Die nackten Zahlen: 22 Flugstunden, rund 20.000 Kilometer, sieben Stunden Zeitverschiebung. Das war schon ein gigantischer Aufwand, den der VfL betrieben hat, um im Nissan-Stadion von Yokohama vor knapp 10.000 Zuschauern das Liga-Oberhaus zu präsentieren. Neben rund 200.000 Euro Einnahmen für den VfL war es auch ein Werbefeldzug in eigener Sache. Yuuki Dobashi von der namhaften Sportzeitung "Tokio Sport" stellte fest: "Wie der VfL sich hier vor Ort präsentiert hat, das hat uns schon positiv sehr überrascht. Weder Barcelona noch Valencia, die in den letzten beiden Jahren hier waren, haben es geschafft, so sympathisch 'rüber zu kommen."
Bestnoten in der Außendarstellung. Aber wie sieht es knapp eine Woche vor dem Pokalspielstart bei Preußen Münster sportlich aus? In Sachen Torhüter braucht der VfL sich keine Gedanken zu machen. Zwar hat Daniel Fernandes noch Anpassungsschwierigkeiten. Aber insgesamt scheint das Torwartproblem beim VfL langfristig gelöst zu sein.
Bauchschmerzen bereitet dem Fan derzeit die Innenverteidigung, oder konkreter die Verletzung von Anthar Yahia. Der Algerier leidet seit dem Trainingslager in Tirol an einer Entzündung der Patellasehne im hinteren linken Knie. Deshalb musste er in Yokohama in der Anfangsphase erneut ausgewechselt werden. Zwar hofft Vereinsarzt Dr. Karl-Heinz Bauer, das Problem in den Griff zu bekommen. Doch was ist, wenn Yahia langfristig ausfällt? Mergim Mavraj machte zwar in der Vorbereitung einen riesigen Sprung, ob er aber langfristig Erstliga-Qualität hat, kann nur die Zukunft zeigen.
Was hat der VfL für ein Mittelfeld? Geht man nach den Namen, wimmelt es dort vor Hochkarätern. Doch nach sieben Testspielen fällt auf, dass die Kreativität nur in Ansätzen zu erkennen ist. Übersetzt, es werden zu wenige vernünftige Bälle in die Spitze gespielt, den Stürmern fehlt es an Flanken von den Außenbahnen. Die Abteilung "Attacke" hängt in der Luft. Selbst von Shinji Ono, der gute Ansätze zeigte, fordert Trainer Marcel Koller mehr Präsenz am gegnerischen Strafraum. Mimoun Azaouagh fehlen wegen eines Faserrisses zehn Tage Vorbereitung. Außerdem hat er hin und wieder muskuläre Probleme. Schmerzlich vermisst werden die Flankenläufe von Slawo Freier, dessen kleiner Zeh mittlerweile ein großes Problem ist.
Last but not least der Angriff. Hätte Stanislav Sestak mindestens einmal geknipst, könnte man ihm fast schon Topform bescheinigen. So aber verpufft seine von Tag zu Tag zunehmende Leichtfüßigkeit, weil die Anspiele meist ins Leere gehen. Weil Sinan Kaloglu noch nicht fit ist für die Bundesliga und Vahid Hashemian aufgrund von Rückenbeschwerden nur allmählich in Tritt kommt, ist Marcin Mieciel im Moment als zweite Spitze neben Sestak gesetzt. Zwar wirkt er nicht filigran, haut sich aber ins Getümmel, geht dahin, wo es wehtut, ist kantig und damit keine schlechte Ergänzung zu Sestak. Er profitiert auch davon, dass Joel Epalle seine Qualitäten nicht ausschöpft und auf der Außenbahn wohl besser aufgehoben ist als in der Spitze.
Fazit: Die Testspiele gegen internationale Gegner haben die derzeitigen Schwächen deutlich ans Licht gebracht. Aus diesen Erkenntnissen wird Koller jetzt seine Lehren ziehen. Schließlich ist für die Beurteilung einer Vorbereitung immer nur der Start in die Saison entscheidend. In den sieben Tests gab es gute Ansätze, meist über 45 Minuten. Aber auch viel Leerlauf. Man vielleicht 55 Prozent der Möglichkeiten ausgeschöpft. Es bedarf einer deutlichen Leistungssteigerung, um einen guten Auftakt hinzulegen.