Sicherlich würden sie es gerne ungeschehen machen, aber der schwarze Tag der Königsblauen ist aus den Chroniken nicht mehr zu tilgen – und auch nicht aus dem kollektiven Gedächtnis. Dafür war es einfach zu spektakulär. Dreieinhalb Jahre gab es die Fußball-Bundesliga schon, knapp 1000 Spiele waren ausgetragen. In der Gründerzeit fielen weit mehr Tore als heute, doch selbst Prügelknabe Tasmania Berlin (108 Saison-Gegentore) hatte im Vorjahr keine zweistellige Niederlage kassiert. Dann kam der 7. Januar 1967, als die Schalker am Gladbacher Bökelberg Spielball der legendären Fohlen-Elf wurden.
Vor der Partie waren die Borussen Fünfter und favorisiert, denn Schalke spielte als Dreizehnter wie in den beiden Vorjahren gegen den Abstieg. Auswärts hatten die Knappen erst einen Punkt geholt. Trainer Fritz Langner hatte schon nach dem letzten Vorbereitungsspiel gegen Lok Moskau (0:3) eine Strafpredigt gehalten. „Zum Jahreswechsel knöpfte er sich jeden Spieler einzeln vor, ermahnte ihn im Hinblick auf die schwere zweite Serie zum sportlichen Lebenswandel“, schrieb das Sport Magazin.
Doch der beste Lebenswandel hätte nichts an den Umständen geändert, die dieses Spiel auf Schnee überschatteten. Als Schalke auflief, fehlte plötzlich Mittelfeldspieler Manfred Kreuz. Seine erst 27 Jahre alte Frau war am Donnerstag unerwartet an einem Virus verstorben. „Der Schock nach Rosemaries Tod war bei mir und der Mannschaft riesig, weil die Kameradschaft sehr groß war“, erinnerte sich Kreuz. Und so standen elf deprimierte Schalker gegen elf vor Spielfreude sprühende Borussen auf verlorenem Posten.
Außerdem durfte der lange verletzte Josef Elting wieder ins Tor statt des jungen Norbert Nigbur. Langner wollte „den erfahreneren Mann“. Nigbur war angefressen und sagte der WAZ damals: „Ich möchte mich dazu nicht äußern.“ Und doch war es ein Glück für ihn, nicht im Tor gestanden zu haben. Elf Mal schlug der rote Ball hinter Elting ein, und das Sport Magazin behauptete gar: „Sicher sind die Knappen mit dieser Niederlage noch sehr zufrieden, weil sie wissen, dass es sogar 20 Tore hätten sein können.“ 17.000 Zuschauer waren auch mit elf mehr als zufrieden und feierten euphorisch. Bernd Rupp eröffnete den Torreigen nach einem Netzer-Freistoß (7.) und erhöhte nach 21 Minuten. Ein Kopfball von Herbert Laumen (30.) und ein weiterer Rupp-Treffer (40.) nach Netzer-Vorarbeit sorgten schon zur Pause für die Entscheidung. Borussia dachte nicht daran, Kräfte zu schonen.
Laumen wusste 2014 zu berichten: „Ich weiß noch, wie der Friedel Rausch bettelte: ‚Nun hört endlich auf mit dem Toreschießen!‘. Aber wir in unserem jugendlichen Elan und mit unserem sportlichen Ehrgeiz waren nicht bereit zurückzustecken. Das hätten die Schalker ja auch nicht getan.“ S04-Trainer Fritz Langner hatte den Ehrgeiz der Borussen zusätzlich angestachelt. Er war vor der Bundesliga noch deren Trainer gewesen und hatte sie mit den Worten verlassen: „Ich kann aus Ackergäulen keine Rennpferde machen.“
Weiter ging die Torjagd: Netzer vollendete ein brillantes Solo zum 5:0 (47.), schoss auch das 8:0 (68.). Dazwischen hatten sich erneut Laumen (57.) und Rupp (62.) gedrängelt. Laumen köpfte auch das 9:0 (71.) und dann, man schrieb die 85. Minute, wurde es erstmals zweistellig in der Bundesliga: Jupp Heynckes stellte per Kopf den historischen Spielstand her und legte in letzter Minute noch das 11:0 nach. Hinterher hatten die Borussen doch Mitleid. Netzer: „Ich möchte nur wünschen, dass man bei Schalke diese hohe Niederlage so schnell wie möglich vergisst.“
So einfach ging das nicht. Auf der Schalker Geschäftsstelle stapelten sich die bösen Briefe. Doch im Fußball geht es zuweilen schnell mit der Krisenbewältigung. Bereits eine Woche später wurde der Anhang wieder versöhnt. Mönchengladbach musste im DFB-Pokal in die Glückauf-Kampfbahn – und diesmal gewann Schalke mit 4:2. Manfred Kreuz war dabei und wurde von den Fans auf Schultern vom Platz getragen.