Für die Verantwortlichen des DFB steht, liest man ihre Äußerungen im Zusammenhang, seit langem fest, dass das Überangebot an Fußball zum nachlassenden Interesse führt.
Auch deshalb hält man dort eine stärkere Konzentration für das Allheilmittel. Jetzt also auch im Jugendfußball. Der Manager der "Mannschaft", der sich vor einem Jahr so wohlwollend zum Höhepunkt Super Bowl geäußert hat, dürfte einen Gamepass haben, fasziniert auf die NFL schauen und sich fragen, was man da lernen kann. Nichts, das ist meine Meinung, weil es sich nicht nur um zwei verschiedene Sportarten sondern auch um unterschiedliche Sportkulturen handelt. Ich habe seit über 10 Jahren den Gamepass und schaue gerne Redzone. Etwas Vergleichbares funktioniert mit Fußball niemals.
Die europäische Fußballkultur ist untrennbar mit Aufstieg und Abstieg verknüpft. Das macht einen großen Teil der Faszination aus. Das zu ignorieren und geschlossene Systeme zu etablieren - wirtschaftlich gesehen ist die DFL ein Schritt in diese Richtung, verstärkt die Abwanderungsbewegungen.
Die Ursachen liegen auf der Hand:
- Fehlende Masse. Welche Mittelschichtseltern melden ihr Kind noch beim Fußball an, wo soziale Konflikte bis hin zur Gewalt drohen, weniger Breitensport stattfindet als früher während die Zeitverdichtung durch G8 und die nahezu idiotische Überakademisierung der Gesellschaft mehr Zeitressourcen für die Schule verlangen. Gebraucht werden Handwerker, die differenzieren können und nicht Pseudointellektuelle, für die der Arbeitsmarkt keine Verwendung hat.
- Die Dörfer - eine Säule des Systems - haben sich geleert. Da fehlt der Nachwuchs, nicht nur beim Fußball. Vermutlich setzt VW auch deshalb auf E-Autos, weil die weniger Personal bei der Herstellung brauchen. Niedersachsen reichte VW schon lange nicht mehr als Reservoir und Sachsen-Anhalt wurde erfolgreich geplündert. Jetzt also Ungarn und Rumänien.
- Die Demographie. Wer von uns hätte nicht gerne mindestens ein Kind mehr? Ham wa abba nich.
- Die Langeweile in der Bundesliga durch die Uneinholbarkeit Bayern Münchens. Die Langeweile in der Bundesliga durch identische Spielideen und Mentalitäten. Ohne die Farben könnte man die Teams nicht unterscheiden. Ich kann mich an das letzte Spiel, das ich vollständig gesehen habe, nicht mehr erinnern. Es könnte 2012 gewesen sein. Heute habe ich nach 10 Minuten genug. Langweilig.
- Mäzenatenkonstrukte und Sponsorenclubs ohne Fanbase - kein Mensch will das sehen. Eine Fehlentwicklung, die nur durch die Fernsehgelder möglich ist.
- E-Sport, der Jugendliche Einzelspielern eher folgen lässt als Vereinen. Hier lag mal ein Schlüssel zur Bindung.
- usw.
Meines Erachtens kann die Lösung nur in einem Zurück zu den Wurzeln bestehen - also im genauen Gegenteil dessen, was der BVB und der DFB vorschlagen.
