Es ist das Halbfinale des Hallenmasters, das die Essener Fußball-Freizeit-Liga (FFL) jedes Jahr veranstaltet. 16 Mannschaften treten gegeneinander an, um ihren Meister zu finden. Philipp spielt für Borussia Borbeck. Er läuft einem Gegenspieler hinterher, geht in den Zweikampf, stolpert. Der damals 23-Jährige schafft es nicht mehr, seine Arme hoch zu reißen, knallt mit dem Kopf gegen die Hallenwand und bleibt bewegungslos liegen. „Ich spürte sofort, dass ich meine Beine und Hände nicht mehr rühren konnte“, erzählt er.
Philipp ist seit dem Sturz an jenem 31. Januar querschnittsgelähmt. Er hat eine Tetraplegie, bei der alle vier Gliedmaßen betroffen sind. Ab kurz über der Brust abwärts spürt er nichts mehr. Bei dem Sturz erlitt er einen Splitterbruch im siebten Halswirbel und ist ab dem sechsten gelähmt. Seine Handgelenke kann er bewegen, seine Finger nicht. Nur die Schulter- und Nackenmuskulatur funktioniert.
Therapeutische Hilfe war nicht nötig
Christian Ruthenbeck organisierte das Hallenturnier mit den „Playhouse Kickers“. Schnell war klar, dass dies kein normaler Sturz war, der Wettbewerb wurde sofort abgebrochen. Auf dem Weg zum Krankenwagen hielt Christian Philipps Hand. „Noch am selben Abend haben wir mit den Mannschaften der Freizeitliga beschlossen, ein Benefizturnier für Philipp zu organisieren“, sagt er. Am 27. August wird es auf der Sportanlage Langmannskamp in Steele stattfinden. Alle Einnahmen kommen dem heute 24-Jährigen zugute.
Philipp sitzt in seinem Rollstuhl in der Küche seiner neuen Wohnung in Borbeck. Er trägt einen Zehn-Tage-Bart, seine Augen sind offen und freundlich. Er zündet sich eine Zigarette an und lacht: „Das Feuerzeug bekomm’ ich noch an.“ Was es für einen jungen Menschen bedeutet, seine Bewegungsfreiheit zu verlieren, ist kaum vorstellbar. Dass Philipp so positiv vor einem sitzt, liegt vor allem an seiner Familie. „Alle stehen hinter mir“, sagt er. Auch deshalb sei er nicht in ein Loch gefallen. Therapeutische Hilfe habe er nicht gebraucht, „ich spreche lieber mit meinen Freunden und mit meiner Familie als mit einem Psychologen“.
Wiedereinstieg ins Arbeitsleben bei Siemens
Nach knapp einem Jahr Krankenhaus- und Reha-Aufenthalt war er für kurze Zeit in sein Elternhaus gezogen, aber das Reihenhaus eignet sich nicht für einen Bewohner im Rollstuhl. Die Wohnung in Borbeck, in der er seit Jahresbeginn mit seinem Bruder wohnt, hat einen Balkon mit Rollstuhl-Lift – den musste er auf eigene Rechnung einbauen lassen. Und auch sonst fallen viele Kosten an, die nicht oder nur teils von der Kasse getragen werden. Fünf Tage die Woche wird Philipp vom Fahrdienst zur Ergotherapie gebracht; an jeder Fahrt muss er sich mit fünf Euro selbst beteiligen. „Ich hoffe, dass ich bald mit meinem eigenen Auto fahren kann“, sagt der 24-Jährige. Aber auch den Umbau des Wagens muss er selbst bezahlen.
Vor seinem Unfall hat der gebürtige Frintroper eine Ausbildung bei Siemens absolviert und anschließend zwei Jahre bei dem Unternehmen in Mülheim gearbeitet. Trotz des Unfalls und der Querschnittlähmung stand sein Arbeitgeber immer hinter ihm – in zwei Monaten steigt er wieder bei Siemens ein. Allerdings kann er seinen vorherigen Beruf als Elektriker für Maschinen- und Antriebstechnik nicht mehr ausüben. Er wird nun in der Qualitätssicherung eingesetzt – ein Job am Schreibtisch. Noch müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, ein Integrationsbeauftragter soll mit Philipp Hilfsmittel finden, mit denen er den Computer schnell bedienen kann.
"Ich muss noch ein neues Hobby finden"
Zu Hause braucht der 24-Jährige dagegen nicht viele solcher Hilfestellungen. Aber eine hat ihn besonders gefreut: Zu Weihnachten baute ihm sein Bruder eine Halterung für den Controller der Spielkonsole, „damit ich weiter ,Fifa’ spielen kann“.
Seine Freundin Anna unterstützt Philipp in jeder freien Minute. Zusammen mit seiner Familie sorgt die Krankenschwester dafür, dass er keine externen Pflegekräfte braucht, um den Alltag zu bewältigen. Kennengelernt haben die beiden sich einen Tag, nachdem Philipp aus der Reha entlassen wurde.
Bald will sich der Borbecker eine Sportart suchen, die er trotz seiner Lähmung ausüben kann. „Ich muss noch ein neues Hobby finden.“ Für die Tage, an denen die Gedanken an den 31. Januar 2015 zurückkommen – aber die will Philipp ohnehin nicht zulassen: „Die ziehen nur runter. Ich habe mich mit der Situation abgefunden.“
Das Benefizturnier für Philipp wird am Samstag, 27. August, auf der Sportanlage Langmannskamp in Steele ausgetragen. Alle Mannschaften der 1. und 2. Fußball-Freizeit-Liga (FFL) treten an, darunter auch das Team Borussia Borbeck, für das Philipp vor seinem Unfall spielte. Zudem wird die dritte Mannschaft von Rot-Weiss Essen am Turnier teilnehmen. Um 9 Uhr beginnen die Gruppenspiele, um 18 Uhr startet das Finale.
Während der Mittagspause wird die Traditionsmannschaft von Rot-Weiss Essen gegen eine weiteres Traditionsteam aus der Region antreten. „Wir sind da noch in Verhandlungen mit mehreren Vereinen“, erklärt Organisator Christian Ruthenbeck. RWE hat aber bereits fix zugesagt.
Ruthenbeck hat viele Sponsoren für die knapp 1000 Tombolapreise gewonnen, die während des Turniers verlost werden – darunter hochwertige Sportgeräte im Wert von mehreren hundert Euro. Salate und Kuchen werden von den Freizeitligisten vorbereitet, Würstchen und Brötchen können sie weit unter dem normalen Preis einkaufen. Für Kinder gibt es zahlreiche Spiele, einen Clown zur Unterhaltung, und auf der Basketballanlage können sich auch Erwachsene austoben.
Christian Ruthenbeck betont: „Jeder Cent, den wir einnehmen, geht an Philipp.“