die Kleinstadt im Ennepe-Ruhr-Kreis.
Dass ihn mit Costa mehr als nur die Heimatstadt und der TuS Wengern als erster Klub verbindet, wird klar, wenn Koczor erzählt, wie er Costa früher als Juniorenspieler bewundert hat: „Ich weiß noch, wie ich zu seinen U19-Spielen mit dem VfL Bochum gefahren bin. Er ist schon ein Vorbild für mich, denn er war ja der Einzige von hier, der es geschafft hat.“
Mit „geschafft“ meint Koczor Costas Profi-Karriere. Für Bochum, Düsseldorf und Osnabrück spielte er im defensiven Mittelfeld und kommt immerhin auf 55 Zweit- und 92 Drittligaeinsätze. Davon hat Koczor erst fünf gesammelt, es könnten aber bald etliche hinzukommen – vorausgesetzt, Jena packt den Aufstieg. Doch sein Freund hat etwas dagegen. „Wer uns abschreibt, macht einen Riesenfehler“, sagt Costa kämpferisch – Viktoria Kölns Aufholjagd mit den beiden späten, aber enorm wichtigen Treffern habe ihn nicht nur stolz gemacht, sie „gibt auch Kraft und Optimismus.“
Heißes Herz und kühler Kopf
„Wir gehen das Spiel an, als würde es 0:0 stehen“, hält Koczor dagegen. „Sonntag zählt jetzt nicht mehr. Wir werden alles in die 90 oder vielleicht auch 120 Minuten und ein mögliches Elfmeterschießen hineinwerfen“, kündigt der Schlussmann an, der seit drei Jahren für Jena spielt. Einen konkreten Plan hat er als Torwart aber auch noch: „Wenn wir kein Tor kassieren, sind wir durch.“ Und dafür könnte er ja selbst sorgen.
Costa hingegen wird seiner Truppe gemeinsam mit Cheftrainer Marco Antwerpen einen komplexen Matchplan an die Hand geben. „Es bringt ja nichts, wenn wir da ‘wilde Sau’ spielen. Wir wollen mit heißem Herzen und kühlem Kopf agieren.“ Knapp 14 000 Zuschauer werden jedoch den Blau-Gelb-Weißen die Daumen drücken und das Stadion „im Paradies“ in einen Hexenkessel verwandeln. „Das kennen wir aber aus der Liga, wenn wir in Aachen oder Essen gespielt haben“, bemerkt Costa. Mit der Kulisse mag er sich im Vorfeld beschäftigen, mit der leidigen Relegation, in der aus fünf Regionalliga-Meistern drei Aufsteiger ermittelt werden, aktuell nicht. „Das ist jetzt seit ein paar Jahren so und sicherlich keine glückliche Lösung, sollte uns im Moment aber nicht interessieren.“ Koczor hingegen sagt süffisant: „Am besten wäre es, wenn wir beide jetzt schon auf Mallorca wären und zusammen den Aufstieg feiern würden.“
Apropos: Werden Sieger und Verlierer – egal, wer in welcher Rolle – denn nach der durchaus schicksalhaften Begegnung miteinander ein Bier trinken? „Natürlich“, hält Koczor fest, „wir kennen uns viel zu lange, als dass der Ausgang dieser Relegation daran etwas ändern würde.“