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RWE: Michael Kulm: „Das Gewinnen wieder lernen“
Authentizität, Respekt und Disziplin

RWE: Michael Kulm: „Das Gewinnen wieder lernen“

Es kam, wie es kommen musste. Coach Heiko Bonan und der Sportliche Leiter Olaf Janßen wurden mit sofortiger Wirkung entlassen.

Das 1:2 gegen den SV Babelsberg war der Tropfen, der das Fass bei den Verantwortlichen zum Überlaufen brachte. In der offiziellen Pressemitteilung wurden Formulierungen gewählt, die den Schritt bekräftigten. Babelsberg ist „sicherer Abstiegskandidat“, die Rückrunde ist „enttäuschend verlaufen“, so dass „personelle Konsequenzen“ gezogen wurden.

Neuer Chefcoach bei RWE ist Michael Kulm, der bisherige Trainer der 2. Mannschaft. Die RWE-Vita von Kulm: seit fünf Jahren als Trainer bei RWE. Er hat in der Zeit mit der U17 den Aufstieg in die Junioren-Bundesliga und den Gewinn des Westdeutschen Pokals erreicht. In der laufenden Saison belegt er mit seiner jungen Verbandsliga-U23 mit 16 Punkten Vorsprung souverän den ersten Tabellenplatz und wird in die neue NRW-Liga einziehen.

RWE-Präsident Rolf Hempelmann: „Michael Kulm hat sich durch seine Erfolge für die Aufgabe als Trainer des Regionalliga-Teams qualifiziert. Er hat in seinen Mannschaften stets ein hohes Maß an Disziplin durchgesetzt und mit einem klaren taktischen Konzept seine Spieler zu konstanten Leistungen und zahlreichen Siegen geführt. Das ist genau das, was unsere verunsicherte Regionalliga-Truppe jetzt braucht.“ Auf Kulms ausdrücklichen Wunsch hin wird er bei seiner Arbeit vom bisherigen Co-Trainer Ralf Außem unterstützt. RS unterhielt sich mit Kulm.

Michael Kulm, heute spendet Papst Benedikt den Urbi et Orbi, den Segen zum Osterfest. Wieviel Glauben benötigen Sie? Ohne Glauben geht überhaupt nichts, jeder muss an irgendwas glauben. So glaube ich auf jeden Fall daran, dass wir die notwendigen Punkte einfahren, um in die dritte Liga einzuziehen. Der Glaube ist riesig, sonst hätte ich die Aufgabe nicht übernommen.

Wann wurde es „ernst“ für Sie? Wir haben uns am gestrigen Samstag zusammengesetzt, dann auch lange bis in die Nacht hinein telefoniert. Letztendlich war es dann in den frühen Morgenstunden klar. Die Ablösung erfolgte, ich wurde auf meine neue Aufgabe vorbereitet.

Die wie lautet? Dass ich als neuer Trainer der Regionalligamannschaft die notwendigen Zähler hole. Die Mannschaft muss so schnell wie möglich mit Sicherheit auf den Platz gehen, das Selbstbewusstsein muss da sein, dass wir die Spiele gewinnen.

Sie kennen das Team gut, oder?

Ich konnte die Truppe in meiner bisherigen Funktion als U23-Trainer das ganze Jahr mitbegleiten. Mir sind die Jungs bekannt, die Charaktere, Stärken und Schwächen. Der Wechsel von der U23 zur ersten Mannschaft ist jetzt nicht so dramatisch.

Anders ist es, oder?

Es ist auch eine Umstellung, ich komme von einer Truppe, die unangefochten an der Tabellenspitze steht und von einem Sieg zum nächsten eilt. Jetzt leite ich eine Gruppe, die das Gewinnen erst einmal wieder lernen muss. Das ist meine Hauptaufgabe, den Akteuren zu zeigen, wie man Matches gewinnt. Ich gebe mir die größte Mühe.

Wie war Ihr erster Eindruck? Die Mannschaft war sehr gefasst, wurde vorab schon vom Präsidenten Rolf Hempelmann vorbereitet. Das Team war ruhig und konzentriert, man hat gut zugehört. Ich habe meine Vorstellungen dann mit wenigen Worten auch noch einmal kundgetan. Ich habe erklärt, wie ich mir den Ablauf in nächster Zeit vorstelle. Ich habe auch ganz klar erläutert, warum wir die nötigen Punkte sammeln.

Was war Ihr erster Satz, sicherlich nicht „Guten Tag, mein Name ist Kulm“. Nein, natürlich nicht. Aber natürlich habe ich mich noch einmal vorgestellt, denen, die mich vielleicht noch gar nicht kennen. Andererseits hatte ich den Eindruck, jeder wusste, wer ich bin. Wir haben wichtige Sachen besprochen, in dieser Phase überlassen wir nichts dem Zufall. Wir gehen das jetzt an.

Es dürfte nicht um das Fußballerische gehen, sondern eher um den Kopf. Sind Sie jetzt der „Dr. House“ der Hafenstraße? Es ist ja wirklich so, dass nur ganz wenige Details oder Momente ein Spiel entscheiden. Genau an denen muss man arbeiten. Es ist ja nicht so, dass ich eine Mannschaft übernehme, die einen Hühnerhaufen darstellt, die keine Fitness aufweist, die Unordnung hat. Die Truppe ist in sich intakt und funktioniert. Auch der große Wille ist da, das Ziel zu erreichen. Oft ist es so, das Kleinigkeiten die Wende bringen.

