Willkommen bei Arminia Bielefeld – ein Rundgang mit Szenekenner Jens Kirschneck.
Was haben die Fußballvereine Panionios Athen und Arminia Bielefeld gemeinsam? Beide haben oder hatten etwas mit Ewald Lienen zu tun. Und: Beide fanden sich kürzlich auf einer Liste mit »Bösen Clubs«, die Teil einer Ausstellung mit dem Titel »Balls and Brains« zur EM in Zürich war. Während es bei Panionios um Spielmanipulationen im UEFA-Cup ging, wurden die Bielefelder wegen ihrer Verstrickung in den Bundesligaskandal 1970/71 benannt. Als Arminia-Fan kam man nicht umhin, ob der freundlichen Berücksichtigung fast ein wenig Stolz zu empfinden. Immerhin verströmt auch das Böse einen gewissen Glanz, und das ist etwas, was man dem Traditionsklub aus Ostwestfalen eher selten nachsagt. Als Meinungsforscher das Volk im letzten Jahr nach den beliebtesten Bundesligisten fragten, da landete nicht Cottbus, Rostock, Wolfsburg oder Duisburg auf dem letzten Platz, sondern Bielefeld.
Dabei haben sie bei Arminia auch in der jüngeren Vergangenheit für beste Unterhaltung gesorgt, oftmals abseits des Platzes. Allein die in Abständen wiederkehrenden Engagements des von den Fans zum »Jahrhunderttrainer« gewählten Ernst Middendorp lösen jedes Mal Kabale und Kuriosiäten aus, die jeder 80er-Jahre-Soap vom Schlage »Denver Clan« zur Ehre gereicht hätten. Sei es, dass Middendorp seinen Wagen volltrunken auf der Landstraße parkt und am Steuer einschläft, sei es, dass der streitbare Coach nach einer Niederlagenserie meint, er könne sich »nur selbst entlassen«, um nach einem weiteren 1:6 in Dortmund zu realisieren, dass dies eine Fehleinschätzung war. Auch die sogenannte »Fax-Affäre«, als Präsident Schwick Vertragsdetails auf altmodischem Weg an die Aufsichtsräte schickte (»Wir leben nun mal im Zeitalter der Faxe«) und dann irritiert feststellte, dass sie in der Presse auftauchten, taugt als Inspiration für jeden Serienautor. Ganz zu schweigen von den internen Querelen zwischen dem mächtigen Finanzchef Roland Kentsch und dem jeweiligen Sportdirektor, ob er nun von Heesen oder Saftig hieß.
Es fehlen die großen Namen
Albrecht Lämmchen kann über all das nicht lachen. Das 68-jährige Vorstandsmitglied arbeitet seit Menschengedenken, genauer seit 48 Jahren, bei Arminia Bielefeld mit. Auf die Meriten aus Zürich (»Das ist schon so lange her und hat mit der Arminia von heute nichts mehr zu tun«) kann er ebenso verzichten wie auf die Aufregung der letzten Monate. Sein Credo: »Als Armine muss man leidensfähig sein.« Dass der Verein vielen als langweilig gilt, hat für Lämmchen einen einfachen Grund: Es fehlen die großen Namen. Da ist was dran, mit Transfers wie den aktuellen Zugängen Herzig, Sadik und Lamey schafft man es nicht in die Schlagzeilen. Umso höher sei zu bewerten, dass die Bielefelder mit ihren No-Name-Truppen schon im fünften Jahr in der 1. Liga spielen. »Wir können mit Stolz sagen«, meint Lämmchen, »dass wir aus viel bescheideneren Mitteln als die Konkurrenz viel gemacht haben.«

Lämmchen, hier mit Nürnbergs Präsident Michael A. Roth
Deshalb hat es den pensionierten Versicherungsdirektor und seine Kollegen schwer getroffen, als am 8. April alles den Bach runterzugehen drohte. Nach den Querelen der Saison und dem Absturz auf einen Abstiegsplatz war die Wiederwahl des Vorstandes auf der Mitgliederversammlung ernsthaft gefährdet. Vor allem der wegen seines oft schroffen Auftretens umstrittene Geschäftsführer Kentsch geriet massiv unter Druck. Man fühlte sich bereits an legendäre Arminen-Sitzungen der 80er erinnert, als der FDP-Landtagsabgeordnete Joachim Schulz-Tornau das Auditorium in der Aufregung schon mal mit der Anrede »Liebe Parteifreunde« begrüßte und dafür den vernichtenden Zwischenruf »Büttenredner!« kassierte.
Mittlerweile ist bei Arminia Bielefeld Ruhe eingekehrt. Der Vorstand wurde wiedergewählt, der Klassenerhalt geschafft, und Lämmchen sieht Arminia »an einer historischen Nahtstelle«, weil das Stadion nun endlich fertig ist: »Man kann nur in Steine oder in Beine investieren, das ist ein Teufelskreis. Jetzt sind die Grundlagen mit dem Stadionausbau gelegt, und man kann den Fokus auf die Beine richten.« Das ist auch nötig, um neue Meriten zu erwerben, wo doch ein weiterer inoffizieller Titel erst neulich verloren ging: Rekordabsteiger aus der 1. Liga ist nun der 1.FC Nürnberg.