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Drei-Tage-Präsident Michael Zylka im Gespräch
Schalke fehlt die Meister-Philosophie

S04: Der einstige Drei-Tage-Präsident Michael Zylka spricht
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Vor 20 Jahren war es eine Sensation: Nobody Michael Zylka wurde auf einer Jahreshauptversammlung zum neuen Präsidenten des FC Schalke 04 gewählt. Seine Regentschaft dauerte allerdings nur drei Tage. Ralf Piorr sprach mit dem Düsseldorfer über seinen Verein.

Michael Zylka, November 2008.

Michael Zylka, vor wenigen Tagen ist Charly Neumann verstorben. Droht Schalke 04 langsam, zu einem normalen Verein zu werden?

Ich glaube ja. Wenn man heute erfolgreich sein will, muss man sich den Gegebenheiten anpassen. Ob einem das gefällt oder nicht. Charly Neumann hat als Typ das verkörpert, was Schalke ist: bodenständig, immer nah an den Fans, mit dem ganzen Herzen beim Verein. Mit ihm ist unwiderruflich etwas gegangen.

Wie schafft ein Fan diesen Spagat zwischen königsblauer Nostalgie und modernem Vereinsunternehmen?

Die Frage stelle ich mir auch. Selbst wenn Schalke früher an der Tabellenspitze stand, kamen nur 30.000 Zuschauer ins alte Parkstadion. Heute ist die Arena ständig ausverkauft. Aber ich befürchte, der größte Teil der Zuschauer sind gar keine Schalker mehr und für sie ist es fast egal, ob in der Arena Schalke oder Herbert Grönemeyer spielt. Man sieht es auch daran, wie viele Leute während des Spiels herumlaufen oder bereits nach siebzig Minuten zum Parkplatz gehen, um nicht im Stau stecken zu bleiben.

Das würde Ihnen nicht in den Sinn kommen?

Auf keinem Fall. Ich bin seit dem achten Lebensjahr definitiv ein positiv bekloppter Schalker. Ich erinnere mich daran, dass 1958 irgendetwas gefeiert wurde, nur habe ich es als Kind noch nicht verstanden. Danach habe ich insgesamt über tausend Spiele des Vereins gesehen: 50 Jahre Schalke, 50 Jahre ohne Meisterschaft. Der Verein ist mir gegeben worden, ich habe ihn mir nicht ausgesucht.

Ihre emotionalsten Erlebnisse auf Schalke?

Ein Abstiegsspiel gegen Borussia Neunkirchen im Mai 1966. Schon eine Stunde vor dem Spiel verharrten 36.000 Zuschauer fast andächtig in der Glückauf-Kampfbahn und nach dem 2:0, gleichbedeutend mit dem Klassenerhalt, sang man voller Inbrunst das Vereinslied. Es war wie ein Gottesdienst, und ich war emotional total ergriffen. Danach wusste ich, dass ich immer Schalker bleiben werde. Dann der erste Bundesligaabstieg 1981. Schalke 04 nicht mehr erstklassig? Ich verstand die Welt nicht mehr. Und schließlich meine Präsidentschaft im November 1988.

Welches Resümee ziehen Sie 20 Jahre später?

Es waren die drei wichtigsten Tage meines Lebens. Ein Crash-Kurs darin, wie Bundesligavereine geführt werden, wie unmenschlich es teilweise zugeht. Ich wusste, dass ich in einen reißenden Fluss springen werde, aber nicht wie kalt das Wasser ist. Diese 72 Stunden haben mein Leben völlig verändert, und ich habe gemerkt, dass man etwas bewegen kann, wenn man selbst an sich glaubt.

Wäre so ein Überraschungscoup heute noch möglich?

„Ich fühle mich nicht als Messias und baue keine Traumschlösser. Hier zählen keine Personen sondern nur der Klub“, rief Michael Zylka im November 1988 den Mitgliedern im Gelsenkirchener Sportzentrum Schürenkamp zu und wurde flugs zum neuen Präsidenten gewählt.

