Der erste Gedanke war, als Jonathan Tah als Rüdiger-Nachrücker Dienstagabend ins Spiel gebracht wurde: Das ist doch wohl ein Scherz! In Hamburg war der Innenverteidiger zwischenzeitlich abgeschoben worden und dann unter merkwürdigen Umständen zu Bayer Leverkusen geflüchtet. Ja, in der Bundesliga und im Europacup avancierte Tah zu einer festen Größe unter Trainer Roger Schmidt. Aber EM-Spieler?
Der zweite Gedanke heute morgen, da hatte Bundestrainer Joachim Löw die Nachnominierung von Tah längst bestätigt, war schon deutlich freundlicher. Wer, wenn nicht Tah? Heiko Westermann? Gott, bewahre. Der junge Tah hat's drauf. Es kamen die Spiele in den Sinn, die Tah wie ein Fels in der Brandung bestritten hatte: Die Angriffswellen des Gegners rollten auf ihn zu, er aber stand mit gutem Stellungsspiel und überragender Robustheit im Auge des Taifuns seinen Mann. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass Tah erst 20 Jahre alt ist.
Darum ist Löws Entscheidung nur logisch und richtig. Er baut die Nationalmannschaft der Zukunft. Mit Julian Weigl, mit Leroy Sané und eben jetzt mit Jonathan Tah. Er muss zwei Spiele schaffen, spätestens dann ist Mats Hummels wieder fit. Währenddessen kann Tah lernen, wie so eine Europameisterschaft im Binnenklima funktioniert. Ist Tah nervös im Training, hat Löw immer noch Benedikt Höwedes von Schalke 04 und Joshua Kimmich vom FC Bayern für die Innenverteidigung.
Und übrigens, Antonio Rüdiger ist auch nur drei Jahre älter.
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