Zitat - geschrieben von lupus
... naja, dem einen oder anderen Argument könnte man getrost zustimmen,
wäre da nicht der Versuch, mit Hilfe einiger Plattitüden die notwendige Kritik und die erforderliche Distanz zur Führung des Vereins zu unterbinden.
Wenn man Kritiklosigkeit liebt, ist es klar, dass ausgerechnet der stille Leser von Dir bevorzugt wird.
Selbstverständlich soll man die Verantwortlichen arbeiten lassen, aber doch wohl nicht unkommentiert und unbeobachtet.
Schließlich sind wir in den letzten 2 Jahren durch die unkommentierte Arbeit der Verantwortlichen da gelandet, wo wir heute stehen - im Mittelfeld, mit einer mittelmäßigen Mannschaft.
Ich glaube nicht, @ElChino, dass dein zorngeprägter Beitrag lästige Fragen und lästige Diskussionen verhindern wird. Im Gegenteil, er spornt an.
Zum Beispiel zu der Frage, wie es denn nun mit der Wiederherstellung der Zwoten steht. Auch wenn das noch einige Jahre dauert. Und warum wir die uns bekannten Jungtalente ziehen lassen und unbekannte neue testen.
Ach so, beinahe vergessen. Deine Kritik an dem, was so an Trainern hier diskutiert wird, kann ich nachvollziehen. Du versuchst zu Recht, den Verantwortlichen vorzuschreiben, wen sie nicht einstellen dürfen. Weiter so!
... naja, ich mein' bloß
Da hast du den Beitrag aber tatsächlich in den falschen Hals gekriegt, auch wenn er sich nun, mit etwas Distanz, tatsächlich "zorngeprägt" liest und sicherlich sachlicher formuliert sein sollte. Keineswegs bevorzuge ich den "stillen Leser", sondern meine in erster Linie mich selbst und noch eine Reihe anderer, die an diesem Forum z.B. die Trainingseindrücke achsabs, die Kaderplanungsideen Goal-Gettas oder auch mal Gerüchte aus dem VIP-Raum und gelegentlich spannende Diskussionen verfolgen, ohne dabei selbst mitdiskutieren zu wollen.
Wenn die Lagerbildung wegen Harttgen/Fascher zwar anstrengend aber immerhin inhaltlich teils noch ergiebig war, sind wir nun in die viel schlimmere, nächste Phase eingetreten, wo der Weltuntergang nicht mehr fern ist und jede kleine Reviersport-Meldung zum Anlass genommen wird, der Vereinsführung schlechte Arbeit vorzuwerfen. Jedenfalls habe ich gestern staunend in der Zweitligakonferenz den wohl wundersamsten Aufstieg der Bundesligageschichte verfolgt und lese dann kurz darauf, wie den im Forum jemand zum Anlass nimmt, einen - platt verkürzt - "Doc Welling, warum machst du das nicht einfach nach?"-Beitrag zu basteln. Da ging mir tatsächlich die Hutschnur hoch und es wurde bisweilen polemisch. Wie du da allerdings eine Forderung nach Kritiklosigkeit rausliest, erschließt sich mir nicht, dennoch wäre es natürlich einfach, diese Polemik so stehen zu lassen - von daher hebe ich das gerne auf die von dir geforderte, inhaltliche Ebene.
Mein Absatz zur Trainerdiskussion war mitnichten eine Bedienungsanleitung für die Verantwortlichen, sondern eine Reaktion darauf, dass hier irgendjemand den Namen Neururer in die Runde schmeißt und die ersten Austrittsdrohungen folgen. Wir haben im Verein mit Winkler, Lucas, Reiter, Helmig und Jamro genug Kompetenz sitzen - teils frisch ausgebildete Fußballlehrer - die im Gegensatz zu mir und uns tatsächlich Ahnung haben und die Arbeit eines Trainers in ihrer Gesamtheit beurteilen können. Wenn ich den Eindruck hätte, durch einen Beitrag im Reviersport-Forum diese Entscheidung beeinflussen zu können, müsste ich eine ziemlich geringe Meinung von unserer Vereinsführung haben. Vielmehr habe ich einen Trend aufgezeigt, der sich selbst in unserer Liga fortsetzt. Zimmermann in Oberhausen, Kaczmarek bei der Viktoria oder nun Benbennek in Aachen verdeutlichen den Paradigmenwechsel vom großen Namen (es ist noch nicht lange her, dass Basler und Wollitz diese Posten innehatten) zum Fachmann (vermeiden wir mal "Konzepttrainer" ). Das eine schließt das andere übrigens nicht aus und es gibt auch durchaus Trainer vom alten Eisen, die sich weiterbilden und mit der Zeit gehen - aber man muss sich nur mal anhören, wie Neururer über Guardiola spricht und wie unflexibel und ausrechenbar (wieso wurde Fascher doch gleich entlassen?) er den VfL in die Krise manövriert hat, um ihm die Eignung für alles, was über den Feuerwehrmann hinausgeht, abzusprechen.
