Ein einziges Video zeigt fast alles, was man über den Skandal-Profi Mario Balotelli wissen muss. Selbst bei dem Versuch, nur ein schlichtes Trainingsleibchen überzustreifen, geht sofort alles schief, was schiefgehen kann. Quälend lange 84 Sekunden erwürgt sich der Italiener erst beinahe mit einem weißen Hemd, mal schaut sein Kopf aus einem Ärmelloch, mal zieht er es auf links an. Auch mit der Hilfe eines Teambetreuers wird es nicht besser. Balotelli wirft es zornig beiseite, bekommt ein blaues - und das ganze Theater beginnt von vorn. Der erste Kommentar unter dem Internet-Video, über das derzeit halb England lacht, lautet: "Der Mann hat Talent, aber kein Hirn."
Letzteres, so sagen viele, hat der in der Tat herausragend veranlagte Fußballer von Manchester City wieder einmal bewiesen: Er bewarf Jugendspieler im Trainingszentrum Carrington mit Dartpfeilen. Und sein Klub ist noch weniger amused, als die Queen es jemals war. Eine Untersuchung wurde eingeleitet, Mario Balotelli muss den Vereinsoberen erneut einen Ausraster erklären. Denn er macht einen Kopfprung in jedes Fettnäpfchen.
Wie im August 2010, als er seinen schwarzen Luxus-Sportwagen spektakulär zersägte und unverletzt ausstieg. Wie im Oktober 2010, als er im italienischen Brescia festgenommen wurde, weil er mit einem anderen Luxus-Sportwagen auf das Gelände eines Frauen-Gefängnisses fuhr - angeblich wollte er eine Prostituierte beglücken. Auf dem Beifahrersitz saß Balotellis jüngerer Bruder Enock; auf dem Revier wurden beide verhört.
Nationaltrainer Cesare Prandelli nimmt die Eskapaden relativ gelassen hin, verordnete dem Stürmer aber eine Denkpause. "Das Wichtigste ist nun, dass Mario tief in sich geht. Er weiß, dass er ein Problem mit dem Temperament und seinem Verhalten hat, und es tut ihm sehr leid", sagte Prandelli. Das war zwar nach einem brutalen Kung-Fu-Foul Balotellis in der Europa League gegen Dynamo Kiew - aber noch vor dem jüngsten Skandal im dartverrückten England.
Wahrscheinlich ist Prandelli so nachsichtig, weil Balotelli es wahrlich nicht leicht hat. In italienischen Stadien wurde der dunkelhäutige 20-Jährige immer wieder rassistisch beschimpft - und wenn er dann hochemotional auskeilte, nahmen die Tifosi es ihm auch noch übel. Kaum jemand bei Inter Mailand hat ihm verziehen, dass er einst nach einem Spießrutenlauf durch rassistische Chöre das Inter-Trikot verächtlich wegwarf. "Es gibt keine schwarzen Italiener", schallte es durchs Stadion, gesungen von den eigenen Fans.
Inzwischen "hat Mario uns um Hilfe gebeten", sagte Nationaltrainer Prandelli. Es klingt nach langwierigen Sitzungen auf der Couch und einer Anti-Aggressions-Therapie. So ist es eben: Wer sich so exzentrisch verhält und schon mal 5000 Pfund bar in der Hosentasche hat, wenn die Polizei seinen weißen Lamborghini anhält, dem wird selbst ein Brillantstecker im Ohr als schnöselig ausgelegt.
"Er ist der größte Kindskopf, den es gibt, echt ein Idiot", schimpft ein Internet-User, der sich vorher ("wahahahaha") aber prächtig über das peinliche Video amüsiert hatte. Mario Balotelli, der Kindskopf. Es gibt eine Person, die das ändern könnte. "Der Brasilianer Ronaldo ist das Idol meines Lebens. Einmal Ronaldo treffen, und ich benehme mich für den Rest meiner Karriere", sagt Mario Balotelli. Eigentlich kein übles Angebot.