Als Michael Welling im ETB-Vereinsheim am Uhlenkrug die ersten Worte ins Mikro spricht, verzieht er erst einmal das Gesicht. Der Hall, das Echo - eine Geräuschkulisse, die den RWE-Präsident sofort stört. Kurzentschlossen macht er ohne Mikrofon weiter und hält den etwa 20-minütigen Vortrag nur mit seinem kraftvollen Stimmvolumen. Es ist exemplarisch für die komplette Kooperation, in der Rot-Weiss Essen und der eigentliche Lokalrivale ETB ihre Kräfte vor allem im Jugendbereich bündeln wollen. "Um der Stadt etwas zurückzugeben", wie Welling in seinem Vortrag betont. Schließlich sei das ambitionierte Endziel in Essen geborene Fußballer besser auszubilden und auch an die Stadt zu binden.
Der Grundgedanke ist denkbar einfach. Hoffnungsvolle RWE-Talente mit Anschlussvertrag an den Seniorenbereich, für die die Regionalliga noch zu früh kommt, werden für ein Jahr beim ETB geparkt, um sich dort weiterentwickeln zu können. Vorteil für RWE: Jugendspieler werden nach dem Sprung in den Seniorenbereich gebunden, zumal es auch keine U23 mehr gibt. Vorteil ETB: Der abstiegsbedrohte, finanziell alles andere als auf Rosen gebettete Oberligist erhält Verstärkungen. Bis zu drei Spieler pro Jahr, je nach Stärke des Jahrgangs und Bedarf beim ETB. Die Gehaltskosten bleiben bei RWE. Hinzu kommt ein jährliches, gemeinsames Duell als Saisoneröffnung, sowie regelmäßige Förderspiele, bei denen Spieler aus U17, U19 und der ersten Mannschaft teilnehmen sollen.
Die Kooperation gilt jedoch nicht nur für den Seniorenbereich. In der Jugend soll die Zusammenarbeit enger laufen. Unter anderem soll die Sichtung und Entwicklung von Talenten gemeinsam forciert werden, es gibt gemeinsame Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung von Trainern sowie regelmäßige Vergleichsspiele von der U9 bis zur U16. Dadurch kämen die Rot-Weissen auch der Zertifizierung ihres Nachwuchsleistungszentrums einen Schritt näher. In Zukunft ist unter anderem auch ein gemeinsamer Förderverein geplant. "Diese Kooperation lebt davon, dass wir sie leben", betont Welling.
Für den ETB ist sie vor allem eins: Hoffnung. Jahre des Chaos und der finanziellen Schwierigkeiten liegen hinter den Schwarz-Weißen. In der Oberliga überwinterte der Traditionsklub auf einem Abstiegsplatz, mit Manfred Wölpper wurde ein neuer Trainer an den Uhlenkrug geholt, um sich in der Rückserie über den berühmten Strich zu kämpfen. Schließlich würde ein Abstieg in die Landesliga auch für die Kooperation einige Schwierigkeiten bedeuten. RWE-Sportdirektor Jürgen Lucas will daran noch keinen Gedanken verschwenden: "Das würde das Ganze erschweren. Wir denken jedoch positiv und gehen vom Klassenerhalt aus."
Bleibt also nur noch abzuwarten, ob der ETB auch in der laufenden Saison, noch ohne den Stadtrivalen, liefern kann. Der Kooperationvertrag läuft erst einmal über fünf Jahre, zudem gibt es eine beidseitige Option für weitere fünf Jahre.