Mit rund 40-minütiger Verspätung entzündete der dreimalige Kunstturn-Olympiasieger Li Ning um vier Minuten nach Mitternacht das Olympische Feuer im riesigen Nationalstadion.
"Das ist die schönste Erinnerung meines Lebens", meinte Li Ning sichtlich bewegt , nachdem das Olympische Feuer zum dritten Mal nach Tokio 1964 und Seoul 1988 bei Sommerspielen in Asien brennt. Bei einem gemeinsamen Essen mit US-Präsident George W. Bush hatte Hu Jintao zuvor voller Stolz gesagt: "Der historische Moment, auf den wir solange gewartet haben, ist endlich da."
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Foto: firo.
Mehr als eine Milliarde Zuschauer auf der ganzen Welt saßen vor den Fernsehschirmen, als Hunderte von zunächst unsichtbaren Menschen mit beweglichen Bausteinen die Botschaft der Spiele aus dem Boden zauberten. Dreimal war in chinesischen Schriftzeichen zu lesen: "Frieden, Frieden, Frieden."
Weltweite Proteste und Diskussionen über Tibet, Menschenrechte und Zensur hatten im Vorfeld für große Aufregung gesorgt. "Liebe chinesische Freunde, liebe Athleten: China hat lange davon geträumt, seine Türen zu öffen und die Athleten der Welt nach Peking einzuladen. Und heute Abend ist dieser Traum wahr geworden. Glückwunsch, Peking", sagte IOC-Präsident Jacques Rogge. Das Motto der Spiele heißt "eine Welt, ein Traum" - "und das ist es, was wir heute Abend sind", meinte der Belgier in seiner Rede weiter.
Sein Appell: "Ihr seid Vorbilder, lehnt Doping und Betrug ab." Rogge wünscht sich, dass diese Spiele "Freude, Hoffnung, und Stolz" bringen. Als eine Welt sei man nach dem verheerenden Erdbeben in der chinesischen Provinz Sichuan mit mehr als 80.000 Toten am 12. Mai dieses Jahres enger zusammengerückt. Der IOC-Präsident dankte den Chinesen für die schier unermüdliche Arbeit: "Peking ist der Gastgeber der Gegenwart und das Tor zur Zukunft. Danke!"
Völlig begeistert war der deutsche Fahnenträger Dirk Nowitzki: "Das war einfach gigantisch. Wenn man ins Stadion einläuft und die vielen Leute sieht, da läuft es einem kalt den Rücken runter", sagte der Basketball-Nationalspieler, für den schon mit seiner ersten Olmpiateilnahme ein großer Traum in Erfüllung gegangen war. 2008 Trommler gaben den olympischen Takt vor, was folgte, war eine gigantische Lichtshow mit einem faszinierenden Festival der Farben.
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Foto: firo.
Ein spektakuläres Feuerwerk mit bislang nie dagewesenen Illuminationen setzte vor rund 90.000 Zuschauern im nicht ganz vollbesetzten Nationalstadion den leuchtenden Schlusspunkt hinter die Zeremonie der Superlative - nie zuvor hatte sich ein Gastgeber eine Eröffnung mehr Geld kosten lassen. Nicht nur in der Arena war es stimmungsvoll, Hundertausende säumten die Straßen rund um das "Vogelnest".
Traditionell angeführt von Griechenland marschierte die Rekordzahl von 204 Mannschaften in die spektakuläre Kulisse ein, die Marshallinseln, Montenegro und Tuvalu waren erstmals dabei. Um 23.02 Uhr Ortszeit führte ein stolzer Nowitzki Deutschland als 198. Nation ins Olympiastadion. Aus der rund 350 Menschen großen Delegation grüßten in weißen Hosen und grauen Jacken auch die Handball-Weltmeister um Christian Schwarzer, Tischtennis-Europameister Timo Boll, Tennis-Profi Rainer Schüttler und Florett-Weltmeister Peter Joppich.
Grenzenlos war der Jubel, als Basketball-Star Yao Ming wie 2004 das chinesische Team als Gastgeber traditionsgemäß an letzter Stelle ins Stadion führte. An der Seite des 2,26 m großen Hünen war der neunjährige Knirps Lin Hao, der aus der Erdbebenregion Sichuan stammt. Mehr als vier Stunden - und damit wesentlich länger als vorgesehen - dauerte die Eröffnungsfeier. Sichtbare Proteste blieben während des Einmarsches aus. Nach den langen Boykott-Diskussionen hatten aus dem deutschen Team Judo-Olympiasiegerin Yvonne Bönisch und Fechterin Imke Duplitzer aus politischen Gründen auf einen Einmarsch zu Chinas Volksfest verzichtet.
Riesig waren die Sicherheitsvorkehrungen, die nach den jüngsten Anschlägen in China und Terrordrohungen noch weiter verschärft worden waren und besonders den mehr als 100 Staats- und Regierungschefs sowie gekrönten Häuptern auf der Ehrentribüne galten. 15.000 professionelle Künstler, Studenten und Angehörige des Militärs waren Darsteller des dreieinhalbstündigen Ritts durch 5000 Jahre chinesischer Geschichte unter der Regie von Zhang Yimou, Chinas Gegenstück zu Hollywood-Regisseur Steven Spielberg, mit Kampfkunst, Tanz, Trommeln, Licht und Knalleffekten.
Die USA hatten bereits mit der Auswahl ihres Fahnenträgers ein ganz besonderes Zeichen gesetzt: Der 1500-m-Läufer Lopez Lomong ist im Sudan geboren, er ist ein Opfer des Bürgerkriegs in der Provinz Darfur. Die kleine Delegation des Irak durfte nach dem zwischenzeitlichen Ausschluss doch noch teilnehmen. Nord- und Südkorea liefen anders als in Sydney und Athen nicht gemeinsam ein, sondern unter eigenen Flaggen.
Der Tischtennis-Olympiasiegerin und Weltranglistenersten Zhang Yining wurde die Ehre zuteil, für die Athleten den olympischen Eid zu sprechen. Trotz aller Diskussionen um Menschenrechte und Meinungsfreiheit war der Auflauf an Prominenz gewaltig. US-Präsident Bush, der sich am Vorabend der Feier noch "tief besorgt" über die Menschenrechtslage in China geäußert hatte, und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy als amtierender EU-Ratspräsident, der russische Ministerpräsident Wladimir Putin und Norwegens König Harald saßen auf der Tribüne. Wie lange ohnehin geplant fehlten Bundespräsident Horst Köhler und Kanzlerin Angela Merkel.