Die französische Revolution für die Fußball-EM 2020 nimmt Gestalt an: Am 7. Dezember soll im Exekutivkomitee der UEFA über das von Präsident Michel Platini favorisierte Modell mit 13 über den gesamten Kontinent verteilten Austragungsstätten beraten werden. Im Januar könnte der revolutionäre Plan bereits beschlossen werden - 60 Jahre nach der Einführung des Turniers wäre es eine der gravierendsten Änderungen der Geschichte. Allerdings wohl auch eine einmalige. Platini hatte im Oktober betont, dass nur die Jubiläums-EM 2020 von den Plänen betroffen sei.
Löw sieht sich 2020 schon auf dem Altenteil
"Wir haben die Angelegenheit im Präsidium besprochen und stehen ihr offen gegenüber", sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach dem SID: "Wobei der Gedanke, EURO-Spiele in Deutschland auszutragen, reizvoll ist." Bundestrainer Joachim Löw sagte vor dem Länderspiel gegen die Niederlande in Amsterdam: "Ich weiß, dass ich 2020 60 bin. Das interessiert mich relativ wenig. Ich habe von den Plänen gehört, aber das ist weit weg."
Nach derzeitigem Stand könnten mindestens drei der Spiele in Deutschland ausgetragen werden. Sollte sich die deutsche Nationalmannschaft qualifizieren, soll sie ihre Gruppenspiele in Berlin austragen. Am 27. und 28. November gibt es noch ein Treffen der UEFA in Brüssel, bei dem noch Vorgespräche über das Thema geführt werden. Dort sollen auch Niersbach und DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock teilnehmen. "Wenn die Idee auf Zustimmung stößt, werden wir ins Detail gehen", betonte Platini zuletzt.
Alle sollen in die Hauptstädte
Dabei sind die Pläne offenbar schon durchaus konkret. "Die Überlegung ist, dass bei diesem Vorhaben die Hauptstädte Austragungsorte sein sollen. Das wäre bei uns Berlin", sagte Sandrock. Als Austragungsort der beiden Halbfinale und des Finales ist die türkische Metropole Istanbul im Gespräch. Die Türkei war bereits 2008 und 2012 bei der EM-Vergabe unterlegen gewesen und hatte starkes Interesse an der Ausrichtung der EM 2020 nach bisherigem Modus angemeldet. Istanbul bewirbt sich allerdings auch um die Olympischen Sommerspiele im gleichen Jahr.
Schon während der diesjährigen EM in Polen und der Ukraine, als die Pläne erstmals öffentlich gemacht wurden, hatte Platini vor allem mit finanziellen Argumenten für die neue Struktur geworben. "Ich halte das für eine großartige Idee", hatte Platini im Juli in Kiew gesagt: "Wir bräuchten keine Stadien oder Flughäfen zu bauen, sondern könnten auf bestehende Infrastruktur zurückgreifen. Das wäre wichtig in wirtschaftlich schwierigen Zeiten", betonte er damals. In Zeiten fallender Flugpreise sei es zudem einfacher "von London nach Paris oder Berlin zu kommen als von Cardiff nach Danzig".
Verbandsinteressen gehen vor Faninteressen
Allerdings hatten damals auch bereits Fanvertreter Kritik an den Plänen geäußert. "Ganz offensichtlich stehen auch bei diesem Vorschlag wieder einmal die Vermarktungsinteressen im Vordergrund, während die Interessen des Fußballsports und seiner Fans hinten runterfallen würden", hatte Michael Gabriel, Leiter der deutschen Koordinierungsstelle Fanprojekte (KOS), gesagt.