Auf keinem Fall und das ist auch gut so. In den 1980er Jahren brauchte man nur zu tönen: „Schalke 04 wird Deutscher Meister, und ich werde dafür sorgen“ – und schon war man so gut wie gewählt. Aber nach meiner Wahl, die letztlich nur aufgrund einer flammenden Rede zustande kam, wurde die „Lex Zylka“ eingeführt, damit so etwas nicht mehr passieren sollte. Denn es hat gerade im Fußball sehr viele Scharlatane und Selbstdarsteller gegeben.

Apropos Selbstdarsteller: Günter Eichberg wurde Ihr Nachfolger.

Auch wenn es heute keiner hören will: Ohne Günter Eichberg wäre der FC Schalke 04 nicht das geworden, was er heute ist. Wahrscheinlich wären wir damals in die Drittklassigkeit abgestürzt und dann? Ein Elend wie bei Rot-Weiss Essen? Eichberg hat den Leuten einen Traum gebracht, anfangs auch viel Positives bewirkt. Nur hat ihn niemand gebremst, und er hat sich in seiner Rolle als „Sonnenkönig“ immer mehr gefallen. Gegenüber den großen Machern und Illusionsverkäufern fehlte es in Schalke stets an der konstruktiven Opposition und an einer vernünftigen Kontrolle, deswegen endete so vieles im Desaster.

Und Schalke heute?

Drei Tage-Präsident Am 21. November 1988 war die Sensation perfekt. Mit 675:526 Stimmen setzte sich Michael Zylka gegenüber dem favorisierten Fred Gatenbröcker bei der Präsidentschaftswahl des FC Schalke 04 durch. Der Nachfolger für Günter Siebert schien gefunden. Aber bereits drei Tage später reichte der damalige Oberleutnant bei der Bundeswehr seinen Rücktritt ein. Formal scheiterte er an der Inthronisierung von Rolf Rüssmann als Manager, die vom Verwaltungsrat gekippt worden war. Zudem übte die Stadt Gelsenkirchen politischen Druck aus. „Mir schlug Mobbing und pure Ablehnung entgegen. Von daher war mein Rücktritt keine Flucht, sondern für alle Beteiligten das Beste“, so Zylka heute. Am 25. November 1988 erklärte vor versammelter Presse mit selbstironischem Unterton: „Die Ära Zylka ist zu Ende.“

Das macht mich traurig. Ich bin früher schon morgens nervös gewesen, wenn Schalke abends spielte, und habe dreimal gegen den Baum geklopft, um mögliches Unglück zu vermeiden. Heute fahre ich fast emotionslos ins Stadion. Ich habe hohen Respekt davor, was in den letzten Jahren geleistet wurde. Man hat aus einem kleinen Verein ein riesiges Unternehmen gemacht. Früher kämpften wir immer gegen den Abstieg, heute spielen wir ständig oben mit. Das ist unzweifelhaft ein Erfolg. Aber es gibt auch viele Vereinsfunktionäre, die beratungsresistent sind. Der Verein ist stehen geblieben, es fehlen innovative Ideen, und die Mannschaft symbolisiert dieses Elend Woche für Woche.

Was fehlt?

Irgendwann wollen sich doch alle Schalker den Traum erfüllen, Meister zu werden. In den letzten Jahren ist kein Spieler geholt worden, der den Verein richtig nach vorne gebracht hätte. Was Schalke fehlt, ist so ein Ribéry. Jones und Westermann waren solide Einkäufe, aber viele andere gingen total daneben. Von möglicher Selbstkritik sind die Verantwortlichen jedoch meilenweit entfernt. Der Nachbar Rot-Weiß Oberhausen hat gezeigt, dass man auch mit wenig Asche und einem guten Spirit erfolgreich sein kann. Und am letzteren fehlt es in Schalke am meisten. Man muss endlich eine Philosophie entwickeln, wie man das große Ziel erreichen kann.

Also ein „We can do“ wie bei Barack Obama?

Genau. Deutscher Meister? Yes, we can! (Lacht.)

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