Einen Tag nach dem 3:1-Sieg gegen die TSG Hoffenheim sieht der Trainingsplan von Borussia Dortmund Auslaufen vor, und wie fast immer sind es nur die Ersatzspieler, die sich intensiver bewegen müssen. Julian Weigl gehört an diesem Montag nicht dazu. Er gehört fast nie dazu, denn in der laufenden Saison stand er in 37 von 39 Spielen auf dem Platz, meist in der Startelf. Eine bemerkenswerte Bilanz für einen gerade einmal 20-jährigen Fußballer, der vor einem Jahr noch in der Zweiten Liga bei 1860 München spielte.
Passquote von 92 Prozent
Doch Weigl nahm seinen Platz beim Bundesligazweiten mit bemerkenswerter Selbstverständlichkeit ein, beeindruckte mit starkem Stellungsspiel und großer Ballsicherheit. 1618 Pässe hat er in der Bundesliga gespielt, 1489 kamen an – eine Quote von 92 Prozent.
Wer den Mittelfeldspieler aber zuletzt auf dem Platz sah, ob beim 3:1 gegen Hoffenheim (Note in unserer Einzelkritik: 4,5 ) oder beim 1:0-Sieg in Porto, sah einen jungen Mann, der mit sich selbst haderte, dem die Leichtigkeit des Beins abhanden gekommen war, der mit Nachlässigkeiten Mitspieler und Zuschauer erschreckte. „Mir fallen die Dinge schwerer, ich habe in manchen Spielen mehr Fehlpässe als in der Hinrunde“, sagt er. Es sind immer noch bemerkenswert wenige, gegen Hoffenheim waren es ganze drei. Doch der Weigl der Rückrunde ist ein Opfer der Erwartungen, die der Weigl der Hinrunde geschürt hat. „Es ist nicht mehr jeder angekommene Pass ein Erfolg, ich bin nicht mehr für jede Spielminute dankbar“, sagt er. „Jetzt musst du den Maßstab, den du in der Hinrunde gesetzt hast, bestätigen. Das ist nicht immer einfach. Wie Weigl spürt die gesamte Mannschaft die Last der Erwartungen, die sie mit ihrer fulminanten Hinrunde geschürt hat.
Derzeit punktet der BVB zwar konstant, überzeugt aber spielerisch nur selten. „Wir müssen wieder besser spielen“ forderte Sportdirektor Michael Zorc zuletzt. Gegen Hoffenheim gelang dies nur in Ansätzen, und mit jedem Fehlpass schwoll das Murren und Raunen an. Zur Pause waren vereinzelt Pfiffe zu hören. Der Anhang ist anspruchsvoller geworden, Kampf und Krampf alleine reichen ihm nicht mehr. Wer regelmäßig die schwebende Jungfrau gesehen hat, gibt sich nicht mit Kartentricks zufrieden.
Geduld ist gefragt
„In der Hinrunde haben wir uns teilweise in einen Rausch gespielt“, sagt Weigl. „Jetzt müssen wir uns mehr erarbeiten, geduldiger sein.“ Eine Übung nicht nur für die Mannschaft, sondern auch für den ehrgeizigen Trainer Thomas Tuchel, der in jedem Spiel nicht weniger als das Maximum fordert – auch von Julian Weigl. „Ich weiß, dass ich sehr streng mit ihm bin und werde das auch bleiben“, sagt Tuchel. „Es gilt auch sein Spiel auf das nächste Niveau zu heben.“
Wer da nicht voll mitzieht, bekommt die Konsequenzen schnell zu spüren: Gonzalo Castro etwa pendelte nach schwachen Auftritten zuletzt zwischen Ersatzbank und Tribüne. Shinji Kagawa musste mehrfach draußenbleiben und wurde gegen Hoffenheim nach schwacher erster Halbzeit ausgewechselt. Ilkay Gündogan erging es in Porto nicht anders. Der Mittelfeldstratege immerhin konnte mildernde Umstände anführen, eine Erkältung hatte ihn geschwächt. Gegen Hoffenheim kam er zur Pause und leitete zwei Tore ein.
Dass es genauso schnell in die andere Richtung gehen kann, durfte am Sonntag sogar Adrian Ramos erfahren : Als Torjäger fast schon in Vergessenheit geraten, wurde er gegen Hoffenheim eingewechselt und erzielte fünf Minuten vor Schluss das umjubelte 2:1 – es war das 100. Saisontor des BVB.