Auch Löw, der am Montag ein Gespräch mit Bundestorwarttrainer Andreas Köpke über die Zukunft Lehmanns in der Nationalelf führte, lehnte die Beschuldigungen des Keepers gegen den italienischen Referee ab. "Wir dürfen den Blick für die Realität nicht verlieren. Sicher hätte es für David Silvas Kopfstoß gegen Lukas Podolski Rot geben müssen. Sonst habe ich auf dem Video aber nichts Gravierendes gesehen. Und ich weiß nicht, ob wir die Spanier in Überzahl bezwungen hätten. Sie waren an diesem Tag einfach zu stark für uns", sagte Löw.
Lehmann hatte Rosetti am Sonntag wie schon direkt nach dem Endspiel öffentlich unterstellt, die deutsche Mannschaft bei der 0: 1-Niederlage im EM-Finale gegen Spanien verpfiffen zu haben: "Je mehr ich an das Endspiel denke, desto wütender werde ich. Das Mindeste, was man sagen kann, ist: Der Schiedsrichter war parteiisch", sagte Lehmann der Bild am Sonntag und Sport-Bild online.
Bundestrainer Löw baute schon einmal vor und kündigte für den Fall des Abschieds von Lehmann aus der Nationalmannschaft bereits einen Konkurrenzkampf um den Platz im deutschen Tor an. Die Aussagen von Lehmann, der dem Krankenhaus-Direktor aus Turin auch fünf Wochen nach dem in Wien verlorenen EM-Finale gegen Spanien (0: 1) noch "Parteilichkeit" unterstellt, bezeichnete Löw als "unnötig" und realitätsfern.
Teilt Lehmanns Kritik am Schiedsrichter nicht: Bundestrainer Joachim Löw. (Foto: firo)
"Er ist eben immer noch enttäuscht, wie wir alle. Aber wir dürfen den Blick für die Realität nicht verlieren. Roberto Rosetti ist keinesfalls Parteilichkeit zu unterstellen. Ich kenne ihn schon seit längerer Zeit, er hat ein sehr gutes Niveau. Außerdem waren die Spanier einfach besser. Das allein war der Grund für die Niederlage", sagte Löw im Interview mit dem Fachmagazin kicker. Auch beim Gespräch zwischen Löw und Bundestorwarttrainer Andreas Köpke waren Lehmanns Vorwürfe gegen Rosetti ("Er hat uns verpfiffen") am Montag Thema. Im Mittelpunkt stand aber, in den kommenden Tagen einen Termin zu finden, um mit Lehmann über dessen Zukunft im Nationalteam zu sprechen. Nach sid-Informationen wollen Löw und Köpke mit Blick auf die WM 2010 eine neue Nummer 1 aufbauen. Ob sich Lehmann als Ersatz in den Dienst der Mannschaft stellen will oder seinen Rücktritt erklärt, ist derzeit offen. Löw will in dem Gespräch mit Lehmann wissen, "wie er sich die nächsten ein, zwei Jahre generell so vorstellt." Lehmann habe bei seinem neuen Arbeitgeber schließlich nur einen Einjahresvertrag unterschrieben, meinte Löw. Derzeit ist davon auszugehen, dass den DFB-Trainern mit Blick auf die kommenden zwei Jahre bis zur WM das Risiko zu groß ist, auf einen Keeper zu setzen, der im kommenden Jahr möglicherweise ohne Verein dasteht. Bessere Karten scheint dagegen wieder der vor der EURO 2008 überraschend ausgebootete Timo Hildebrand vom spanischen Pokalsieger FC Valencia zu haben. Löw stellte dem 29-Jährigen ein Comeback in der Nationalelf in Aussicht. "Er hat sogar wieder sehr gute Chancen. Denn er zählt zu den besten deutschen Torhütern", sagte Löw, der in Kürze ein Gespräch mit Hildebrand führen will. Der bei der EM als Nummer 2 geführte Robert Enke von Hannover 96 würde derweil bei einem Rücktritt Lehmanns nicht automatisch zur neuen Nummer 1 aufsteigen. "Früher hat sich das meist wie von selbst ergeben. Köpke nach Illgner, Kahn nach Köpke, Lehmann nach Kahn. Diesmal gibt es keine so eindeutige Nummer 2. Deshalb würden wir, falls die Situation eintreten sollte, erst einmal die Leistungen beobachten. Es muss nicht sofort eine absolute Festlegung auf die Nummmer 1 stattfinden", erklärte Löw. Neben Enke und dem ebenfalls für die EM nominierten Rene Adler von Bayer Leverkusen machen sich derzeit Hildebrand, der Bremer Tim Wiese und der Dortmunder Roman Weidenfeller Hoffnungen auf einen Platz im Nationalteam. Auch der der derzeit verletzte Schalker Manuel Neuer hat einige Fürsprecher in DFB-Kreisen. Da beim ersten Länderspiel nach der EM am 20. August in Nürnberg gegen Belgien erst ein Bundesliga-Spieltag absolviert ist, wird sich die Nummer 1 im deutschen Tor wohl frühestens zu Beginn der WM-Qualifikation mit den Spielen in Liechtenstein (6. September) und Finnland (10. September) herauskristallisieren.