Welling hat aber gemeinsam mit unserem Kompetenzteam (und diese Kompetenz ist da, wenn man sich die Vita der oben genannten anschaut) ein Profil für den Trainerposten ausgearbeitet, dessen Besetzung oberste Priorität hat. Wenn so gerne auf Darmstadt, Paderborn, Braunschweig und Konsorten verwiesen wird, dann fällt dort doch auf, dass der Kader selbst als Summe seiner Einzelspieler eben nicht das Nonplusultra der Liga war. Das werden wir in Konkurrenz zur Viktoria auch nicht sein - aber wenn einem auf dem Trainerposten der Glücksgriff gelingt, kann genau dieses Defizit kompensiert werden. Von daher ist es wichtig, dass diese Entscheidung nicht überstürzt ausfällt, sondern nach reiflicher Überlegung und die dafür nötige Zeit sollte der Vereinsführung zugestanden werden - meckern kann man immer noch, wenn das Ergebnis präsentiert wird. Mir ging es eher darum, diesen Prozess verständlich zu machen und die Befürchtungen Richtung Neururer zu beruhigen, das ist nun hoffentlich verständlicher geworden.
Diese Priorität der Trainersuche erklärt sich auch daraus, dass der Kader größtenteils steht und überwiegend U23-Ergänzungsspieler verpflichtet werden müssen. Deine Frage, warum wir uns bekannte Talente ziehen lassen und unbekannte Neue testen ist dann doch recht simpel zu erklären: Wir haben Nakowitsch und Beier ziehen lassen, Nakowitsch hat sich bei keinem Trainer bisher durchsetzen können und wird weder als Sechser an Baier/Grebe noch als IV an Zeiger/Weber vorbeikommen. Da wir keine U23 mehr haben (dazu später mehr), hat er bei uns wenig Aussicht auf Spielpraxis und somit ist dann für beide Seiten eben eine Trennung sinnvoller, auch wenn es natürlich schöner wäre, ein Eigengewächs in den Reihen zu halten. Marco Beier kommt auf 2 Einwechslungen in der Regionalliga, unsere U19-Jungs haben bisher nur in der zweithöchsten Jugendspielklasse gekickt (und der Sprung von der A-Junioren Bundesliga in die Regionalliga ist schon gewaltig), dagegen ist bei uns im Probetraining z.B. ein Tolga Cokkosan von Bochums zweiter Mannschaft, der auf 20 Einsätze gegen unter anderem Aachen, Oberhausen und Viktoria Köln kommt, sich auf unserem Niveau also schon bewiesen hat. Wir testen junge Spieler, die nicht völlig ins kalte Wasser geworfen werden, wenn sie in der Regionalliga zum Einsatz kommen - macht für mich durchaus Sinn.
Dieses Thema leitet direkt zur zweiten Mannschaft über, denn natürlich hat die Abschaffung der Zweiten uns die Möglichkeit genommen, in der Oberliga unsere eigenen Ergänzungsspieler zu formen - ich denke da an das Beispiel Limbasan - doch diese "Wiederherstellung" ist eben nicht mehr so einfach möglich. Vor 2020 werden wir keine Zweite oberhalb der Landesliga haben und es stellt sich die Frage, ob wir sie dann noch brauchen werden. Wären wir Drittligist mit Nachwuchszentrum, sähe die Vertragssituation ganz anders aus, Anschlussverträge und Ausleihgeschäfte wären möglich - das Dilemma entsteht aktuell in erster Linie, weil unter Uwe Harttgen der zweite Schritt vor dem ersten gemacht wurde. Sollten wir also bis 2020 in die 3. Liga zurückkehren, könnten wir mit dem Harttgen-Konzept gut arbeiten und nun, wo das Kind in den Brunnen gefallen ist, muss die Idee des Kooperationspartners auch verfolgt werden. Kritik kann und muss man daran üben, dass es so weit gekommen ist, aber das hilft bei der Behebung des Problems nicht weiter, von daher wäre eine Erhaltung der Zweiten sicherlich sinnvoll gewesen, eine Wiederherstellung aufgrund des zeitlichen und finanziellen Aufwands im Verhältnis zum Ertrag eher nicht.