Fußball muss wieder ein Erlebnis für Kinder und Jugendliche werden, ein Ereignis, in dem sie lernen, andere zu achten und zu respektieren und sich selbst zurückzunehmen; wo sie lernen, auf Rache zu verzichten, wenn sie getreten oder geschlagen wurden. Ein sportliches und soziales Erlebnis - ein Wettstreit unter Jungen, wie wir ihn erlebt haben. Nur dieser weckt soziale Kompetenzen, zu dem auch die gegenseitige Unterstützung und die Loyalität gehört. Ich lehne Kinder- und Jugendfußball als Geschäftsmodell ab. Die Idee ist menschenunwürdig. Schon die jetzigen Verhältnisse halte ich für untragbar. Ein mehr davon muss verhindert werden. Die Basis muss verbreitert werden, störende Kinder brauchen Erziehung und Führung, nervigen Eltern müssen Grenzen gesetzt werden. Es muss durchgegriffen werden - dann haben auch wieder mehr Kinder Lust auf Meisterschaftsspiele. Deshalb muss Geld zu den Basisvereinen fließen. Wenn die Konsequenz ist, dass Deutschland im Weltfußball absteigt - in Ordnung. Wen juckt es? Fußball - die schönste Nebensache der Welt soll eine bleiben.
Der Erwachsenenfußball muss den Fans zurückgegeben werden.
Wir stehen erneut an einer Wegscheidung so wie es bei der Europäischen Superliga war. Da haben München und Dortmund gekniffen, weshalb es insgesamt nichts wurde. Mutiger scheint man beim Jugendfußball zu sein. Kein Wunder, dort ist ja auch weniger Widerstand zu erwarten.
Will man den Leistungsgedanken dort durch eine noch stärkere Konzentration erhöhen, muss man auch die drohenden Konsequenzen benennen. Depressionen, Suizide, zerstörte Seelen - alles drin.
Als Vater halte ich einen solchen Umgang mit Kindern und Jugendlichen für zynisch. Ich will das nicht. Auf gar keinen Fall!
Bavara Borsigplatz ist ein schönes Beispiel dafür, wie Ambivalenzen zu Krankheiten führen. Man kann nicht auf zwei Hochzeiten tanzen. Ich möchte mit den Zuständen dort nicht tauschen, weil ich das für eine Fehlentwicklung halte. Mir ist bewusst, dass Typen wie Olaf Gersemann von Welt-Online meine Meinung als "Romantik" verächtlich gemacht haben und bei nächster Gelegenheit auch wieder machen werden. Darf er ruhig. Da bin ich entspannt. Wenn schon, dann stehe ich auf die klaren Formen der Klassik und nicht auf die kitschigen der Romantik.
Jeder Fußballfan sollte sich ehrlich fragen, wie wichtig es ihm ist, dass Bayern München und Bavaria Borsigplatz in der europäischen Spitze mithalten können. Fällt die Antwort mit "überhaupt nicht" aus - so ist es bei mir - muss gegen eine Entwicklung Widerstand geleistet werden, die von der Basis (Jugendfußball) über die Regionalligen und die 3. Liga (zweite Mannschaften) bis hin zu den Profiteams (zentrale Fernsehvermarktung und aufgeschlüsselte Verteilung der Gelder) ausschließlich die Interessen der großen zwei bis vier des deutschen Fußballs verfolgt.
Die Idee einer U-23 Bundesliga anstelle der zweiten Mannschaften in der 3. Liga und den Regionalligen begrüße ich.
Ein wichtiger Schritt wäre im Bereich Vermarktung der Ausstieg aus den Fernsehverträgen hin zu einer konsequenteren Einzelvermarktung. Das würde Vereinen mit Anhängerschaft den Stellenwert einräumen, den sie verdienen. Ich zahle auch 20 EUR für ein Spiel, wenn sichergestellt ist, dass der Löwenanteil der Übertragung bei meinem Verein bleibt.
Ein guter Schritt ist getan, wenn man alle Abos kündigt, von denen Dortmund und Bayern profitieren. Wenn sie es im Geldbeutel spüren, merken sie die Fehlentwicklung.
Vielleicht müssen wir Vereinsmitglieder endlich aktiver werden. Es ist ja schon ein Fortschritt, wenn man weiß, was man nicht will. Kann man Ziele definieren, ergibt sich der Rest von allein. Wir sind in Summe viel mehr als die Anhänger der Dominanzvereine aus Dortmund und München.