Bislang hat sich Clemens Tönnies in dieser Saison merklich zurückgehalten. Der Schalke-Boss äußert sich nur noch selten zum königsblauen Tagesgeschehen. Jetzt hat sich Tönnies zu Wort gemeldet. In einem gemeinsamen Interview mit Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp im Magazin der Süddeutschen Zeitung kritisiert Tönnies Aufsteiger RB Leipzig.
"Ich vertrete einen Traditionsverein und muss sagen: Es tut schon weh, wenn ein Konzern daherkommt, sich einen Fußballclub schnappt und die Statik der ganzen Liga verschiebt. Wenn ein Milliardär über Nacht ein perfektes Nachwuchszentrum hinstellt und die fähigsten Mitarbeiter und Trainer des Landes abwirbt", erklärt er. Und weiter: "Formal ist das alles regelkonform und fügt sich in die Logik unserer Zeit und unseres Systems, aber trotzdem: Schalke ist der drittgrößte Verein Deutschlands, es gibt uns seit 1904, und auf einmal ist da ein Konkurrent, den wir nicht auf der Liste hatten - und auch nicht haben konnten. Das können wir nicht verhindern, aber darauf müssen wir aufpassen."
Er sei kein Fantast, "aber wir haben auf Schalke nun mal bald 150.000 Mitglieder und zehn Millionen Fans, die besten der Liga, ehrlich, die tun alles für ihren Verein, die leben und die sterben für ihn. Und Leipzig hat so was noch nicht. Denen fehlt diese gewachsene Identität. Aus unserer schöpfen wir so viel Kraft, dass wir keinen Investor brauchen. Ich sehe auch niemanden, der zu uns passen würde. Ein Investor will Geld verdienen. Wir wollen das Geld, das wir verdienen, aber selber wieder ausgeben, um auch in der nächsten Saison oben mitzuspielen."
Im Gespräch äußert sich der Schalke-Boss auch zu den Pfiffen einiger S04-Anhänger. Bei der Verabschiedung von Horst Heldt in der letzten Saison skandierten Teile der Fans "Tönnies raus" und pfiffen. "Das hat wehgetan, weil ich seit 23 Jahren alles für diesen Verein mache und am selben Tag den besten Marketingdeal unserer Geschichte verkünden konnte. Die Verabschiedung war mit Horst Heldt gemeinsam geplant. Die Fans haben mich trotzdem ausgepfiffen", sagt Tönnies. "Aber egal, jedermanns Freund ist jedermanns Narr. Ich habe immer ein As im Ärmel, bin dickfellig und mache mein Ding. Der Schalke-Virus hat mich stärker gepackt als je zuvor. Jetzt läuft es auch sportlich wieder. Und je besser es läuft, desto leiser kann ich werden."
Der 60-Jährige garantiert den Schalke-Fans keine übermäßig steigenden Ticketpreise. "Das würden wir nie im Leben machen, die Kartenpreise für die Nordkurve so erhöhen, dass der Familienvater mit seinem Sohn nicht mehr ins Stadion kommen kann. Dagegen sperre ich mich. Da haben wir eine soziale Verantwortung", meint Tönnies, der auch die Stehplätze nicht abschaffen möchte. "Das wäre bei uns undenkbar. Viele unserer Dauerkartenbesitzer haben das Gefühl, dass unser Stadion ihr Zuhause, ja ihr Wohnzimmer ist, und dieses Gefühl lasse ich ihnen gern. Mir geht es ja genauso."
Jetzt hofft der Schalke-Boss auf eine erfolgreiche Saison mit dem neuen Trainer. Tönnies: "Markus Weinzierl hat sich schnell mit dem blauen Virus identifiziert. Die Fans spüren sehr genau, ob jemand mit Liebe dabei ist."