Um nun auch das Thema Kritik an der Abschaffung aufzugreifen: Wenn unisono betont wurde, wie wichtig der Aufstieg der Zweiten war und wir uns an die Bilder vom biergeduschten Welling beim Oberliga-Aufstieg erinnern, ist es natürlich ein Kritikpunkt, dass ein Externer wie Harttgen in kürzester Zeit mit einer derartigen Machtfülle ausgestattet wurde, dass er mühsam geschaffene Strukturen binnen weniger Wochen irreparabel einreißen konnte. Ein Rückzug der Zweiten aus der Ober- in die Landesliga, um ein Jahr Zeit zu gewinnen, wäre hier ein absolut logischer und notwendiger Schritt gewesen, aber, um diesen Satz von dir "Schließlich sind wir in den letzten 2 Jahren durch die unkommentierte Arbeit der Verantwortlichen da gelandet, wo wir heute stehen" aufzugreifen: Wir (und offenbar auch die Vereinsgremien) wurden von Harttgen stets vor vollendete Tatsachen gestellt. Dieses Kommunikationsdesaster hat letztendlich dann ja auch dem Spuk ein Ende bereitet, dennoch müssen sich nicht wenige Fans diesen Schuh mitanziehen.
Vom Amtsantritt Wellings und Wrobels bis zur Installation Harttgens vergingen 3 1/2 Jahre, dabei ging es in den ersten 2 1/2 Jahren rapide bergauf: Wrobel konnte seine sportlichen Ziele übererfüllen und wir hatten im Frühjahr 2013 noch Tuchfühlung zur Spitze, die im damaligen Topspiel gegen Fortuna Köln große Euphorie ausgelöst hatte. Die Niederlage leitete dann einen Negativlauf ein, der trotzdem noch für Platz 4 reichte (mit Marvin Ellmann und Konsorten!) - es folgte der Ungeduldsreflex des Umfelds, das sich nach dem schwachsen Saisonstart unter anderem bedingt durch die verfehlte Personalpolitik (mit Knappmann, Wingerter und Langlitz erwiesen sich die drei Topverstärkungen als Flops) wieder mal in ein Pulverfass verwandelte.
Bereits am dritten Spieltag in Düsseldorf hingen Fans auf dem Zaun und beschimpften Trainer und Spieler aufs Übelste, in der Folge wurde die Arbeit der Vereinsführung nicht nur "beobachtet" und "kommentiert", sondern auch viel Druck ausgeübt. Welling habe keine Ahnung, Jamro sei nur ein Ticketverkäufer, Wrobel ein Amateurtrainer und die Entlassung ließe nur auf sich warten, weil Welling und Wrobel Kumpels seien. Gefordert wurden Profis. Männer von Format, mit Erfahrung. Ein Aufstiegstrainer wie Fascher. Ein sportlicher Leiter, bzw. Sportvorstand, der den sportlichen Bereich übernimmt, von dem Welling angeblich keine Ahnung habe.
Dass dieser Externe (Harttgen) hier plötzlich schalten und walten konnte, wie er lustig war, ist auch ein Resultat der ewig Ungeduldigen, die schnell viel wollen, statt langfristig zu denken und den Leuten mehr Vertrauen entgegenzubringen, die mit Herz und Hirn diesen Verein vom Nullpunkt her wieder aufgebaut haben. Man kann und soll daher durchaus Kritik an Welling und den Verantwortlichen üben, aber bitte in einem sachlichen und angemessenen Rahmen, vor allem auch konstruktiv. Mit "Mach's doch mal wie Darmstadt!" ist niemandem geholfen und es ist noch nicht mal eine Diskussionsgrundlage. Die Stagnation der letzten 2 Jahre war weder im Interesse von uns Fans, noch der Verantwortlichen und ich gehe fest davon aus, dass seit Wochen intensiv daran gearbeitet wird, die Fehler aufzuarbeiten und die vakanten Positionen im Verein - vor allem auf der Trainerbank - entsprechend zu besetzen. Vielleicht wurde nur noch mit den Sportfreunden Siegen über die Freigabe Michael Boris' verhandelt, vielleicht kommt auch jemand völlig Unbekanntes - eine Garantie, dass es klappt, gibt es sowieso nicht, aber so wie wir aufgestellt sind, können wir eben auch sportliche Rückschläge verkraften. Meine Verteidigung der Vereinsführung geht daher prinzipiell in diese Richtung - eben dass wir so seriös und transparent (keine Schulden, keine Abhängigkeit von einem Großsponsor) geführt werden wie nie - und für mich ist das Grund genug, Vertrauen und Geduld vorzuschießen, sowie nicht hinter jedem abgewanderten Jugendspieler den anstehenden Untergang von Rot-Weiss Essen zu vermuten.