Den 1,87 Meter großen Angreifer, der von Bursaspor an die Castroper Straße wechselte, war ein Nobody, von dem man schlichtweg noch nichts gehört hatte. Doch dass dies nicht gleichbedeutend sein muss mit fehlender Klasse, das haben nicht nur die VfL-Fans am vergangenen Samstag in München nachhaltig vor Augen geführt bekommen. Der Stürmer erzielte nicht nur den zwischenzeitlichen Ausgleich zum 1:1, sondern bereitete auch die beiden weiteren VfL-Tore vor. Im Gespräch mit RevierSport verriet der Neue ein wenig über den Wechsel in den Pott, die Gründe seiner körperlichen Defizite und über seine ersten drei Monate beim VfL. Sinan Kaloglu, nach dem 3:3 beim FC Bayern und der exzellenten Leistung scheinen Sie endlich in Bochum angekommen zu sein.
Völlig ungelöst von dem Spiel, die Atmosphäre in den letzten Monaten war super. Alle gehen auf mich zu, sind hilfsbereit, das ist alles sehr familiär und ich bin sehr froh, dass ich beim VfL gelandet bin. Wie kommt man von Bursaspor zum VfL? Mein Berater, der übrigens auch Christian Fuchs zum VfL gebracht hat, schickte Trainer Marcel Koller eine DVD von mir und hat ihm gesagt, dass er noch einen guten Stürmer ohne Verein hat. War der Klub konkurrenzlos?
Nein, ich hatte noch zwei weitere Angebote aus der Ersten Liga, zwei aus der Zweiten Liga sowie aus Holland und Frankreich.
Sinan Kaloglu (Foto: firo).
Warum fiel die Entscheidung für Bochum? Zunächst einmal wollte ich in der Bundesliga spielen, das ist der Traum von eines jeden Ausländers. Dann kam dazu, dass die ersten Gespräche mit dem Trainer, in denen ich sehr viel über den VfL und die Stadt erfahren habe, sehr positiv waren. Die Entscheidung fiel dann recht schnell. Das hat aber auch privat gut gepasst. Ja, denn meine Frau Daria ist in Düsseldorf geboren und da ist sie natürlich nah an ihrer Heimatstadt.
Beim ersten Training konnte man zwei Dinge erkennen: Starke Qualitäten am Ball, aber fehlende Fitness. Wie kam es dazu? Ja, das ist richtig. In den sieben Jahren, in denen ich in der türkischen Liga gespielt habe, machte ich im Schnitt rund 30 Partien pro Saison. Zum Vergleich: In der letzten Serie fehlte ich in 20 Matches. Als fest stand, dass ich wechseln wollte, habe ich kaum noch gespielt und fehlende Praxis bedeutet dann irgendwann auch fehlende Fitness.
Haben Sie zwischendurch sogar ein Trainingsverbot auferlegt bekommen? Ich möchte über meine damalige Situation nicht mehr ins Detail gehen. Aber ich gebe zu, dass die letzten Monate eine sehr schwierige Phase waren. So etwas habe ich zuvor noch nicht erlebt.
Dafür hatten Sie ein wenig Zeit für Ihr Privatleben. Ich habe am 17. Mai geheiratet, eine Reise auf die Malediven gemacht. Das war nach zwei Jahren endlich wieder der erste Urlaub. Im Februar erwarten wir Nachwuchs, es wird ein Mädchen. Sind Sie sportlich jetzt bei hundert Prozent?
