Stars wie Lothar Matthäus werden erst Premiere-Experte und dann Trainer oder gleich beides. Andere wie Stefan Effenberg breiten ihr Privatleben vor der Kamera aus, und wer das sehen will, ist selbst Schuld. Weniger prominente Zeitgenossen werden in ihrem vorherigen Verein eingebunden, ob als Jugendcoach oder Scout, irgendeine sinnvolle Aufgabe findet sich immer. Andere wiederum haben gar nichts mehr und landen im Dschungel-Camp.
Sie teilen das Schicksal, mit ihrem Dasein im normalen Leben nichts anfangen zu können. Bei Knut Reinhardt ist das ganz anders, der frühere Dortmunder Borusse hat nach dem ultimativen Trikottausch noch einmal ganz von vorne angefangen.
Am 29. Oktober 1999 bestritt der in Hilden geborene vierfache Familienvater in Nürnberg sein letztes Spiel. Beim 2:2 der "Clubberer" gegen den FC St. Pauli wurde Reinhardt in der 65. Minute für Armin Störzenhofecker eingewechselt. Es war nur sein fünfter und finaler Einsatz in dieser Zweitligasaison. Nach sieben Knieoperationen war der siebenfache deutsche A-Nationalspieler schon zuvor in Dortmund nicht mehr richtig auf die Beine gekommen. Für den ehrgeizigen Reinhardt nur der nächste Schritt in eine zweite, mindestens ebenso sinnerfüllte Existenz.
"Es wäre sicher einfacher gewesen, irgendetwas im Fußball zu machen, genügend Angebote gab es", erinnert der inzwischen 40-Jährige an die wohl schwierigste Entscheidung seines Lebens. Statt beim BVB in der Nachwuchsarbeit einzusteigen, nahm Reinhardt an der Uni Dortmund ein Lehramtsstudium auf. "Viele Freunde, mit denen ich damals gesprochen habe, hielten mich für komplett verrückt. Aber ich wollte mir noch einmal etwas beweisen, obwohl ich wusste, dass sechs harte Jahre vor mir liegen würden", erinnert sich der Champions-League-Sieger von 1997. "Das ist der Vorteil, wenn man vor der Fußballer-Karriere wenigstens das Abitur gemacht hat. Für mich war es eine anstrengende, aber sehr wertvolle Erfahrung, mit vier Jahren im permanenten Prüfungsstress. Ich war ja nicht mehr Anfang 20 wie die anderen Kommilitonen, sondern deutlich älter und wollte in der Regelzeit fertig werden. Außerdem habe ich zuhause meine Familie, die mir zwar sehr viele Freiheiten für einen beruflichen Neuanfang gegeben hat, aber eben auch den Vater für sich beanspruchte."
2006 begann Reinhardt sein Referendariat an der Grundschule Kleine Kielstraße in der Dortmunder Nordstadt, am 1. Februar hat er seinen Schuldienst offiziell als Lehrer angetreten. Es ist ein Ort, in dem die Glitzerwelt der BVB-Stars so weit weg ist wie die Erde von der Sonne. Reinhardt hat sich bewusst hier beworben, in einem schwierigen sozialen Umfeld und im Umgang mit Kindern, die zu über 80 Prozent einen Migrationshintergrund haben: "Der Fußball hat mir sehr viel gegeben, keine Frage. Aber der tägliche Umgang mit Kindern macht mir so viel Freude, das ist mit dem Sport nicht zu vergleichen. In meiner Klasse bekomme ich viel mehr an Emotionen und Gefühlen zurück, als es vorher als Profi der Fall war."
So wird seine Distanz zum Fußball automatisch mit jedem Tag, den er in der Schule verbringt, größer. 2004 ließ er sich von einem guten Freund noch dazu überreden, beim Soester A-Kreisligisten TuS Niederense für zwei Jahre als Trainer anzuheuern. Doch als langjähriger Berufsfußballer konnte er mit der Einstellung der Freizeitkicker, die mal zum Training kamen und mal eben auch nicht, wenig anfangen. Und auch wenn er alle 14 Tage mit guten Kumpels in der "Soccer-City" von Michael Lusch selbst am Leder ist, einen dauerhaften Rückfall in den Fußball wird es für ihn nicht geben.
Natürlich könnte Reinhardt seine Verbindung zur Borussia spielen lassen und sich darum bemühen, mal einen Spieler vielleicht zum Sportunterricht oder wenigstens zur Autogrammstunde beim Schulfest einzuladen. Schließlich ist der knallharte Linksfuß zumindest bei Heimspielen regelmäßiger Tribünengast im Signal-Iduna-Park und in der BVB-Traditionsmannschaft noch selbst am Ball. Aber: "Ich weiß, wie wenig Zeit die Spieler für private Dinge haben. Wenn ich einen fragen würde, dann höchstens Nuri Sahin. Der kommt aus der Gegend und hat als in Lüdenscheid geborene Türke eine ähnliche Vita wie viele meiner Schüler."