RS hat sich mit dem neuen Verantwortlichen an der Essener Seitenlinie getroffen. In Teil eins des großen RS-Interviews spricht Neitzel über seine ersten Eindrücke und den Fanboykott.
Karsten Neitzel, welche Berührungspunkte hatten Sie mit der Hafenstraße, bevor Sie hier unterschrieben haben? Rolf Schafstall war früher mal mein Trainer, er kommt ja aus dem Pott. Er hat mit uns immer erstmal eine Viertelstunde über RWE gesprochen. Als Gegner war ich das vorerst letzte Mal 2005 hier in Essen, wenn ich das noch richtig im Kopf habe. Jedenfalls haben wir damals 1:2 verloren. Aber gerade während meiner Zeit beim VfL Bochum war ich häufig an der Hafenstraße und habe mir Spiele angesehen.
Was ging Ihnen durch den Kopf, als die Anfrage hereinkam? Ich wollte nach der Zeit in Elversberg eigentlich erstmal meine freie Zeit genießen und mich von den ganzen Beleidigungen erholen, bevor die Neuen losgehen (lacht). Nein im Ernst: Jürgen Lucas hat mich einen Tag nach der Beurlaubung angerufen und für mich war dann auch klar, dass ich das machen möchte und dass wir zusammenkommen werden.
Wie sind die ersten Eindrücke, nachdem Sie hier übernommen haben? Grundsätzlich positiv. Alles, was ich bisher vorgefunden habe, ist so, wie ich es mir vorgestellt habe – natürlich immer mit kleineren Auspegelungen in die eine oder die andere Richtung. Aber viel Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, hatte ich ja auch nicht. Ich bin schnell in die Arbeit eingestiegen und jetzt geben wir alles, um noch das Beste aus der Saison herauszuholen. Natürlich sind wir in einer schwierigen Situation, auch das ist nichts Neues. Die Mannschaft steht nicht da, wo sie es sich und der Verein es sich vorstellt. Das macht es schwieriger, als wenn du einen guten Lauf hast.
Mit welchem Gefühl schauen Sie derzeit auf die Fantribüne? Das ist nicht schön. In Wuppertal und Köln ist mir das besonders nach dem Spiel aufgefallen, als die Mannschaft zur Tribüne gegangen ist. Wir wissen, dass wir das mit besseren Ergebnissen und Siegen wieder ändern können und wollen. Daran arbeiten wir.
Wir gehen in jedes Spiel, um es zu gewinnen. Aber wir können nicht den Anspruch haben, durch die Liga zu fahren und alle über den Haufen zu spielen.
Karsten Neitzel
Haben Sie für den Stimmungsboykott Verständnis? Dafür muss man Verständnis aufbringen. Wenn jemand täglich seinem Job nachgeht und viele Euros für seinen Verein an Fahrten, Tickets oder Utensilien ausgibt, ist es klar, dass er frustriert ist, wenn es nicht läuft. Man sollte trotzdem den Blick behalten für das, was möglich - und was nicht möglich ist.
Was meinen Sie damit? Wir gehen in jedes Spiel, um es zu gewinnen. Aber wir können nicht den Anspruch haben, durch die Liga zu fahren und alle über den Haufen zu spielen. In jedem Spiel in dieser Liga treffen zwei Regionalligamannschaften aufeinander. Wir verlangen Respekt, aber dafür müssen wir auch den anderen Respekt entgegenbringen, ohne dass man sich in die Hose macht.
Was ist in Essen anders als bei Ihren bisherigen Stationen? Im Vergleich zu meinem vorherigen Arbeitgeber Elversberg ist hier alles eine Nummer größer und professioneller. Aber letztendlich treibt mich an, dass wir schnellstmöglich Erfolgserlebnisse brauchen. Ob da mal ein Trainingsplatz größer ist, eine Kabine kleiner oder dort ein Fernseher hängt - das interessiert mich alles nicht.