Nein, aber ich bin auf einem guten Weg. Die Vorbereitung mit meiner Knochenhautentzündung, wo ich meine Rückstände gar nicht aufholen konnte, war schon eine bittere Zeit. Ich habe ja kein Testspiel bestreiten können. Doch der Trainer hat mich wieder herangebracht. Wenn trainingsfrei war, habe ich Zusatzschichten eingelegt und zuletzt noch ein dreiwöchiges Spezialprogramm absolviert. Ich bin dem Trainer sehr dankbar für seine Geduld und ich bin guter Hoffnung, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
Ihr Einstand beim VfL im Heimspiel gegen Wolfsburg wäre fast spektakulär geworden. Ja, es steht 2:2 und ich mache das Siegtor, dann beweisen die Fernsehaufnahmen, dass ich vielleicht ein paar Millimeter im Abseits war. Das war schade. Umso größer war die Medienresonanz nach dem Auftritt beim Rekordmeister. Wahnsinn, was da los war. Ich hatte sehr viele Anrufe, Glückwünsche und musste mehrere live Interviews geben. Unsere Mentalität ist so, dass wenn wir ins Ausland wechseln, dort auch besonders erfolgreich sein wollen. Überspitzt könnte man sagen, dass ich mich als Botschafter des türkischen Volkes fühle und so viele positive Schlagzeilen wie möglich machen möchte. Gelingt dies, geht es ja bald zur Nationalmannschaft. Obwohl ich gelesen habe, dass Scouts mich in München beobachtet haben, weiß ich davon nichts. Aber Nationaltrainer Fatih Terim kennt mich gut. Bei ihm genieße ich einen hohen Stellenwert. Und wenn er weiß, dass ich absolut fit bin, werde ich bald wieder was von ihm hören. Im Sommer noch haben mich die Ärzte der Nationalelf angerufen und sich nach meiner Genesung erkundigt. Gelingt es mir, weiterhin das Beste für den VfL zu geben, wird es hoffentlich nicht bei meinem einzigen Länderspiel 2006 gegen Aserbaidschan bleiben. In der Juniorenelf habe ich öfter gespielt, einmal in Leverkusen mit der U21 gegen Deutschland.
Sie haben zuletzt in Bursaspor gespielt, ein Ort, der den VfL-Fans nicht bekannt ist, obwohl die Bochumer am 28. Januar 1990 in Bursa ein Testspiel bestritten und vor 6000 Zuschauern mit 0:1 verloren. Wie beschreiben Sie Ihre letzte Wahlheimat? Es ist die schönste Stadt der Türkei. 2,5 Millionen Einwohner und obwohl es eine Industriestadt ist, hat sie sehr viel zu bieten. Das Meer liegt vor der Tür, aber man kann auch lange Skilaufen. Und die Fans? Das sind alles liebe Menschen, die ihren Klub total verehren. Sie haben ein sehr großes Fußballherz, genau wie in Bochum. Momentan fehlt mir nur die Sonne. Am letzten Wochenende waren es daheim zwischen 20 und 30 Grad.
Wie unterscheiden sich die Zuschauer in der Türkei und Deutschland? In Deutschland ist es zwar nicht egal, ob du gewinnst, verlierst oder Remis spielst. Aber eine Pleite wird hier nicht aufgenommen, wie das Ende der Welt. Das ist in der Türkei viel extremer, da herrscht nach zwei Niederlagen schon Ausnahmezustand und man verspürt einen brutalen Druck. Wie fällt der Stadionvergleich aus? Die Bedingungen hier sind optimal, bei den großen Istanbuler Klubs ist das vielleicht okay, aber die meisten Stadien sind doch sehr marode. Ganz schlimm sieht das mit den Rasenflächen aus. In Deutschland ist das Geläuf so weich und gut wie ein türkischer Teppich. Wie sieht es im Umfeld aus? Da hat sich eine ganze Menge getan. Fast alle Vereine haben inzwischen moderne Rasentrainingplätze. Die Bedingungen wurden optimiert, dazu gehören auch Fünf-Sterne-Hotels mit separaten Räumen für jeden Spieler. Was haben Sie vor dem Fußball für einen Beruf ausgeübt? Ich habe das Gymnasium abgeschlossen und bin gleich zum Fußball. Meine Eltern Riza und Elif besitzen großen Sachverstand und haben mich sehr unterstützt. Wie stellen Sie sich ein perfektes Fußballwochenende vor? So wie in München, obwohl ich sagen muss, dass meine Gedanken nach dem Abpfiff schon bei Gladbach waren. Ich schaue mir die Gegner zigmal im Fernsehen an und spiele gedanklich auch einige Züge durch. Aber wenn wir gegen die Borussia gewinnen, dann werde ich mich mit Freunden treffen und wir werden uns im Ruhrgebiet umschauen.
Welche Schlagzeile wünschen Sie sich nach der Partie? Drei Punkte für Bochum, Kaloglu trifft wieder, Mannschaft begeistert Fans.