Das Gespräch dauerte nicht lange. Über Mittelsmänner ließ Borussia Dortmund vor einigen Tagen bei Julian Nagelsmann vorfühlen, ob er sich den Trainerposten beim BVB vorstellen könnte. „Das ja – aber nicht jetzt“, lautete die Antwort. Damit war die Sache klar: Nagelsmann, erst 29 Jahre alt, bleibt mindestens eine weitere Saison bei 1899 Hoffenheim, das er binnen eines Jahres von der Abstiegsangst befreite und in die Champions League führte. Auf höchstem europäischen Niveau will sich der Trainer nun erst einmal bei seinem jetzigen Verein beweisen.
Gegenseitiges Misstrauen
Beim BVB hielt sich der Ärger über die Zurückweisung in Grenzen. Sie wussten ja: Nagelsmann spekuliert auf ein Bayern-Engagement nächstes oder übernächstes Jahr. Außerdem: Plötzlich hatten sie bessere Karten bei ihrem Favoriten Lucien Favre.
Noch in dieser Woche soll der erste Schritt vollzogen werden. Die Zeit von Trainer Thomas Tuchel (43) am Bundesliga-Standort Dortmund geht zu Ende. Er wird entlassen werden. Die Gräben zwischen Tuchel und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke lassen sich nicht einmal mit all dem goldenen Lametta des Pokalsieges von Berlin oder den Millionen aus der kommenden Champions-League-Saison zuschütten. Gespräche zwischen Trainer und Chef gab es zuletzt kaum noch – und wenn, dann mussten Zeugen mit am Tisch sitzen. Gegenseitiges Misstrauen ist kein guter Nährboden. Die Trennung ist daher unabwendbar, innerhalb von einer Woche soll sie vollzogen und öffentlich gemacht sein. Die zu zahlende Abfindung: unter zwei Millionen Euro.
Mit Lucien Favre (59), der vor dreieinhalb Wochen Bayer Leverkusen absagte, steht der Favorit auf die Nachfolge nach Informationen dieser Zeitung bereits fest. Der Schweizer, zurzeit erfolgreich bei OGC Nizza, ist sehr interessiert.
Allerdings: Die Franzosen wollen den Trainer nicht gehen lassen, verweisen auf den Vertrag bis 2019. Mit anderen Worten: Die Verhandlungen werden kompliziert, der Deal, wenn er zustande kommt, wird sehr teuer für die Borussia.
Kovac hospitierte beim BVB
Wird’s nichts mit Favre, sieht die Liste des BVB Kölns Peter Stöger und Amsterdams Peter Bosz als Kandidaten vor. Auch Frankfurts Niko Kovac ist nicht erst seit dessen BVB-Hospitanz Anfang 2016 ein Name, der interessiert. Die Ablösesumme für den Kroaten soll allerdings bei beachtlichen zehn Millionen Euro liegen.
Endgültig turbulent wird die Handlung, wenn man weiß, dass Bayer Leverkusen trotz anfänglicher Dementis des Sportdirektors Rudi Völler („Da ist nichts dran“) tatsächlich Kontakt zum Berater des Noch-Dortmunders Tuchel aufgenommen hat. Im mächtigen Gesellschafterausschuss unter dem Vorsitzenden Werner Wenning, lange Zeit Chef des Bayer-Konzern, ist die Erkenntnis gereift, dass die talentierte Mannschaft einen erfolgreichen und hungrigen Trainer brauche. Tuchel ließ ausrichten, dass er sich ein Engagement trotz verpasster Europapokal-Qualifikation vorstellen könne, weil er die Mannschaft für hochinteressant hält. Eine schnelle Neuanstellung an anderem Ort könnte auch segensreich für das zuletzt ramponierte Image des jungen Trainers sein. Beim BVB empfindet man das Verhalten des Trainers und das Wirken seines Beraters Olaf Meinking mitunter als wunderlich.
Vertrauensfrage? Blödsinn!
Zuletzt hieß es, der Trainer habe seinen Profis die Vertrauensfrage gestellt, was seinem Ruf nicht schadete, weil dabei angeblich niemand aufbegehrte. Doch diesen Vorgang soll es so nie gegeben haben, zumindest die Spieler wunderten sich ob der Darstellung und drängten auf eine öffentliche Klarstellung, die Tuchel am Samstagabend nach dem Finale lieferte: „Das mit der Vertrauensfrage ist Blödsinn.“