Mit einer einfachen Frage fing es an. Thomas Harmes hatte erneut ein Spiel seiner Söhne in Meerbusch verpasst und fragte sich: Warum hängt da keiner eine Webcam auf? Sein Essener Kumpel Georg Moser griff die Idee auf, flitzte in den Baumarkt, kaufte einen Eimer, schnitt Löcher für eine Kamera rein, verlegte Kabel ins Haus – fertig: Hunderte User sahen online zu. Amateurfußball live im Internet. Für jeden.
Anfang Oktober wird aus der Idee Realität. Dann geht das Essener Start-up „Soccerwatch“ mit der gleichnamigen Internetseite soccerwatch.tv offiziell ins Netz.
Das Besondere: Eine Kamera mit intelligenter Software überträgt jede Spielszene live und schneidet nach dem Abpfiff ein Video mit den Höhepunkten des Spiels zusammen.
Der Unterschied zur Kölner Konkurrenz Sporttotal – laut Soccerwatch: Vereine und Verbände sollen mit bis zu 50 Prozent an den Werbeeinnahmen beteiligt werden. Die Amateurvereine müssen praktisch nichts machen. Und Trainer können das Spiel später aus einer 180-Grad-Perspektive analysieren.
Der Zugang zum Portal ist kostenfrei. Fans können die Spiele zu Hause oder auf dem Handy verfolgen – „in guter Qualität“, sagt Jan Taube, Mitgründer des Start-ups.
Man muss nichts aufbuddeln oder Bauanträge stellen
Georg Moser
Und für die Vereine? „Unser Ziel ist es, die Kamera möglichst kostenfrei zur Verfügung zu stellen.“ Die Installation am Flutlichtmast übernehme Soccerwatch. Danach läuft alles von alleine: kein Betreuer am Stativ, keine Redaktion. Geschäftsführer Moser sagt mit einem Augenzwinkern: „Man muss nichts aufbuddeln oder Bauanträge stellen.“ Sobald auf dem Platz gekickt wird, springt die Kamera an. Die Software in der weißen Laterne unterscheidet nicht nur Fußball und Nichtfußball: Eigentor, Elfmeter und Foulspiel registriert das Auge für die spätere Zusammenfassung. Übertragung per LTE-Antenne stellt Vodafone bereit.
Seit zwei Wochen testet das Unternehmen die Kameratechnik in zehn Vereinen, darunter der Essener Oberligist aus Schonnebeck, der TC Freisenbruch, VfL Sportfreunde 07 Essen sowie TSV Meerbusch und Turu Düsseldorf. Bis Ende des Jahres sollen 50 Kameras in der Region hängen, bis zum Sommer 500 in Deutschland.
Eishockeyspiele bald auch im Netz? Mit dem Testlauf ist Georg Moser zufrieden: „Funktioniert bisher sehr gut“, sagte der Essener bei der Vorstellung am Mittwoch in der Sportschule Wedau. Der 31-Jährige hat eigentlich nichts mit Fußball am Hut. „Leider wurde ich nicht mit dem Talent gesegnet.“ Wohl aber mit dem Entwickler-Gen: Während seines Maschinenbau-Studiums an der Universität Duisburg-Essen gründete er mit Freunden aus der Wohngemeinschaft sein erstes Unternehmen. Vor eineinhalb Jahren tüftelte er an einem Kamerasystem, das bald in ganz Deutschland Amateurfußball übertragen soll. „Fünfte Liga ist natürlich auch sexy“, sagt Unternehmer Jan Taube, „aber wir können runtergehen bis in die Kreisliga.“
Im Juli schloss der DFB mit Sporttotal einen Kooperationsvertrag über zehn Jahre. Es gibt aber auch kritische Stimmen: Durch die Live-Übertragung würden noch weniger Zuschauer an den Amateurplätzen stehen. Gejubelt wird dann nur noch vom Sofa. Ob die Bedenken berechtigt sind, wird die Praxis erst zeigen können.
60 000 Amateurspiele pro Woche – Jan Taube plant schon den nächsten Schritt: „Wir beschäftigen uns aktuell damit, wie die Technik auch für andere Sportarten verwendet werden kann.“ Bei Taube, früher Eishockey-Profi der Duisburger Füchse, des Herner EV und der Iserlohn Roosters, steht sein Lieblingssport oben auf der Liste.