Recht haben und Recht bekommen, sind im DFB-"Ländle" zwei verschiedene Paar Schuhe. Das erfuhr die SG Lütgendortmund, Nord-Zweitligist. Alles drehte sich um den 2.Spieltag, das Match bei der Zweitvertretung des Hamburger SV ging am 12.September mit 1:5 den Bach runter. Korrekt lief aber nicht alles - so die Überzeugung der SG-Verantwortlichen. Dementsprechend legte der Club bereits am 13.September per Fax kostenpflichtig (500 Euro) gemäß §17 Nr. 2a der Rechts- und Verfahrensordnung Einspruch gegen die Spielwertung ein. Der Lütgendortmunder Ansatz: Nach §6 Absatz 2 der DFB Jugendordnung dürfen in einer 2.Mannschaft lediglich zwei B-Juniorinnen des älteren Jahrgangs eingesetzt werden. Konkret spricht der Paragraph in Absatz sechs und sieben davon, dass "eine Spielerlaubnis für die 1.Frauen-Mannschaft" eines Clubs erteilt werden kann. Diese "Ausnahmegenehmigung" kann "auf die weitere 1.Frauenmannschaft ausgedehnt werden", wenn die Juniorinnen "einem Verein der Frauen-Bundesliga oder 2.Frauenbundesliga" angehören. Die Rechtsnorm spricht weiter von "nur zwei Spielerinnen pro Spieljahr." Beim Blick auf die damalige Aufstellung entdeckte die SG jedoch mit Anna Steckel, Julia Weigel, Tina Arp drei - ergo: Verstoß. So dachten Rolf Heinbach, SG-Abteilungsleiter, und Co. Falsch gedacht!
Falsch gedacht
Dr. Rainer Koch, Einzelrichter, erkannte im schriftlichen Verfahren: "Der Einspruch wird zurückgewiesen." Da unbegründet! Obwohl auch Koch in seiner schriftlichen Urteilsbegründung davon spricht: "Nach dem Wortlaut des §6 /.../ ergibt sich eine Spielmöglichkeit für mehr als zwei B-Juniorinnen in der zweiten Mannschaft des Hamburger SV nicht." Jetzt aber der Clou, Koch lockt die Beteiligten auf das "teleologische" Parkett, spricht von der Auslegung "nach Sinn und Zweck."
Teleologisch
Der ist es, führt Koch aus, "älteren B-Juniorinnen neben ihrem Juniorinnenspielrecht ein Spielrecht lediglich in ersten Mannschaften zu gewähren." Also soll nur "oben" aufgelaufen werden dürfen, "in weiteren Mannschaften eines Vereins", erläutert Koch, "nur noch sehr eingeschränkt." Der Paragraph sieht nur zwei Kickerinnen vor. Koch: "Maximal, und nur noch in unteren Mannschaften von Bundesligavereinen." Auf Landes- oder Kreisebene, um dort kleinere Clubs zu schützen. Koch weist darauf hin, dass diese Teams betitelt werden als "weitere erste Frauenmannschaft". Der Grund für diese Formulierungs-Kunst - Koch: "Differenzierung zwischen Spielbetrieb auf Bundes- und Landesebene." Tatsache ist, es geht um die Konstellation, dass eine Bundesliga-Zweitvertretung (HSV II) in der 2.Bundesliga aufläuft, ein Sachverhalt, der, wie Koch einräumt, "nicht bedacht worden ist." Ergo: Vergessen bei der, laut Koch, "historischen Prüfung der Norm". Koch beruft sich darauf, dass eine Spielmöglichkeit für Bundesliga-Zweitvertretungen in der 2.Bundesliga "zum Zeitpunkt der Normsetzung" nicht bestand, "erst kurz vor Beginn der Saison 2004/2005 geschaffen" wurde. Der Schutz anderer (kleinerer) Clubs in der 2.Bundesliga kommt laut Koch in dieser Klasse "nicht zum Tragen". Obwohl er sein finales Urteil, führt Heinbach aus, bereits vorab telefonisch ankündigte, "um uns mehr Zeit zu geben, über einen eventuellen Widerspruch zu beraten, weil wir keine Profis wären." Einmal schützend, einmal nicht.
Schutz oder nicht
Konsequenz für Koch: In diesem Fall war die HSV-Auswahl keine "weitere" Mannschaft, sondern eine "erste". Alles im Sinne - also teleologisch - des angesprochenen Paragraphen. B-Juniorinnen des älteren Jahrgangs können, betont Koch, somit "uneingeschränkt zum Einsatz kommen." Auch wenn "es sich um die zweite Mannschaft eines Bundesligavereins handelt." Jetzt wieder "Zwote", im Sinne von Koch, nicht teleologisch. Die SG schaut in die Röhre, muss aber "ausnahmsweise" keine Verfahrens-Kosten übernehmen, Koch spricht von "besonderen Umständen des Einzelfalls" sowie von "unklaren Formulierungen", die "dem DFB zuzurechnen" sind. Außerdem gibt es auch ein das angesprochene Thema beinhaltende Protokoll der Staffeltagung der 2.Bundesliga vom 16. Juli, das "missverständlich" sei. Heinbach spricht von dem Protokoll, "das von allen Vereinen ohne Einspruch angenommen wurde, plötzlich nicht mehr stimmt." Der HSV ließ sich den Sachverhalt in seinem Sinne mündlich vom DFB bestätigen, spricht aber - sehr interessant - selbst davon, dass das "Protokoll in dem vorliegenden Sachverhalt nicht den verbindlichen Auskünften" (Abteilungsleiter Hartmut Engel) entspricht. Koch klingt in seinen Formulierungen ziemlich schuldbewusst. Auf eine mündliche Verhandlung vor dem Sportgericht verzichtete die SG, zog seinen Widerspruch gegen die Koch-Sicht zurück. Koch wies vorab darauf hin, dass seine Einzelrichterentscheidung "auch zum Nachteil des Betroffenen" abgeändert werden kann. Vor allen Dingen dann, "weil er uns zu verstehen gab, dass er mit zwei Beisitzern wieder der zuständige Richter sei", zuckt Heinbach mit den Schultern. Die Kosten wären auch dementsprechend höher, die SG-Verantwortlichen sprechen von mehreren tausend Euro, auf die der DFB auch durch ein Telefonat (Horst Hilpert, Vorsitzender Kontrollausschuss) mit dem SG-Vorsitzenden Dieter Pohl hinwies. Ein wirkendes Szenario - Heinbach: "Wir sind entsetzt, dass der DFB nicht nach den niedergeschriebenen Satzungen und Ordnungen handelt, sondern diese gerade so auslegt, wie er möchte." Teleologisch gesehen: Abschreckung.Oliver Gerulat