Was ist das? Das sind Sachen, die sich mental abspielen. Man muss immer wieder in Erinnerung gerufen bekommen, wo man stark ist. Ich habe den Eindruck, bei dem einen oder anderen ist in Vergessenheit geraten, wie man sich am besten auf dem Platz bewegt, warum man in einer Situation auf das Tor schießt, in der anderen jedoch den Ball abspielt, den richtigen Pass mit dem korrekten Fuß und der korrekten Schärfe anwendet. Es gilt jetzt, im Training bei einfachen Spielkombinationen auf diese Dinge zu achten.

Normalerweise sind Sie parallel zu Ihrer Trainertätigkeit noch „full time“ Kriminalhauptkommissar. Wie wird das geregelt? Das ist eigentlich mein Hauptberuf, von diesem bin ich jetzt aber freigestellt worden. Ich stehe RWE also 24 Stunden zur Verfügung. Das ist alles geklärt worden, als aktuell wurde, dass ich möglicherweise das Amt des Cheftrainers übernehme. Wenn RWE das möchte, werde ich das bis zum Saisonende auch machen.

Das ist auch eine riesige Chance für Sie persönlich, sich in der Trainerbranche zu etablieren, korrekt? Wenn ich sage, dass ist für mich eine Herzensangelegenheit, ist das keine Floskel. Ich bin jetzt fünf Jahre im Club, das war eine erfolgreiche Zeit. Ich konnte verfolgen, wie sich RWE in dieser Zeit zum Positiven entwickelt hat. Ich möchte dabei sein, wenn das neue Stadion und das Jugendleistungszentrum entsteht. Jetzt bin ich in der Situation, dass ich an erster Stelle mithelfen kann, deshalb habe ich auch nicht lange überlegt, als es darum ging, die Aufgabe zu übernehmen. Ich werde mein Bestes geben.

Nochmals, sehen Sie Ihre ganz persönliche Chance? Natürlich ist es das auch, aber es steht bei mir nicht im Vordergrund. Das gilt auch für das Finanzielle. Es geht auch um die Leute, viele sind mir ans Herz gewachsen. Ich will erleben, dass wir die U19 in der Bundesliga haben, die U23 soll in die NRW-Klasse. Für die Gesamtstruktur ist es wichtig, dass die erste Mannschaft ihr Ziel erreicht.

Wenn jemand auf Sie zukommt und Ihnen sagt: „Herr Kulm, Sie sind doch nur ein Notnagel.“ Was entgegen Sie? Ehrlich gesagt, natürlich wird es solche kritischen Stimmen geben. Es wird bestimmt auch von einer preiswerten Lösung gesprochen, vielleicht auch davon, dass kein anderer bereit war. Das interessiert mich alles überhaupt nicht. Ich habe schon bei der ersten Trainingseinheit festgestellt, es ist eine Mannschaft da, die mitzieht. Ich mache mir keine Sorgen, jetzt müssen wir an der richtigen Stelle ansetzen, dafür benötige ich noch ein bisschen Zeit. Eine Woche habe ich ja noch bis Erfurt. Dann werden wir sehen, was dabei raus kommt. Ist Ihre Entwicklung vom Jugendbereich hoch zum Cheftrainer rasant? Ich habe schon vor acht Jahren beim VfL Bochum in der Jugend gearbeitet, bei RWE bin ich im fünften Jahr. Wenn man, wie in jedem anderen Unternehmen, so lange erfolgreich wirkt, geht man die Treppe normalerweise bergauf. Die logische Konsequenz aus meiner Arbeit ist einfach, dass ich mit im Pool war. Deshalb konnte ich die Gremien auch überzeugen. These: Jugendtrainer, Verantwortlicher für die U23, Chef-Coach der Regionalligatruppe – das kann nicht immer die gleiche Person sein! Das ist ein wesentlicher Punkt für mich, den ich auch immer wieder versuche, den Akteuren zu vermitteln. Man muss authentisch bleiben. Wenn man anfängt, sich zu verstellen, kommt das bei einer Gruppe von Spielern sofort an, die aktuell auch ungemein sensibilisiert sind. Man muss so sein, wie man ist. Sonst wird man unglaubwürdig und kann keine gute Arbeit machen.

Wie beschreibt sich der authentische Michael Kulm selbst? In drei Sätzen würde das dem Ganzen sicherlich nicht gerecht, das gilt für alle Menschen. Für mich ist wichtig: Meine Mannschaften haben sich immer durch ein hohes Maß an Respekt dem Mitspieler und Verantwortlichen gegenüber ausgezeichnet. Es gab immer hohe Disziplin, auch im Jugendbereich, wo das bestimmt nicht einfach ist. In dieser Hinsicht hat man dort mehr Arbeit als mit Erwachsenen. Das ist mir gelungen, darauf achte ich. So gehe ich auch die neue Aufgabe an. Ordnung war auch immer ein entscheidender Begriff, den Heiko Bonan formulierte. Die Ordnung, die man außerhalb des Platzes hat, die soll auch auf dem Platz wiedergefunden werden. Ein Akteur, der verinnerlicht hat, dass es nur über das Gesamte geht, der kann das auch auf dem Feld umsetzen. Das ist meine feste Überzeugung, dass das funktioniert, egal in welchem Fußballbereich oder auch in anderen Teamsportarten, in denen man arbeitet. Ich darf mit ein bisschen Stolz sagen, das stellt man bei der U23 fest. Diese Auswahl hat sich auch über diese genannten Aspekte verbessert.

Erfurt wartet auf Essen. Was sagt die Datenbank? Mein Informationsgehalt ist so gut, dass ich meine Mannschaft auf dieses Spiel vorbereiten kann.

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